14.06.2024 11:25:24 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP 2: Streit um AfD-Parteitag in Essen - Etappensieg für die Partei

(neu: Entscheidung des Verwaltungsgerichts pro Parteitag)

ESSEN (dpa-AFX) - Ende Juni will die AfD auf einem Bundesparteitag mit 600
Delegierten in der Essener Grugahalle einen neuen Vorstand wählen. Doch die
städtische Messetochter hat den Mietvertrag gekündigt. Dagegen hat die AfD vor
dem Landgericht und parallel vor dem Verwaltungsgericht geklagt - und im ersten
Schritt Recht bekommen: Die Stadt Essen müsse der AfD die Grugahalle zur
Verfügung stellen, entschied das Verwaltungsgericht. Es folgt aber noch ein
zweites Verfahren beim Landgericht, über das an diesem Montag in mündlicher
Verhandlung beraten wird.

Mit welcher Begründung hat die städtische Messegesellschaft den Mietvertrag
gekündigt?

Der Mietvertrag mit der AfD für die Grugahalle ist fast eineinhalb Jahre
alt. Aus Sicht der Stadt hat sich die Partei aber seit der
Vertragsunterzeichnung deutlich radikalisiert. Die Stadt verweist unter anderem
auf die Verurteilung des AfD-Landtagsfraktionschefs Björn Höcke in Thüringen zu
einer Geldstrafe wegen der Verwendung der verbotenen SA-Losung "Alles für
Deutschland". Um solche Äußerungen beim Parteitag zu verhindern, hat der
Stadtrat eine Selbstverpflichtung der AfD verlangt. Die Partei hat sich
geweigert. Daraufhin wurde der Vertrag gekündigt.

Worum ging es bei der Klage beim Verwaltungsgericht?

Hier haben die AfD als Partei und die Essener AfD-Ratsfraktion in zwei
umfangreichen Anträgen den Essener Ratsbeschluss und die daraus abgeleitete
Vertragskündigung angegriffen. Eine Vorab-Zusicherung, strafbare Parolen zu
verhindern, lasse sich in der Praxis bei mehreren Hundert Delegierten plus
Gästen nicht umsetzen, sagt etwa AfD-Vize Peter Boehringer. Außerdem sei die
Beratung über den Stadtratsbeschluss kurzfristig unter Missachtung der
Ladungsfristen auf die Tagesordnung des Stadtrates gesetzt worden. Der Beschluss
sei damit schon aus formalen Gründen nichtig.

Dem Antrag der AfD-Fraktion und der formalen Kritik folgte das Gericht
nicht. Es sieht aber für die Wahrscheinlichkeit von Rechtsverletzungen keine
ausreichende Grundlage. Deshalb müsse die Stadt beziehungsweise ihre
Messetochter die Halle freigeben - ein deutlicher Etappensieg für die Partei. Ob
die Stadt dagegen Beschwerde einlegt, war am Vormittag noch unklar. Zudem folgt
noch das Zivilverfahren beim Landgericht.

Wie argumentiert die AfD beim Landgericht?

Im Mittelpunkt der Diskussion beim Landgericht steht eine bestimmte Klausel
des Vertrages. Laut der ist eine Kündigung möglich, wenn "Tatsachen vorliegen,
die eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch (die)
Veranstaltung befürchten lassen". Doch trifft das hier zu? Die AfD will bei der
mündlichen Verhandlung beim Landgericht das Gegenteil beweisen. Die AfD hält die
Vertragskündigung für rechtswidrig und pocht auf die Einhaltung ihres
Mietvertrages. Außerdem hält sie die Formel für viel zu vage und unbestimmt, um
eine Kündigung zu rechtfertigen.

Wie groß sind die Chancen der AfD?

Schon vor der ersten Entscheidung vom Freitag sprach der sogenannte
Kontrahierungszwang für die Position der AfD: Wenn andere Parteien die Halle
nutzen durften - was etwa bei einem CDU-Bundesparteitag 2016 der Fall war - darf
ein kommunaler Eigentümer sie danach nicht ohne weiteres einer einzelnen Partei
verweigern.

Nach der Verwaltungsgerichtsentscheidung könnte sich die Position der AfD
auch für das Zivilverfahren noch verbessert haben - auch wenn beide Gerichte
unabhängig voneinander agieren. Denn das Gelsenkirchener Gericht geht ja gerade
davon aus, dass es für eine hohe Wahrscheinlichkeit der Äußerung strafbarer
Nazi-Parolen keine hinreichende Grundlage gibt.

Die AfD ist jedenfalls überzeugt, dass der Parteitag wie geplant
stattfindet. Falls sie vor einem der beiden Gerichte verlieren sollte, werde sie
in jedem Fall die nächsthöhere Instanz anrufen, hieß es schon vor Freitag aus
der Partei. Es gebe "keinen Plan B" für einen anderen Standort.

Wie bereiten sich AfD-Gegner auf das Parteitags-Wochenende vor?

Ungeachtet des juristischen Tauziehens organisiert ein breites Bündnis von
Stadt, Kirchen, Gewerkschaften, Unternehmen und Initiativen den Protest gegen
den AfD-Parteitag. Zehntausende Demonstranten werden erwartet. Es könnte die
größte Kundgebung werden, die Essen seit vielen Jahren erlebt hat. Die
Hauptveranstaltung ist auf einem Messeparkplatz direkt an der Grugahalle
geplant, wo die AfD ihren Parteitag abhalten will. Busse sollen Demonstranten
aus ganz Deutschland nach Essen bringen. An der Ruhr soll es Zeltmöglichkeiten
für bis zu 6000 auswärtige Demo-Teilnehmer geben. Auch Musik- und
Kleinkunstveranstaltungen sind im Rahmen der Anti-AfD-Proteste geplant.

Wo gibt es Konfliktpotenzial mit der Polizei?

Die Sicherheitskräfte sind während des gesamten Wochenendes im Großeinsatz.
In der linken Szene gibt es Aufrufe zum "zivilen Ungehorsam". Unter anderem
wollen Aktivisten mit Blockaden verhindern, dass die AfD-Delegierten überhaupt
zum Parteitag in die Grugahalle kommen können. Die Polizei teilte mit, sie sei
auch auf solche Formen des Protestes eingestellt. Die Einsatzkräfte müssten
gewährleisten, dass sowohl der Parteitag als auch die angemeldeten
Gegenveranstaltungen stattfinden könnten, betonte ein Polizeisprecher. Personell
ist das für die Polizei in NRW ein Kraftakt - zumal zeitgleich zum Parteitag
Achtelfinal-Partien der Fußball-EM in Dortmund, Gelsenkirchen und Köln
stattfinden./rs/DP/ngu

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