26.03.2024 07:47:00 - dpa-AFX: ROUNDUP: Fachverband fordert mehr Cannabis-Aufklärung für junge Leute

BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts der kontrollierten Freigabe von Cannabis ab
Ostermontag fordern Fachleute deutlich mehr Präventionskampagnen für Jugendliche
und junge Erwachsene. "Mir kommt es ein bisschen weltfremd vor, zu glauben, dass
18 Jahre eine magische Grenze ist", sagt die Psychiaterin Euphrosyne
Gouzoulis-Mayfrank als künftige Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für
Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN). "Teenager kommen nun wahrscheinlich
leichter an Cannabis als früher, auch wenn es für sie offiziell verboten
bleibt."

Die Ärztliche Direktorin der LVR-Klinik in Köln sorgt sich, dass es so
schnell gar nicht möglich sein wird, weitere Kampagnen aufzusetzen
- "weder von der Zeit noch von der Finanzierung her". Problemfelder
bleiben für sie darüber hinaus Cannabis im Straßenverkehr sowie Vergiftungen bei
Kleinkindern, die sorglos zu Hause aufbewahrte Rauschmittel versehentlich essen
könnten. "Dazu gibt es bereits Beobachtungen aus anderen Ländern."

Der Bundesrat hatte am 22. März dem neuen Cannabisgesetz der Ampel-Koalition zugestimmt. Damit gilt es ab Ostermontag (1. April). Nach 40 Jahren wird
Cannabis im Betäubungsmittelgesetz damit von der Liste der verbotenen Stoffe
gestrichen. Der Umgang bleibt dann zwar auch künftig grundsätzlich verboten -
aber mit genau definierten Ausnahmen für Volljährige. Das betrifft den Besitz
bestimmter Mengen wie zum Beispiel 25 Gramm zum Eigenkonsum in der
Öffentlichkeit, den Besitz von drei Pflanzen zur privaten Zucht sowie den
geregelten Anbau und die Weitergabe des Rauschmittels in speziellen Vereinen.

Medizinische Fachverbände wie die DGPPN hatten die Teil-Legalisierung bis
zur endgültigen Verabschiedung des Gesetzes kritisiert, darunter vor allem eine
aus ihrer Sicht zu niedrige Altersgrenze von 18 Jahren, zu hohe Abgabemengen und
zu wenig staatliche Kontrolle. Der Hauptgrund: Bis zum Alter von 25 Jahren reift
das Gehirn. Kommt in dieser Zeit zu viel Cannabis von außen hinzu, kann das
lebenslange Folgen wie zum Beispiel Psychosen haben.

Mehr Aufklärungskampagnen gefordert

Vielen Ärztinnen und Ärzten fehlt es mit dem Start des Gesetzes an
Initiativen für mehr Aufklärung und Prävention über Cannabis-Risiken
- ähnlich den großen und erfolgreichen Kampagnen geben
Alkoholmissbrauch und HIV-Übertragung.

Die Homepage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sei
bei Cannabis sicher gut, aber sie reiche nicht aus, betonte Gouzoulis-Mayfrank.
Auch die Kampagne des Bundesgesundheitsministeriums sei gut. "Aber das ist
insgesamt wenig. Wir müssen in die Schulen, auch in die Berufsschulen gehen. Man
muss Lehrerinnen und Lehrer schulen. Es müssen spielerische und humorvolle
Präventionskampagnen in sozialen Medien platziert werden, also Posts, die junge
Leute gern teilen." Der Tenor sollte sein: Ja, es ist jetzt legal, aber es ist
nicht ungefährlich. "Da gibt es Parallelen zum Alkohol. Der ist auch nicht
verboten, aber eben auch nicht harmlos", ergänzte die Expertin. Neben Alkohol
müsse es auch um Cannabis am Steuer gehen.

