10.07.2024 15:24:29 - dpa-AFX: Hessen: Automatisierte Mini-Märkte dürfen künftig sonntags öffnen

WIESBADEN (dpa-AFX) - Mit seltener Einstimmigkeit hat der hessische Landtag
den Weg für die Sonntagsöffnung von Mini-Supermärkten mit Automaten und ohne
Mitarbeiter freigemacht. Das in Wiesbaden verabschiedete Gesetz sieht im Sinne
des Sonntagsschutzes vor, dass solche automatisierten Verkaufsflächen nur
höchstens 120 Quadratmeter groß sein können und ausschließlich Waren des
täglichen Bedarfs anbieten dürfen.

Arbeitsministerin Heike Hofmann (SPD) sagte: "Das ist ein guter Tag für
Hessen und die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes." Der SPD-Abgeordnete
Matthias Körner erklärte, die Änderung des hessischen Ladenöffnungsgesetzes
werde noch vor der parlamentarischen Sommerpause rechtssicher in Kraft treten.

Dabei geht es den Befürwortern vornehmlich um die Stärkung des ländlichen
Raums. Kritiker sprechen dagegen von Eingriffen in den Schutz des Sonntags.
Hintergrund der Debatte ist unter anderem ein Urteil des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs, wonach eine von der Stadt Fulda verfügte Schließung der
ohne Personal betriebenen "Tegut-Teo"-Verkaufsstellen an Sonntagen seinerzeit
rechtens war.

Tegut will 25 Minimärkte auch wieder sonntags öffnen

Das Handelsunternehmen Tegut kündigte an, alle seine 25 deshalb seit Januar
2024 in Hessen sonntags geschlossenen automatisierten "Teo"-Minimärkte auch
wieder an diesem Wochentag zu öffnen: "Damit endet eine Phase der Verunsicherung
für dieses beliebte Vertriebskonzept, das Dank digitaler Verlaufstechnologien
den Einkauf rund um die Uhr und ohne Verkaufspersonal ermöglicht."

Lediglich drei "Teo"-Märkte in Bahnhofsnähe in Hessen durften laut Tegut
stets auch sonntags weiterhin öffnen. Das Unternehmen teilte überdies mit: "Die
bislang auf Eis liegenden Expansionspläne neuer Standorte können nach der
Änderung dieses Gesetzes wieder aufgenommen werden." Die Neuregelung gilt auch
für Feiertage.

Laut dem Landtagsabgeordneten Sascha Meier (Grüne), selbst einst Leiter
eines Supermarktes, ist der ländliche Raum von der Alterung der Gesellschaft und
dem Fachkräftemangel besonders betroffen - ihn gelte es daher mit den
automatisierten kleinen Läden ohne Personal zu stärken. Arbeitsministerin
Hofmann sagte: "Es ist nämlich eine Öffnung für den Sonntag." Und nicht gegen
den Sonntagsschutz.

Auch Hofläden und Tankstellenshops sonntags offen

FDP-Fraktionschef Stefan Naas sprach von einer Modernisierung eines
veralteten Gesetzes auf Vorschlag der Frei-, Christ- und Sozialdemokraten im
Landesparlament: "Den Bürgerinnen und Bürgern ist es nicht mehr vermittelbar,
warum Hofläden, Läden in Tankstellen und Bahnhöfen sogar mit Personal sonntags
öffnen dürfen, aber die automatisierten Mini-Supermärkte nicht mal ohne
Personaleinsatz aufmachen dürfen."

Das hessische Ladenöffnungsgesetz stammt laut Naas ursprünglich aus dem Jahr 2006: "Damals musste sich der Gesetzgeber keine Gedanken über Läden ohne
Personaleinsatz machen, weil es die technischen Möglichkeiten nicht gab." Der
FDP-Fraktionschef ergänzte: "Dass zum Beispiel Waschsalons und Autowaschboxen an
Sonntagen schließen müssen, ist den Menschen ebenfalls nicht vermittelbar.
Liberalisierungen des zugrundeliegenden Sonn- und Feiertagsgesetzes werden wir
Freie Demokraten genauso vorantreiben, wie wir weiterhin eine Ausweitung der
verkaufsoffenen Sonntage anstreben."

Klage nicht ausgeschlossen

Die Allianz für den freien Sonntag Hessen, ein Zusammenschluss kirchlicher
Organisationen und der Gewerkschaft Verdi, hatte dagegen kürzlich der Deutschen
Presse-Agentur mitgeteilt, sie werde nach der Verabschiedung der
Gesetzesänderung prüfen, ob ihre Stellungnahmen berücksichtigt worden seien.
Gegebenenfalls schließe sie ihrerseits eine Klage nicht aus.

Auch mehrere Parlamentarier sprachen in der Landtagsdebatte von der
Möglichkeit von Klagen. Sie zeigten sich aber überzeugt, dass die
Gesetzesänderung auch wegen der vorgesehenen Beschränkungen von Platz und
Warenangebot der Minimärkte rechtssicher sei./jaa/DP/men

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