15.07.2024 06:30:01 - dpa-AFX: ROUNDUP: Trump vor der Kür - Das passiert beim Republikaner-Parteitag

MILWAUKEE (dpa-AFX) - Die Begleitumstände bei der großen Ernennung Donald
Trumps könnten dramatischer nicht sein. Beim Nominierungsparteitag in Milwaukee
wollen die Republikaner ihren Spitzenmann offiziell zum
Präsidentschaftskandidaten für die Wahl im November küren.

Doch ein Attentat auf Trump schockt kurz vor dem Auftakt das Land - weniger
als 48 Stunden vor Beginn der Zusammenkunft: Ein Mann feuert bei einer
Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat Pennsylvania mehrere Schüsse ab. Trump
wird am Ohr verletzt. Ein Familienvater, der als Zuschauer bei der Veranstaltung
war, stirbt. Zwei Teilnehmer überleben schwer verletzt.

Trump, der die Attacke leicht verletzt übersteht, inszeniert sich nun mehr
denn je als der starke Mann, der selbst durch einen Schusswaffenangriff nicht
aufzuhalten ist. Und seine Anhänger vereint mehr denn je das Gefühl: jetzt erst
recht.

Was ist überhaupt ein Nominierungsparteitag?

Nach den parteiinternen Vorwahlen in den einzelnen Bundesstaaten müssen
sowohl die Demokraten als auch die Republikaner ihr Gesamtergebnis auf
nationaler Ebene offiziell bestätigen. Das geschieht bei den jeweiligen
Nominierungsparteitagen. Die Demokraten treffen sich dafür Mitte August in
Chicago im Bundesstaat Illinois. Der republikanische Nominierungsparteitag
findet dieses Mal vom 15. bis zum 18. Juli in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin
statt.

Wieso Wisconsin?

Dass die Republikaner Wisconsin auserkoren haben, ist kein Zufall. Es
handelt sich um einen "Swing State", der weder den Republikanern noch den
Demokraten fest zugerechnet werden kann. Bei der Präsidentenwahl 2020 gewann der
Demokrat Joe Biden dort nur haarscharf gegen Trump. Auch dieses Mal zeichnet
sich ein äußerst enges Rennen ab.

Viele lokale Politiker begrüßen Nominierungsparteitage, unabhängig von der
eigenen Parteizugehörigkeit, denn sie bringen wirtschaftliche Vorteile mit sich.
Der Bürgermeister von Milwaukee ist Demokrat und hat sich aktiv um die
Gastgeberrolle bemüht. 2020 sollte dort der Nominierungsparteitag der Demokraten
stattfinden - doch die Corona-Pandemie machte alle Pläne zunichte.

Ab heute werden mehr als 50.000 Besucher in Milwaukee erwartet, die Geld für Hotels, Restaurants, Transport und Unterhaltung ausgeben. Es ist ein
Riesenspektakel: Die rund eine halbe Million Einwohner zählende Stadt befindet
sich im Ausnahmezustand. Das straffe Sicherheitskonzept wurde lange vor dem
Trump-Attentat ausgearbeitet. Die Hauptveranstaltungsorte sind nur mit einer im
Vorhinein vom Secret Service erteilten Erlaubnis zu erreichen. Es kommen
Metalldetektoren und Spürhunde zum Einsatz.

Neben Politikern, Parteimitgliedern und Pressevertretern reisen auch
fliegende Händler, Schaulustige und Demonstranten an. Die wohl wichtigsten Gäste
bei jedem Nominierungsparteitag sind aber die Delegierten.

Was sind Delegierte?

Delegierte sind Parteimitlieder, die aus allen 50 Bundesstaaten und sechs
Territorien zum Nominierungsparteitag geschickt werden. Basierend auf den
Vorwahlergebnissen küren sie den Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei. Das
System ist uneinheitlich und äußerst komplex. Bei den Republikanern gibt es etwa
2.400 Delegierte. Um die Kandidatur zu gewinnen, muss sich ein Bewerber
mindestens 1.215 Delegiertenstimmen gesichert haben. Diese Hürde nahm Trump
bereits im März. Insgesamt stehen ihm nach Abschluss der republikanischen
Vorwahlen mindestens 2.265 Delegiertenstimmen zu.

Müssen die Delegierten für Trump stimmen?

Theoretisch müssen sich nicht alle Delegierten an die Vorwahlergebnisse
halten. Da Trump aber in nahezu jedem Bundesstaat klar gegen seine Mitbewerber
gewonnen hat und außerdem starke Loyalität genießt, wird nicht mit einer
parteiinternen Revolte gerechnet. Die formelle Nominierung ist für Montag
angesetzt. In der deutschen Nacht auf Freitag folgt dann traditionell ein
feierlicher Auftritt des frisch gekürten Kandidaten. Als großes Finale hält
Trump seine Annahmerede.

Wann wird bekannt, wer Vize werden soll?

Es ist die Frage aller Fragen: Wer wird Trumps "running mate"? Der
Republikaner kokettierte monatelang mit dem Vize-Thema, vermied es zuletzt
jedoch geflissentlich, durch zu viel Getöse vom parteiinternen Chaos bei den
Demokraten wegen Bidens Alter abzulenken. Der nun etablierte Spannungsbogen
dürfte ganz nach Trumps Geschmack sein - es war schließlich eine Reality-Show,
die dem Unternehmer einst zu nationaler Berühmtheit verhalf. Entertainment
gehört zu seinem Verständnis von Politik. Medien berichten, dass sein Sohn Don
Jr. den oder die Vize erst am Mittwoch vorstellen soll. In der jüngeren
US-Geschichte wurde der Name meist kurz vor dem Nominierungsparteitag
bekanntgegeben.

Was steht noch an?

Bei der Zusammenkunft wollen die Republikaner ihr Parteiprogramm zu Themen
wie Abtreibung, Waffenrecht und Religion verabschieden. Auch das Drumherum wird
interessant: Es finden Diskussionsrunden, Gottesdienste und andere Events statt,
um die Parteibasis zu mobilisieren. Trumps Verbündete halten Reden. Lobbyisten
bietet das politische Großaufgebot eine willkommene Chance zur Einflussnahme. In
rechtskonservativen Kreisen verkehrende Celebrities sollen indes den
Promi-Faktor heben. Unklar ist momentan, inwieweit Trumps zuletzt eher
abgetauchte Ehefrau Melania eine aktive Rolle spielen wird.

Was ist dieses Mal anders?

Trump kann sich erstmals bei einem Nominierungsparteitag als klarer Anführer der Republikaner präsentieren. 2016 war er noch als Außenseiter angetreten, 2020
hinderte die Pandemie auch die Republikaner an einer großen, pompösen
Veranstaltung. Angesichts der Niederlage bei der Wahl 2020 gegen Biden, dem
darauffolgenden Kapitol-Sturm und der gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren
drohte Trump zwischenzeitlich der parteiinterne Machtverlust.

Doch es ist ihm gelungen, die Republikaner hinter sich zu vereinen. Enge
Familienmitglieder sowie loyale Anhänger hat Trump in Schlüsselpositionen der
Partei installiert. Mitverantwortlich für die Finanzierung und Koordination der
Zusammenkunft in Milwaukee ist etwa seine Schwiegertochter Lara Trump. Das
verleiht ihm Kontrolle über den Nominierungsparteitag - und die dort propagierte
Vision für Amerikas politische Zukunft./gei/DP/zb

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