Die 18-Jährigen, die nun kiffen dürften, müssten auch eine Verantwortung
gegenüber Jüngeren lernen - "dass sie Cannabis eben nicht einfach so an
Geschwister oder Freunde weitergeben", sagte die Ärztin. Der Cannabis-Konsum ist
nach Angaben der BZgA in Deutschland vor allem bei jungen Erwachsenen gestiegen.
Laut Befragungen hatte 2021 die Hälfte der 18-bis 25-Jährigen bereits
Cannabis-Konsumerfahrung - das sei der höchste von der BZgA erhobene Wert seit
1973.

"Ich denke, dass vor allem Erwachsene, die schon Erfahrungen mit Cannabis
haben, Mitglied in einem Anbauverein werden oder selbst die erlaubten drei
Pflanzen züchten - und dazu viele Neugierige", mutmaßt Gouzoulis-Mayfrank. "Wir
wissen jedoch nicht, wie sich der Konsum in Deutschland entwickeln wird. Das
hängt von so vielen Faktoren ab, über die wir uns vielleicht noch gar nicht im
Klaren sind."

Erforschung des Cannabis-Konsums sollte intensiviert werden

Der Beobachtungszeitraum im Gesetz reicht aus Sicht der Expertin bisher
nicht aus, um die Auswirkungen der Teil-Legalisierung von Cannabis in der
Gesellschaft zu studieren. "Da würden wir appellieren, dass Folgen und
Konsequenzen mehr als vier Jahre lang erforscht werden", ergänzte sie. Es gebe
bereits repräsentative Erhebungen zum Ausmaß des Cannabis-Konsums in
Deutschland. Jüngst war das zum Beispiel nach Angaben des Bundesministeriums für
Gesundheit im Jahr 2022 eine Zahl von rund 4,5 Millionen Erwachsenen, die
Cannabis wenigstens einmal probiert hatten - am häufigsten im Alter zwischen 18
bis 24 Jahren.

"Diese Befragungen müsste man viel engmaschiger fortführen", schlug die
DGPPN-Expertin vor. "Dabei sollte es nicht allein um das Kiffen an sich gehen,
sondern auch um selbst erlebte Probleme damit." Das können kurzfristig Angst,
Panikgefühle, Orientierungslosigkeit, depressive Verstimmungen, Herzrasen,
Übelkeit und Halluzinationen sein. Langfristig können die Risiken vor allem für
häufig kiffende Heranwachsende aber weitaus bedrohlicher aussehen: bis hin zu
Psychosen und Schizophrenie.

"Es ist grundsätzlich ein mögliches Szenario, dass nun auch Menschen mit
chronischen Schmerzen sich über eine Mitgliedschaft in einem Anbauverein
Cannabis besorgen. Wir werden sehen, ob das eine nennenswerte Zahl ist - und wie
es ihnen damit geht", ergänzte die Psychiaterin. Regelmäßige Erhebungen zur
Häufigkeit bestimmter Erkrankungen wie Psychosen, die mit Cannabis-Konsum
zusammenhängen können, seien mit dem Start des Gesetzes besonders wichtig. "Das
alles müsste aber ganz rasch beginnen", sagte Gouzoulis-Mayfrank.

Cannabis ist eine psychoaktive Substanz aus der Hanfpflanze, die abhängig
machen kann - ob als Joint, Haschkeks oder anders verpackt. "Riskanter Konsum
lässt sich nicht pauschal festmachen", sagt Stephanie Eckhardt, Expertin bei der
BZgA. Es gebe Faktoren, die zusammenspielten - darunter wie oft Cannabis genutzt
werde, wie viel davon und wie hoch der THC-Gehalt sei, also die Konzentration
des Rauschmittels Tetrahydrocannabinol./vl/DP/mis
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
SYNBIOTIC SE NA O.N. A3E5A5 Xetra 9,020 24.05.24 12:14:00 -0,340 -3,63% 8,960 9,120 9,280 9,360
CANTOURAGE GROUP SE O.N. A3DSV0 Xetra 7,300 24.05.24 10:35:30 +0,250 +3,55% 7,150 7,350 7,150 7,050

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