30.06.2024 14:21:43 - dpa-AFX: EM 2024/Italien nach EM-Demütigung unter Schock: 'Was für eine Blamage'

BERLIN (dpa-AFX) - Gedemütigt, tief enttäuscht und mit leerem Blick
schlichen Italiens Kapitän Gianluigi Donnarumma und seine Teamkollegen zu den
Fans. Sie baten ihre Anhänger um Entschuldigung für die katastrophale Leistung
im EM-Achtelfinale. Doch statt Trost und Zuspruch erhielten sie nach dem 0:2
gegen die Schweiz nur Pfiffe und Beleidigungen.

Drei Jahre nach dem umjubelten EM-Triumph von Wembley ist Italiens Fußball
wieder am Tiefpunkt angelangt. "Es tut extrem weh. Wir müssen uns bei allen
entschuldigen", sagte ein sichtlich mitgenommener Donnarumma, der sich als einer
der wenigen in Berlin den drängenden Fragen stellte. In den Schock und die
Fassungslosigkeit mischten sich noch in der Nacht erste sorgenvolle Gedanken an
die Zukunft.

Spalletti will "keine Entschuldigungen finden"

Trainer Luciano Spalletti, der beim mutlosen Auftritt seines Teams einmal
mehr rat- und hilflos wirkte, kündigte ein Gespräch mit Verbandsboss Gabriele
Gravina an. "Wir sind im Moment nicht in der Lage, mehr als das zu zeigen",
räumte der 65-Jährige ein. Gedanken an einen Rücktritt ließ er nach nur zehn
Monaten im Amt dennoch nicht anklingen. Es brauche in Zukunft "andere
Entscheidungen" sagte er. "Es muss sich mit Sicherheit etwas ändern." Er sehe
das früheste EM-Aus seit 2004 allerdings nicht als "so skandalöses Ergebnis".

"Ich will keine Entschuldigungen finden", sagte Spalletti und verwies doch
darauf, dass er nach dem viel kritisierten Abgang von Europameister-Coach
Roberto Mancini nur wenig Zeit zur Vorbereitung mit der Mannschaft gehabt habe.
"Wir hatten einige verletzte Spieler, auf die ich gezählt hatte." Auch
Donnarumma versicherte, der Trainer werde "die richtigen Lösungen" finden. Doch
das Urteil der italienischen Öffentlichkeit über Spalletti fiel weitaus weniger
nachsichtig aus. "Was für Fehler, Luciano", titelte die "Gazzetta dello Sport".
"Er hat viele falsche Entscheidungen getroffen und die Vorbereitung verpatzt."

Nur Donnarumma auf Weltklasse-Niveau

Auch Verbandspräsident Gravina steht in der Kritik und dürfte hinterfragt
werden, einige Fußball-Größen wie Ex-Manager Luciano Moggi forderten bereits
seinen Rücktritt. Es scheint so, als sei die wundersame Reise zum EM-Titel 2021
ein Ausrutscher gewesen und die verpassten Weltmeisterschaften 2018 und 2022 die
harte italienische Fußball-Realität. "Tuttosport" nannte es ein "nationales
Scheitern", der "Corriere dello Sport" "eine Schande". Die "Gazzetta dello
Sport" schrieb: "Was für eine Blamage!"

Donnarumma, der beim Turnier in Deutschland als einziger Italiener konstant
Weltklasse-Niveau bot, blickte noch in der Nacht der Trauer und Enttäuschung
nach vorn. "Wir müssen schnell Lösungen finden, wir haben nicht viel Zeit",
sagte der 25-Jährige und verwies auf die Spiele in der Nations League gegen
Frankreich und Israel im September. Der Torhüter von Paris Saint-Germain
urteilte: "Die Qualität ist da, daran müssen wir anknüpfen."

Nur wenig macht Hoffnung

Doch nach den Auftritten der Squadra Azzurra in Deutschland gibt es genau
daran massive Zweifel. Nur wenig macht der stolzen Fußball-Nation derzeit
Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Neben Donnarumma überzeugte nur der 22 Jahre
alte Abwehrspieler Riccardo Calafiori, der gegen die Schweiz gesperrt fehlte.
Probleme hat der viermalige Weltmeister vor allem im Sturm, wo sowohl Gianluca
Scamacca als auch Mateo Retegui komplett enttäuschten. Rechtsverteidiger
Giovanni Di Lorenzo spielte ein katastrophales Turnier, im Mittelfeldzentrum
erwies sich Jorginho als zu langsam und zu behäbig.

Doch auch als Spalletti vor dem Achtelfinale reagierte und für Jorginho den
23 Jahre alte Nicolò Fagioli aufbot, wurde es für Italien eher schlechter als
besser. "Er und Calafiori haben gespielt, weil sie Qualität haben. Klar machen
sie Fehler", verteidigte Spalletti seine Entscheidungen. "Wenn die Jungen das
Potenzial zeigen, um die anderen auszustechen, bin ich der Erste, der ihnen den
Raum dafür gibt." Genau darauf wird Italiens Fußball in Zukunft hoffen müssen:
Junge und hungrige Spieler, die das Team zurück in die Weltspitze
bringen./mms/DP/nas

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