26.05.2024 17:21:36 - dpa-AFX: WDH/ROUNDUP: Macron will deutsch-französische Freundschaft stärken

(Im 6. Absatz, 1. Satz wurde korrigiert: "Im Juli vergangenen Jahres".)

BERLIN (dpa-AFX) - Mit dem ersten Staatsbesuch eines französischen
Präsidenten seit 24 Jahren will Emmanuel Macron neuen Schwung in die
deutsch-französischen Beziehungen bringen. Nach seiner Ankunft in Berlin
zusammen mit seiner Frau Brigitte betonte er am Sonntag, welche Bedeutung die
Zusammenarbeit beider Länder für Europa hat. "Europa kann sterben", bekräftigte
er wie schon vor einigen Wochen in seiner viel beachteten Rede an der Pariser
Sorbonne-Universität. "Die deutsch-französischen Beziehungen sind für Europa
unabdingbar und wichtig."

Macron widersprach auch dem Eindruck, dass der deutsch-französische Motor
Europas ins Stottern gekommen sei. "Das stimmt nicht. Wir schreiten voran",
sagte der Präsident laut offizieller Übersetzung.

Steinmeier will Besuch zu einem "wirklichen Fest" machen

Macron und sein Gastgeber, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier,
besuchten am Sonntag zunächst gemeinsam das Demokratiefest im Regierungsviertel
zur Feier von 75 Jahren Grundgesetz. "Wir wollen diesen Besuch zu einem
wirklichen Fest machen", sagte Steinmeier dort. "Wir wollen gemeinsam die
Demokratie feiern."

Am Montag will Macron eine Europa-Rede vor der Frauenkirche in Dresden
halten und am Dienstag wird er in Münster mit dem Internationalen Preis des
Westfälischen Friedens geehrt - bevor er auf Schloss Meseberg bei Berlin mit
Kanzler Olaf Scholz (SPD) und mehreren Mitgliedern beider Regierungen
zusammenkommt. Dabei soll es um die europäische Verteidigungs- und
Wettbewerbspolitik gehen.

Im ersten Anlauf hatte es nicht geklappt

Französische Präsidenten kommen zwar recht häufig zu politischen Gesprächen
nach Berlin. Den letzten formellen Staatsbesuch hatte aber Präsident Jacques
Chirac im Jahr 2000 absolviert. Ein Staatsbesuch dauert anders als ein
Arbeitsbesuch immer mehrere Tage und folgt einem festgelegten Protokoll, zu dem
beispielsweise ein Staatsbankett und der Besuch an mindestens einem Ort
außerhalb der Hauptstadt gehört. So wird Macron mit Sachsen diesmal erstmals als
Präsident eins der fünf ostdeutschen Bundesländer neben Berlin besuchen.

Im Juli vergangenen Jahres hatte Macron den Staatsbesuch wegen Unruhen in
Frankreich verschoben. Nun findet er in leicht verkürzter Form statt.

Aufruf zur Beteiligung an Europawahl

Der Besuch soll aus Sicht von Gastgeber Steinmeier die Einzigartigkeit der
deutsch-französischen Freundschaft herausstellen und feiern. Deshalb habe
Steinmeier Macron auch als einzigen ausländischen Gast zu den Feiern zum
75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes eingeladen, heißt es im
Bundespräsidialamt.

Außerdem wollen er und Macron den Besuch nutzen, um die Menschen in
Deutschland zu ermuntern, in zwei Wochen bei der Europawahl wählen zu gehen. Auf
dem Demokratiefest in Berlin rief Macron bereits dazu auf.

Dahinter steckt nicht zuletzt die Sorge, dass eine niedrige Wahlbeteiligung
erfahrungsgemäß rechten Parteien in die Hände spielt. Bei der Europawahl 2019
lag die Beteiligung in Deutschland bei 61,4 Prozent.

Differenzen in wichtigen Fragen

So gut die beiden Staatsoberhäupter miteinander können - auf Regierungsebene gelten die Beziehungen zwischen Berlin und Paris gerade als schwierig. Bei
Schlüsselthemen knirscht es immer wieder zwischen beiden Hauptstädten. Das gilt
für die Unterstützung für die Ukraine ebenso wie etwa für die
wirtschaftspolitische Ausrichtung gegenüber den Konkurrenten USA und China.
Diese Fragen sollen nach dem Staatsbesuch bei einem deutsch-französischen
Ministerrat am Dienstagnachmittag in Schloss Meseberg, dem Gästehaus der
Bundesregierung, nördlich von Berlin erörtert werden.

So predigt Macron eine größere europäische Autonomie mit eigener
Verteidigungsstrategie und einem Schutz der Wirtschaft vor unlauterer Konkurrenz
aus China und den USA. Kanzler Scholz hingegen hält an seiner transatlantischen
Orientierung und dem wichtigen Handelspartner China fest. Und im
Ukraine-Konflikt überraschte Macron Scholz mit seinen Überlegungen zum Entsenden
von Bodentruppen, was Scholz kategorisch ablehnt.

Auch eine Lieferung von weitreichenden Taurus-Marschflugkörpern an das von
Russland angegriffene Land lehnt Scholz ab. Frankreich hingegen stellt seine
Scalp-Raketen schon seit längerer Zeit bereit. Berlin wirft Paris im Gegenzug
vor, als zweitgrößte Volkswirtschaft der EU insgesamt viel zu wenig für die
Ukraine zu tun.

Europa-Reden ohne Antworten aus Berlin

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kritisiert, dass die Beziehungen zwischen beiden Ländern so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr seien. Er verlangte
unmittelbar vor dem Besuch Macrons ein klares europapolitisches Signal der
Bundesregierung. Merz kritisierte, dass Macron aus Berlin zu seinen beiden
großen Europa-Reden an der Sorbonne keine Antwort aus Deutschland bekommen habe.
"Das ist in Paris zu Recht, und zwar parteiübergreifend, auf große Irritation
gestoßen", sagte Merz dem Sender rbb24 Inforadio. Die erste Rede fiel noch in
die Regierungszeit von Angela Merkel (CDU).

In seiner zweiten Rede im vergangenen April warnte Macron, es gebe ein
großes Risiko, dass Europa im nächsten Jahrzehnt "geschwächt oder sogar
deklassiert" werde. Er forderte eine europäische Verteidigungsstrategie mit
einer gemeinsamen Rüstungsindustrie und eine über Fonds der EU finanzierte
beschleunigte Aufrüstung, um der Bedrohung Russlands gewachsen zu sein. Scholz
kommentierte die Rede auf der Plattform X mit den Worten, gemeinsames Ziel
Frankreichs und Deutschlands sei es, "dass Europa stark bleibt". Er fügte an
Macron gewandt hinzu: "Deine Rede enthält gute Impulse, wie uns das gelingen
kann."/mfi/sk/DP/he

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