26.05.2024 16:38:26 - dpa-AFX: VERMISCHTES/ROUNDUP: Hunderte Tote nach Erdrutsch in Papua-Neuguinea befürchtet

PORT MORESBY (dpa-AFX) - Nach dem Erdrutsch in einem abgelegenen
Hochlandgebiet in Papua-Neuguinea scheint das Ausmaß der Katastrophe noch
gewaltiger als anfangs befürchtet. Wie viele Menschen tatsächlich starben, ist
in der kaum zugänglichen Enga Provinz des Pazifik-Staats weiter völlig ungewiss.

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) ging am Sonntag von
mindestens 670 Toten aus, wie die Abteilung der Vereinten Nationen der Deutschen
Presse-Agentur auf Anfrage bestätigte. Örtliche Vorsteher und andere
Behördenvertreter hätten geschätzt, dass 150 oder mehr Häuser begraben wurden,
als am frühen Freitag gegen 3 Uhr die Erde abging, erklärte der IOM-Missionschef
für Papua-Neuguinea, Serhan Aktoprak. Auf Basis dieser Schätzung müsse
angenommen werden, dass mindestens 670 Bewohner ihr Leben verloren. Die Häuser
seien sechs bis acht Meter tief unter dem Geröll begraben worden.

Die UN konnte am Sonntag lediglich fünf Tote bestätigen, deren Leichen
bislang geborgen werden konnten. Es gebe zudem Verletzte, darunter mindestens 20
Frauen und Kinder.

Die Zahl der Todesopfer könnte Hilfsorganisationen zufolge steigen, da
unklar war, wie viele Menschen tatsächlich im betroffenen Gebiet lebten. Nach
offiziellen Zählungen sollten in dem Gebiet knapp 4000 Menschen wohnen.
Allerdings dürften sich Hilfsorganisationen zufolge mehr Menschen dort
aufgehalten haben.

Ein Dorf ist komplett verschüttet

Das Dorf Yambali sei in Zufluchtsort für Bewohner umliegender Ortschaften,
die von anhaltenden Konflikten vertrieben wurden, berichtete die vor Ort
engagierte australische Hilfsorganisation Care. Auch Care konnte keine genaueren
Opferzahlen benennen. "Das könnte auch für einige Zeit noch so bleiben",
erklärte eine Sprecherin. Der nachtschlafende Zeitpunkt des Unglücks lasse
annehmen, dass viele Bewohner auch tatsächlich zuhause gewesen seien.

Örtlichen Medien zufolge verschwand das Dorf Yambali komplett unter den
Erdmassen. Neben Häusern sollen sich nach Angaben des australischen Senders ABC
auch zwei Gesundheitszentren an der Unglücksstelle befunden haben.

Die Unzugänglichkeit der Region und die Massen an abgerutschter Erde ließen
die Hoffnung, doch noch lebendige Menschen zu finden, schnell schwinden. Die
zentrale Provinz Enga ist geprägt durch tropische Wälder und eine gewaltige
Bergkette mit zerklüfteten Tälern, teils nicht mit Straßen erschlossen und nur
auf dem Luftweg erreichbar.

Die mehrheitlich in Stämmen organisierte Bevölkerung lebt dort oft sehr für
sich, der nächste größere Ortschaft ist weit weg - ganz zu schweigen von der
rund 600 Kilometer entfernten Hauptstadt Port Moresby.

Lage äußerst gefährlich - Erdmassen weiter in Bewegung

Selbst die Provinzhauptstadt Wabag liegt UN-Angaben zufolge rund zwei
Stunden entfernt und ist nur über eine weitgehend unbefestigte Straße
erreichbar, die durch kürzliche Erdrutsche in Mitleidenschaft gezogen wurde. Der
Straßen-Zugang zum westlich gelegenen Distrikt Porgera sei nach dem jüngsten
Erdrutsch momentan noch komplett blockiert. So dauerte es, bis die verzweifelt
erwartete Hilfe von außen allmählich zu dem Unglücksort durchdrang.

Vor Ort versuchten die Menschen, mit einfachen Werkzeugen und Waffen
Verschüttete freizulegen. Es fehlte es weitgehend an schwerem Gerät. Ein
örtlicher Geschäftsmann habe seinen Bagger in die Gegend gebracht und zur
Verfügung gestellt, erklärte Aktoprak. Allerdings gebe es vor Ort kulturelle
Empfindlichkeiten, die dieser Art von Bergungshilfe im Weg stehen könnten.

Zudem blieb die Lage weiter äußerst gefährlich und instabil. Die Erde
rutsche weiter und drücke damit auf die umliegenden Häuser, weshalb rund 1250
Anwohner, die die Katastrophe überlebt hatten, evakuiert wurden, so Aktoprak.
Auch seine Kollegen hätten sich bei ihrem Eintreffen erst einmal selbst in
Sicherheit bringen müssen. "Gesteinsbrocken fallen weiter nonstop herab und die
Erde bewegt sich weiter", beschrieb der IOM-Missionschef dem australischen
Sender ABC.

Laut der Hilfsorganisation Care bemühte sich das Militär darum, die
Überlebenden in Versorgungszentren unterzubringen - was sich angesichts des
instabilen Untergrundes als schwierig erweise. Nach UN-Angaben war mittlerweile
ein Noteinsatz-Team bestehend aus Kräften von Behörden der Provinz und des
Staates, Armee, Polizei sowie UN-Mitarbeitern vor Ort. Auch die Regierungen von
Frankreich, Australien und die USA erklärten, ihre Länder stünden zur Hilfe
bereit.

Immer wieder schwere Regenfälle und Erdbeben auf Insel Neuguinea

Es sind rohe Naturgewalten, die auf die tropische Insel Neuguinea nördlich
von Australien wirken und sich zusammen schnell zur Katastrophe potenzieren:
Wegen der Nähe zum Äquator sind schwere Regenfälle keine Seltenheit. Dazu kommt
die Lage auf dem sogenannten Pazifischen Feuerring, einer der seismisch
aktivsten Gegenden der Erde. Erst vor wenigen Tagen erschütterte ein Beben der
Stärke 4,5 die Provinz Enga. Was genau den Erdrutsch auslöste, war aber am
Wochenende noch unklar.

Zusätzlich zur komplexen Lage erschwerte laut UN-Mann Aktoprak ein Disput
den Rettungseinsatz, der auf halber Strecke ins Katastrophengebiet im Dorf
Tambitanis zwischen zwei Clans eskaliert sei. Bislang seien dabei acht Menschen
getötet und 35 Wohn- und Geschäftshäuser niedergebrannt worden./juw/DP/he

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