17.06.2024 11:16:08 - dpa-AFX: ROUNDUP: EU-Staaten beschließen umstrittenes Naturschutzgesetz

LUXEMBURG (dpa-AFX) - Die EU-Staaten haben den Weg für ein stark
umstrittenes Naturschutzgesetz freigemacht. Demnach sollen künftig in der
Europäischen Union mehr Bäume gepflanzt sowie Moore und Flüsse in ihren
natürlichen Zustand zurückversetzt werden. Eine ausreichende Mehrheit von
EU-Staaten stimmte dem vor allem von Landwirten und Konservativen kritisierten
Vorhaben am Montag in Luxemburg zu, wie die derzeitige belgische
EU-Ratspräsidentschaft mitteilte.

Über das Vorhaben wurde lange und intensiv gestritten. Die EU-Kommission
hatte das sogenannte Renaturierungsgesetz vor fast genau zwei Jahren
vorgeschlagen. Nach offiziellen Angaben sind rund 80 Prozent der Lebensräume in
der Europäischen Union in einem schlechten Zustand. Zudem sind demnach 10
Prozent der Bienen- und Schmetterlingsarten vom Aussterben bedroht und 70
Prozent der Böden in einer schlechten Verfassung.

Während Umweltschützer, zahlreiche Wissenschaftler und Unternehmen das
Gesetz befürworteten, gab es großen Widerstand vor allem von Christdemokraten
und Bauernverbänden. Die Kritiker befürchten zu große Einschnitte für Landwirte
und damit Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion in der EU. Um auf diese
Bedenken einzugehen, war das Gesetz im Verhandlungsprozess deutlich abgeschwächt
worden.

Eigentlich hatten sich die EU-Länder und das EU-Parlament schon im November
auf einen Kompromiss verständigt. Diesem zufolge sollen Landwirte künftig etwa
nicht verpflichtet sein, einen bestimmten Prozentsatz ihres Landes für
umweltfreundliche Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, was Bauern befürchtet
hatten. Die Annahme durch beide Co-Gesetzgeber, die EU-Staaten und das
Parlament, ist in der Regel Formsache. Das EU-Parlament hatte in Straßburg dem
Gesetz auch final zugestimmt. Allerdings ist eine Reihe von Ländern bislang
gegen das Vorhaben.

Die Mehrheit nun kam durch einen Kurswechsel Österreichs zustande. Die
Klimaschutz- und Umweltministerin der Alpenrepublik, Leonore Gewessler (Grüne),
stimmte dem Gesetz zu und stellte sich damit gegen ihren konservativen
Koalitionspartner, die Kanzlerpartei ÖVP. Österreichs Kanzler Karl Nehammer ist
der Meinung, das Vorgehen seiner Ministerin sei rechtswidrig. Bei Zustimmung
gebe es eine Nichtigkeitsklage beim EuGH, hatte er im Vorfeld angekündigt.
Gewessler hatte am Sonntag mitgeteilt, ihre Zustimmung sei juristisch
abgesichert.

Mit der Zustimmung der EU-Staaten ist das Gesetz eigentlich beschlossen.
Sollten sich mit Blick auf das Vorgehen Österreichs keine juristischen
Fallstricke mehr entwickeln, müsste der Rechtstext nur noch in die offiziellen
EU-Amtssprachen übersetzt und im Amtsblatt veröffentlicht werden, damit die
Vorgaben in Kraft treten können.

In einer ersten Reaktion sprach die Verhandlungsführerin der Grünen-Fraktion im Europaparlament, die deutsche Abgeordnete Jutta Paulus, von einem Erfolg im
Kampf gegen das Artensterben und die Folgen der Klimakrise. Ohne Artenvielfalt
gebe es keine fruchtbaren Böden, keine saubere Luft und kein trinkbares Wasser,
so Paulus./mjm/DP/jha

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