09.07.2024 05:56:31 - dpa-AFX: Hamburger Bürgerschaft entscheidet über MSC-Einstieg am Hafen

HAMBURG (dpa-AFX) - Die Hamburgische Bürgerschaft schickt sich an, am
Mittwoch dem umstrittenen Deal zum Einstieg der weltgrößten Reederei MSC beim
Hafenlogistiker HHLA als letzte Instanz zuzustimmen. Gibt die
rot-grüne Koalition in der letzten Sitzung vor der Sommerpause grünes Licht,
kann ein über mindestens 40 Jahre laufender Vertrag in Kraft treten. Die
Opposition könnte die endgültige Entscheidung allenfalls noch bis nach der
Sommerpause hinauszögern, indem sie die zweite Lesung verweigert. Doch worum
geht es bei dem Geschäft überhaupt? Ein Überblick:

Wer ist die HHLA?

Die Hamburger Hafen und Logistik AG, kurz HHLA, ist nicht irgendein
Umschlagbetrieb. Das aus der 1885 gegründeten Hamburger
Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft (HFLG) hervorgegangene Unternehmen ist das Herz
des Hamburger Hafens. So wurden an seinen drei Containerterminals - Tollerort,
Altenwerder und Burchardkai - im vergangenen Jahr rund 5,9 Millionen
Standardcontainer (TEU) umgeschlagen, rund 77 Prozent des Hamburger
Gesamtumschlags. Darüber hinaus ist die HHLA mit ihren knapp 6800 Beschäftigten
engagiert bei Terminals im ukrainischen Hafen Odessa, im italienischen Triest
sowie im estnischen Hafen Muuga.

Mindestens genauso wichtig wie die Terminals sind für die HHLA ihre
Unternehmen zum Weitertransport der Container auf der Straße und der Schiene.
Für Bahntransporte hat die HHLA ihre Tochter Metrans. Eine Kuriosität und der
Geschichte geschuldet ist das Engagement des Hafenlogistikers im
Immobilienbereich, unter anderem mit Unesco-Weltkulturerbe Speicherstadt.

Wie geht es der HHLA?

Die Lage ist schwierig. Als international ausgerichtetes Unternehmen treffen die Krisen der Welt die HHLA oft unmittelbar und hart. So blieb im vergangenen
Jahr bei einem Umsatz von rund 1,45 Milliarden Euro gerade mal ein Gewinn von 20
Millionen Euro übrig. Der Containerumschlag ging um 7,5 Prozent zurück, der
Containertransport um 5,4 Prozent - und bestätigte damit anders als bei den
Hauptkonkurrenzhäfen Rotterdam und Antwerpen einen seit der Weltfinanzkrise 2008
mal mehr mal weniger anhaltenden Trend. Im ersten Quartal dieses Jahres ist die
HHLA sogar in die roten Zahlen gerutscht.

Hinzu kommen Umbrüche bei den großen Reedereien, die sich etwa wie Maersk
und Hapag-Lloyd in der "Gemini Cooperation" zusammenschließen und
zum Ärger der HHLA künftig vorrangig Häfen anlaufen wollen, in denen sie selbst
Terminals besitzen oder kontrollieren - in Deutschland etwa Bremerhaven und
Wilhelmshaven. Dabei braucht die HHLA dringend Geld für die Modernisierung und
Automatisierung ihrer Terminals.

Was tun?

Hamburgs rot-grüner Senat - die Stadt hielt bislang rund 70 Prozent der
Aktien, der Rest war in Streubesitz - entschied sich für eine Rosskur bislang
ungekannten Ausmaßes. Im September wurde überraschend verkündet, dass die
weltgrößte Reederei MSC bei der HHLA einsteigen und künftig 49,9 Prozent des
Unternehmens halten werde. Die Stadt werde ihren Anteil auf 50,1 Prozent
reduzieren.

Was ist genau verabredet?

Für knapp die Hälfte der Anteile wird die Reederei Mediterranean Shipping
Company (MSC) ihr Ladungsaufkommen an den HHLA-Terminals laut einer Drucksache
der Bürgerschaft von 2025 an erhöhen und bis 2031 auf eine Million TEU pro Jahr
steigern. Außerdem werde sie in der Hafencity eine neue Deutschlandzentrale
bauen, in die auch die Kreuzfahrtsparte MSC Cruises einziehen werde; die
Mitarbeiterzahl werde sich mit zusätzlich 700 Jobs in Hamburg mehr als
verdoppeln. Zudem wollen MSC und die Stadt das Eigenkapital der HHLA um 450
Millionen Euro erhöhen. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sagte, im
Vordergrund der Verhandlungen für den über mindestens 40 Jahre laufenden Vertrag
hätten zwei Punkte gestanden: "Wir müssen die Mehrheit behalten und wir müssen
die Mitbestimmung gewährleisten." Beides sei erreicht. "Wir haben als Stadt auch
weiterhin das Vorschlagsrecht für die CEO- und die Aufsichtsvorsitz-Positionen."

Was passierte nach der Ankündigung?

Kurz: Es brach ein Sturm der Entrüstung los. Hafenarbeiterinnen und
Hafenarbeiter gingen mehrmals auf die Straße, machten in wütenden
Demonstrationen ihrem Ärger Luft, schreckten gar vor einem wilden Streik nicht
zurück. Betriebsräte, die Gewerkschaft Verdi, ja selbst Sachverständige warnten
in Expertenanhörungen und in einer Öffentlichen Anhörung der Hamburgischen
Bürgerschaft vor einem "historischen Fehler". Vor allem das Geschäftsgebaren von
MSC steht im Feuer. Ist MSC doch nicht gerade für ein Engagement in Sachen
Mitbestimmung bekannt, feuerte in einem Tochterunternehmen in Hamburg auch schon
mal einen früheren Betriebsratschef.

Wo entzündete sich die Kritik am MSC-Deal noch?

Am Preis. Etliche Kritiker sind sich sicher, dass der ausgehandelte Preis
von 16,75 Euro pro Aktie und damit knapp 233 Millionen Euro für die städtischen
HHLA-Anteile viel zu niedrig angesetzt sind. So sagte der frühere Präsident des
Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunter Bonz, dem "Hamburger Abendblatt":
"Glückwunsch an MSC. Das Unternehmen hat alles richtig gemacht und den Senat
nach Strich und Faden über den Tisch gezogen." Die HHLA sei viel mehr wert,
allein die Metrans schon zwei Milliarden Euro./klm/DP/zb
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