27.06.2024 17:07:57 - dpa-AFX: ROUNDUP: Geld zurück? BGH prüft Spieleransprüche bei unerlaubten Sportwetten

KARLSRUHE (dpa-AFX) - Wer vor Jahren bei unerlaubten Sportwetten Geld
verloren hat, kann auf eine Rückerstattung der verspielten Wetteinsätze hoffen.
Am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ging es am Donnerstag um die Frage, ob
ein Anbieter, der einst ohne erforderliche Lizenz in Deutschland
Online-Sportwetten veranstaltete, die verlorenen Wetteinsätze eines Spielers
zurückzahlen muss. Der Senat neige nach vorläufiger Einschätzung dazu, solche
Verträge ohne sogenannte Konzession als nichtig anzusehen, auch wenn diese
Lizenz schon beantragt worden war, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Koch zu
Beginn der Verhandlung in Karlsruhe. Spieler könnten dann Anspruch auf eine
Rückerstattung haben.

In dem konkreten Fall hatte ein Mann von 2013 bis 2018 an Sportwetten des
Anbieters Tipico teilgenommen und dabei mehr als 3700 Euro verloren, die er
zurückverlangte. Seiner Ansicht nach waren die Sportwetten unzulässig und die
Wettverträge unwirksam, weil der Anbieter nicht die erforderliche Erlaubnis der
zuständigen deutschen Behörde hatte. Tipico hatte eine Konzession zwar
beantragt, erhielt sie aber erst 2020.

Bislang hatte die Klage des Spielers keinen Erfolg. Das Landgericht Ulm
argumentierte, Tipico habe zwar gegen Vorschriften des damaligen
Glücksspielstaatsvertrags von 2012 verstoßen, die Wettverträge seien aber
wirksam. Dass der BGH das anders sehen könnte, geht aus einem Anfang April
veröffentlichten Hinweisbeschluss zu einem ähnlichen Fall hervor, der den
Spielern den Rücken stärkte.

Unionsrechtliche Fragen?

Im Zentrum der Verhandlung stand am Donnerstag unter anderem die Frage nach
einer Beurteilung des Falls nach europäischem Recht. Die Anwälte aufseiten von
Tipico appellierten an den Senat, dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg die
umstrittene Thematik vorzulegen. Der BGH hielt eine EuGH-Vorlage zu dem Thema
bisher nicht für nötig. Die relevanten Fragen seien beantwortet, hieß es in dem
Hinweisbeschluss vom April.

In dem aktuellen Fall sei aber auch eine EuGH-Vorlage denkbar, erklärte
Richter Koch am Ende der Verhandlung. Es gebe Fragen, die in dem anderen
Verfahren nicht vorgelegen hätten. Tipico-Anwalt Ronald Reichert zeigte sich
daher nach der Verhandlung zufrieden. "Ich habe den Eindruck, dass der Senat
ernsthaft erwägt, dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen und das war dasjenige,
was wir für unbedingt erforderlich gehalten haben."

Auch BGH-Anwalt Christian Rohnke hatte im Gerichtssaal betont, die Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten habe Tipico nur deshalb gefehlt, weil sie dem
Unternehmen unionsrechtswidrig vorenthalten worden sei. Man müsse sich fragen,
ob man den Anbieter dafür bestrafen könne, dass ihm die Lizenz zu unrecht nicht
erteilt worden sei, und dieser trotzdem Spielwetten veranstaltete.

Urteil könnte Klagewelle lostreten

Käme es zu einem spielerfreundlichen Urteil des BGH, könnte das Fachleuten
zufolge eine noch größere Klagewelle lostreten als ohnehin schon. Tausende
ähnliche Verfahren laufen bereits an deutschen Gerichten. Das liegt auch daran,
dass sich Kanzleien und einige Unternehmen auf diese Art von Klagen
spezialisierten. Die Unternehmen vermitteln den Spielern Anwälte und übernehmen
die Kosten der Rechtsverfolgung gegen eine Provision im Erfolgsfall. So auch das
Unternehmen Gamesright, das in dem vorliegenden Fall dem Spieler seine
Forderungen abgekauft hat und nun als Kläger gegen Tipico auftritt.

"Für uns war das heute ein voller Erfolg", sagte Gamesright Co-Gründer
Hannes Beuck nach der Verhandlung. "Der Senat hat sich sehr ausführlich geäußert
und uns in eigentlich allen Punkten vorläufig recht gegeben." Man hoffe auf ein
schnelles Urteil und eine Leitsatzentscheidung, die es anderen Gerichten
leichter mache, auf Linie des BGHs zu entscheiden. Wann der BGH eine
Entscheidung verkündet, blieb zunächst offen./jml/DP/jha

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