24.05.2024 16:06:44 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP 3: Anschlag auf Besucher einer Synagoge geplant? Mann in Haft

(neu: Reaktionen der Gemeinde im 8. und des Antisemitismusbeauftragten im
10. Absatz)

STUTTGART (dpa-AFX) - Weil er einen tödlichen Anschlag auf Besucher einer
Synagoge geplant haben soll, ist ein 18-Jähriger aus Weinheim in
Baden-Württemberg verhaftet worden. Er soll sich mit einem weiteren jungen Mann,
der ebenfalls bereits in Haft sitzt, im Netz über einen Messerangriff auf
Besucher einer Synagoge in Heidelberg ausgetauscht haben, wie die
Staatsanwaltschaften Stuttgart und Karlsruhe und das Landeskriminalamt am
Freitag mitteilten.

"Als beabsichtigtes Ziel wurde die Tötung von ein oder mehreren Besuchern
beim Angriff auf die Synagoge mit einem anschließenden Märtyrer-Tod besprochen,
bei dem sich beide Personen von Einsatzkräften erschießen lassen wollten",
teilten die Behörden mit. Bei dem 18-Jährigen handelt es sich um einen
Deutsch-Türken. Der andere, 24 Jahre alte Mann ist laut Polizei deutscher
Staatsangehöriger.

Durch eine Hausdurchsuchung konnten die Pläne aufgedeckt werden. Die Polizei durchsuchte am 3. Mai die Wohnung des 24-Jährigen in Bad Friedrichshall im Kreis
Heilbronn - wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren
staatsgefährdenden Gewalttat. Der 24-Jährige nahm während der Durchsuchung
plötzlich mehrere Küchenmesser an sich und flüchtete aus einem Fenster ins
Freie. Dort stellten ihn die Beamten. Doch der Mann legte die Messer nicht ab,
sondern bewarf einen Beamten gezielt mit einem Messer und lief auf diesen zu,
wie es weiter hieß. Der Polizist schoss auf den 24-Jährigen und verletzte ihn.
Dem in Untersuchungshaft sitzenden Mann wird nun außerdem versuchter Totschlag
und ein besonders schwerer Fall des tätlichen Angriffs auf Einsatzkräfte
vorgeworfen.

Der 24-Jährige soll möglicherweise ins Ausland gereist sein, um einen
Terroranschlag vorzubereiten. In dem Verfahren liege "ein Sachverhalt im
Zusammenhang mit einer möglichen Ausreise des Beschuldigten aus dem Bundesgebiet
zugrunde", hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Weitere Details wollten die
Behörden nicht bekanntgeben. Ob es sich bei dem Terrorakt um einen Angriff auf
die Synagoge handelte, war zunächst unklar.

Bei der Auswertung der Beweismittel stießen die Ermittler dann den Angaben
nach auf einen Chatverlauf mit dem 18 Jahre alten Mann aus Weinheim. Die beiden
Männer sollen sich im April 2024 über einen möglichen Messerangriff auf die
Synagoge ausgetauscht haben. Einsatzkräfte des Landeskriminalamts und
Spezialkräfte durchsuchten daraufhin am 18. Mai die Wohnung des 18-Jährigen und
nahmen den jungen Mann unverletzt fest.

Hinweise auf eine unmittelbar bevorstehende Gefährdung von Besuchern der
Synagoge hätten sich nicht gegeben, so die Staatsanwaltschaft Karlsruhe. Man
habe früh genug eingegriffen, sagte ein Sprecher. Der Verdacht gegen den
18-Jährigen lautet nun auf Verabredung zum Mord.

"Ein Angriff auf jüdisches Leben in Deutschland ist immer auch ein Angriff
auf unsere Werte und damit ein Angriff auf uns alle", kommentierte der
baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) den Fall. Die Polizei
und das Landesamt für Verfassungsschutz hätten den Schutz jüdischen Lebens fest
im Blick. "Entscheidend ist: Die mörderische Tat gegen jüdisches Leben konnte
verhindert werden. So konnten wir frühzeitig einschreiten und eine mögliche Tat
verhindern."

Die jüdische Gemeinde Heidelberg reagierte schockiert und fassungslos auf
die Nachricht von den Festnahmen. Sie machten sich Sorgen um ihre
Gemeindemitglieder, sagten der Rabbiner Jona Pawelczyk-Kissin und das
Vorstandsmitglied Halyna Dohayman am Freitag. Sie befürchteten, "dass sie sich
jetzt einsperren und nicht mehr zu unseren Gottesdiensten kommen. Wir versuchen,
ihnen die Angst zu nehmen." Am Abend sei um 19.00 Uhr eine Menschenkette vor der
Synagoge geplant.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßte den Einsatz der Polizei.
Seit dem Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 hätten Bund und
Länder das System der Sicherheitsvorkehrungen an Synagogen und anderen jüdischen
Einrichtungen überdacht und merklich verbessert, sagte ein Sprecher des
Zentralrats. "Wir haben Vertrauen in die Sicherheitsbehörden und der Fall in
Heidelberg zeigt uns leider erneut, wie notwendig ein solcher Schutz ist."

Auch der Antisemitismusbeauftragte des Landes, Michael Blume, zeigte sich
erleichtert. "Angesichts der zahlreichen Drohungen im Netz wussten wir alle um
die Gefahr", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die enge Zusammenarbeit der
Polizei und der jüdischen Gemeinden zahle sich in erhöhter Sicherheit für alle
Bürgerinnen und Bürger aus.

Die Synagoge in Heidelberg wurde 1994 eingeweiht. Laut der Jüdischen
Kultusgemeinde Heidelberg besteht die Gemeinde aus 420 Mitgliedern. Ein
Mitarbeiter bestätigte auf Nachfrage, dass die Staatsanwaltschaft die Gemeinde
über den Vorfall informiert habe, wollte sich aber nicht inhaltlich
äußern./poi/DP/ngu

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