22.05.2024 08:11:30 - dpa-AFX: POLITIK: Desinformationskampagne schiebt Promis falsche Ukraine-Zitate unter

BERLIN (dpa-AFX) - Kleine Foto-Kacheln mit Prominenten und ihren Zitaten
sind beliebt in sozialen Medien. Der Fall einer aktuellen
Desinformationskampagne zeigt allerdings: Manchmal ist Skepsis angebracht. So
gibt es im Zusammenhang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine seit einiger Zeit
im Netz ein solches Sharepic mit dem Kopf von Til Schweiger und der
vermeintlichen Aussage, dass ukrainische Beamte Immobilien in Frankreich und
Italien kaufen würden - und man mehr über den Krieg nicht wissen müsse. Oder
eines mit einem Bild seines Schauspielerkollegen Jannis Niewöhner und der Zeile,
dass die USA nicht verletzt würden, wohl aber Europa. Dem Rammstein-Sänger Till
Lindemann wurde ein Spruch über angeblich "sinnlose Hilfe für die Ukraine" in
den Mund gelegt.

Echte Zitate sind das nicht. Sprecher von Lindemann und Niewöhner
bestätigten der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass die Prominenten nie solche
Aussagen getätigt hätten. Eine Sprecherin von Til Schweiger wollte sich nicht
zur Echtheit äußern. Die Zitate sind in anderen Medien oder im dpa-Archiv nicht
auffindbar. Auch ein Verweis auf eine Quelle fehlt auf den Sharepics.

Das Bundesinnenministerium rechnet die gefälschten Zitate der 2022
aufgedeckten russischen "Doppelgänger"-Kampagne zu. Dem Ministerium sei bekannt,
dass die Kampagne "weiterhin aktiv ist und bereits seit längerem nicht mehr nur
die ursprünglich namensgebende Taktik verwendet, Webseiten existierender
Qualitätsmedien und öffentlicher Institutionen zu imitieren", teilte ein
Sprecher der dpa mit.

Zur neuen Taktik gehörten auch die gefälschten Zitate, die "prominenten
Persönlichkeiten aus der Unterhaltungsbranche in den Mund gelegt" würden, so der
Sprecher. Diese Technik werde seit November 2023 von der "Doppelgänger"-Kampagne
verwendet. Das Ministerium beobachte die Entwicklungen und stehe dazu im
Austausch mit Plattformen und internationalen Partnern.

Auch eine Analyse der Zivilorganisation Reset.Tech, die sich mit digitalen
Bedrohungen der Demokratie beschäftigt, ordnete die Fake-Zitate der russischen
"Doppelgänger"-Kampagne zu, wie das US-Magazin "Wired" Ende vergangenen Jahres
berichtete. Reset.Tech teilte dpa mit, erkennbar werde das, weil die Netzwerke
nach ähnlichen Mustern vorgingen und ähnliche Namen verwendeten.

Die "Doppelgänger"-Kampagne, die auch unter dem Namen "RRN" (Recent Reliable News) bekannt ist, wurde 2022 aufgedeckt. In mehreren EU-Ländern verbreitete sie
gefälschte Webseiten, die vortäuschten, Webseiten nationaler Medien oder
Regierungswebseiten zu sein. Die EU identifizierte russische Akteure als
Verantwortliche für das Desinformationsnetzwerk. Ende Juli 2023 setzte sie fünf
mit dem russischen Staat verbundene Organisationen und sieben Menschen auf die
Sanktionsliste.

Die gefälschten Ukraine-Aussagen mit den Köpfen Prominenter wurden bis
mindestens April dieses Jahres offenbar gezielt in Umlauf gebracht. Sie finden
sich in der Anzeigenbibliothek von Facebook, wo bezahlte Beiträge dokumentiert
werden. Gegen Geld wurden die Sharepics gezielt Nutzern in Deutschland
ausgespielt. Vielfach wurden die Anzeigen bereits gelöscht, da sie gegen die
Werberegeln des Facebook-Konzerns Meta verstoßen haben sollen.
Trotzdem hat etwa die Anzeige mit dem fälschlich Til Schweiger zugeschriebenen
Zitat mehr als 190 000 Nutzer erreicht, wie aus der Anzeigenbibliothek
hervorgeht.

Verantwortlich für die Anzeigen waren Facebook-Seiten mit willkürlich
klingenden Namen wie "New Programming KTV". Meist sind die Seiten schon gar
nicht mehr aktiv. Wer tatsächlich dahintersteckt, ist unbekannt.

Der Facebook-Mutterkonzern Meta äußerte sich nicht im Detail zu den
Werbeanzeigen oder den Verantwortlichen des Desinformationsnetzwerks. Meta
verwies auf seine früheren Berichte zum Vorgehen gegen die
"Doppelgänger"-Kampagne. "Unsere Teams arbeiten weiterhin mit höchster Priorität
daran, Veränderungen in diesem Netzwerk zu beobachten", teilte eine
Meta-Sprecherin mit. In seinem Bericht zur Bedrohungslage im August 2023 nannte
Meta die Kampagne die "größte und aggressivste anhaltende Einflussnahme
russischer Herkunft", gegen die der Konzern seit 2017 vorgegangen sei.

Ob Meta die Verbreitung von irreführender Werbung und
Desinformationskampagnen ausreichend bekämpft, beschäftigt derzeit auch die EU.
Ende April hatte die Europäische Kommission wegen des Verdachts auf Verstöße
gegen EU-Recht ein Verfahren gegen den Facebook- und Instagram-Konzern eröffnet.
Es werde unter anderem geprüft, ob sich Meta im Umgang mit politischer Werbung
nicht an europäische Regeln gehalten habe, teilte die Kommission in Brüssel mit.

Auch wenn sich Foto-Kacheln mit lustigen oder kontroversen Aussagen mit ein
paar Klicks im Netz teilen lassen - Nutzer in sozialen Medien sollten darauf
achten, ob angegeben ist, wo die Aussagen fielen. "Zitate vermitteln zwar den
Eindruck von Authentizität. Auch hier aber gilt: Äußert sich die Person selbst
nicht auch auf anderen Kanälen in diesem Sinne, sind Zweifel angebracht",
empfiehlt etwa das Bündnis "Deutschland sicher im Netz"./vvö/DP/tih
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