22.03.2024 15:42:47 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Bundesrat macht Weg für Cannabis-Legalisierung frei

(neu: Weitere Details und Reaktionen.)

BERLIN (dpa-AFX) - Der Weg für eine Legalisierung von Cannabis in
Deutschland ist nach jahrzehntelangen Diskussionen frei. Der Bundesrat ließ am
Freitag ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz passieren, das Besitz und Anbau
der Droge für Volljährige zum 1. April mit zahlreichen Vorgaben zum Eigenkonsum
erlaubt. Trotz viel Kritik gab es in der Länderkammer keine Mehrheit dafür, den
Vermittlungsausschuss mit dem Parlament anzurufen und das Gesetz damit
auszubremsen. Um ein Scheitern abzuwenden, hatte die Bundesregierung zuletzt
auch noch zugesichert, einige Regelungen nachträglich zu ändern.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach sprach von einer richtungsweisenden
Entscheidung nach einer gescheiterten Cannabis-Politik der vergangenen zehn
Jahre. Der SPD-Politiker warb vor der Abstimmung im Bundesrat noch um
Zustimmung. "Wenn wir es nicht schaffen würden, wäre es ein großartiger Tag für
die Dealer." Es gebe nun die Chance, durch eine Entkriminalisierung, bessere
Aufklärung und besseren Jugendschutz insbesondere die nächste Generation vor dem
Konsum und vor dem Schwarzmarkt zu schützen.

Die Zäsur in der Drogenpolitik kann nun am Ostermontag in Kraft treten. Das
Gesetz muss zuvor noch amtlich verkündet werden, wenn Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier es unterzeichnet hat. Legal sein soll für Erwachsene ab
18 Jahren der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. In der
eigenen Wohnung sollen drei lebende Cannabispflanzen erlaubt sein und bis zu 50
Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. Kiffen im öffentlichen Raum soll unter anderem
in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite verboten werden.

Möglich werden per Gesetz auch nicht-kommerzielle "Anbauvereinigungen" für
Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder mit Wohnsitz im Inland Cannabis
gemeinschaftlich anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben - im Monat
höchstens 50 Gramm je Mitglied. Spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten des
Gesetzes soll eine erste Bewertung auch dazu vorgelegt werden, wie es sich auf
den Kinder- und Jugendschutz auswirkt.

Im Bundesrat stimmten nach einer kontroversen Aussprache vier der 16 Länder
für den Vermittlungsausschuss, nämlich Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg
und das Saarland. Die übrigen Länder enthielten sich, die Stimme Sachsens
wertete Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) als ungültig, weil das
Votum uneinheitlich war: Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte Ja zum
Vermittlungsausschuss, sein Vize Martin Dulig (SPD) widersprach und
Grünen-Umweltminister Wolfram Günther rief "Enthaltung".

Kretschmer hatte zuvor in seiner Rede argumentiert, bei dem Gesetz könne es
nicht um Parteipolitik und Koalitionsarithmetik gehen. Diese Frage sei so
zentral und so persönlich, "dass für mich klar war, ich werde einer
Legalisierung von Drogen unter keinen Umständen zustimmen, auch wenn das Ärger
in meiner sächsischen Koalition gibt." Er habe Menschen mit schweren Schäden
durch Drogen gesehen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU)
warnte, das Gesetz öffne die Tür zu einer grundlegend neuen Drogenpolitik. "Die
Schwelle zur Enttabuisierung weiterer psychoaktiver Stoffe wird sinken."

Dass das Gesetz im Bundesrat durchkommt, war bis kurz vor der Sitzung
ungewiss. Drei Ausschüsse der Länderkammer hatten wegen vieler Einwände die
Anrufung des Vermittlungsausschusses empfohlen. Die Bundesregierung nahm einige
Kritikpunkte auf, um ein Vermittlungsverfahren abzuwenden. In einer Erklärung,
die im Bundesrat zu Protokoll gegeben wurde, sicherte sie mehr Unterstützung bei
Aufklärung und Vorbeugung vor allem für Kinder und Jugendliche sowie flexiblere
Umsetzungsregeln zu. Dafür sollen nun noch vor dem 1. Juli einige nachträgliche
Änderungen am Gesetz umgesetzt werden.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte den Zeitungen der Funke
Mediengruppe, mit dem Gesetz würden Realismus und Prävention verbunden, ohne
Risiken zu verharmlosen. Er sei sicher, dass die neuen Regeln bald zu einer
Entlastung der Justiz führen würden. Die Grünen-Fachpolitikerinnen Maria
Klein-Schmeink und Kirsten Kappert-Gonther erklärten, das Gesetz sei ein
Paradigmenwechsel, für den sich viele jahrzehntelang eingesetzt hätten.

Die Gewerkschaft der Polizei warnte, Polizei, Justizbehörden und Jugendämter stünden nun vor unnötigen Herausforderungen. "Ab dem 1. April werden unsere
Kolleginnen und Kollegen in zahlreiche Konfliktsituationen mit Bürgerinnen und
Bürgern geratet", sagte der Vize-Vorsitzende Alexander Poitz. Denn auf allen
Seiten gebe es Unsicherheit. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung mahnte, man
dürfe Cannabiskonsum nicht das "Mäntelchen der Ungefährlichkeit" umhängen. Der
Deutsche Richterbund monierte, dass die Legalisierung nun gegen alle Bedenken
"mit der Brechstange" ins Gesetzblatt gedrückt werde./sam/jr/DP/men
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
SYNBIOTIC SE NA O.N. A3E5A5 Xetra 9,060 24.05.24 15:39:11 -0,300 -3,21% 9,000 9,100 9,280 9,360
CANTOURAGE GROUP SE O.N. A3DSV0 Xetra 7,300 24.05.24 13:40:01 +0,250 +3,55% 7,100 7,350 7,150 7,050

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH