27.06.2024 23:33:59 - dpa-AFX: ROUNDUP: Von der Leyen für zweite Amtszeit als EU-Kommissionschefin nominiert

BRÜSSEL (dpa-AFX) - Der Europäische Rat hat die CDU-Politikerin Ursula von
der Leyen für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission nominiert.
Das Gremium der Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten beschloss zudem,
dass der frühere portugiesische Regierungschef António Costa nächster Präsident
des Europäischen Rates wird und die estnische Regierungschefin Kaja Kallas zur
neuen EU-Außenbeauftragten ernannt werden soll. Das teilten mehrere Delegationen
am Donnerstag in Brüssel am Rande eines EU-Gipfels mit.

Dank einer Einigung der großen europäischen Parteienfamilien Mitte der Woche war es schon vor Gipfelbeginn so gut wie sicher gewesen, dass die Spitzenposten
an von der Leyen, den Sozialdemokraten Costa und die Liberale Kallas vergeben
werden.

Die Präsidentschaft der EU-Kommission gilt als die mit Abstand wichtigste
Position, die nach der Europawahl neu zu besetzen ist. Dem Amtsinhaber
beziehungsweise der Amtsinhaberin sind rund 32 000 Mitarbeiter unterstellt, die
unter anderem Vorschläge für neue EU-Gesetze machen und die Wahrung der
Europäischen Verträge überwachen. Zudem sitzt die Kommissionspräsidentin bei
fast allen großen internationalen Gipfeltreffen wie G7 oder G20 als
EU-Repräsentantin mit am Tisch.

Europawahl-Ergebnis war Verhandlungsbasis

Grundlage des Personalpakets ist das Ergebnis der Europawahl vor knapp drei
Wochen. Bei ihr erzielte das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit der CDU-Politikerin
Ursula von der Leyen als Spitzenkandidatin das mit Abstand beste Ergebnis. Sie
will nun im Parlament mit der zweitplatzierten Parteienfamilie der
Sozialdemokraten (S&D) und den Liberalen (Renew) eine informelle Koalition
bilden.

Für die EVP - zu der auch CDU und CSU gehören - verhandelten federführend
der polnische Ministerpräsident Donald Tusk und der griechische Regierungschef
Kyriakos Mitsotakis, für die Sozialdemokraten Bundeskanzler Olaf Scholz und der
spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez. Die Liberalen setzten auf Frankreichs
Präsidenten Emmanuel Macron und den scheidenden niederländischen
Ministerpräsidenten Mark Rutte als Verhandlungsführer.

Italiens Regierungschefin erbost über Prozess

Erbost über den Prozess zeigte sich unter anderem die italienische
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Sie kritisierte, dass sie trotz des guten
Ergebnisses ihrer Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) bei der Europawahl
nicht direkt an den Gesprächen über das Personalpaket beteiligt wurde. Auch
Ungarns Regierungschef Viktor Orban wetterte gegen das Verfahren.

Die Zustimmung der beiden wurde aber auch nicht benötigt, da keine
Einstimmigkeit erforderlich war. Es mussten lediglich mindestens 20 EU-Staaten
zustimmen, die gleichzeitig mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten.

Beim Gipfel am Donnerstag versuchten mehrere Regierungschefs, die Wogen zu
glätten und erklären, dass es nicht darum gegangen sei, jemanden auszugrenzen.
Der polnische Regierungschef Donald Tusk sagte etwa: "Es gibt kein Europa ohne
Italien, und es gibt keine Entscheidung ohne Ministerpräsidentin Meloni. Das ist
für mich ganz klar."

Von der Leyen braucht noch Mehrheit im Parlament

Damit Ursula von der Leyen eine zweite Amtszeit antreten kann, muss sie nun
noch eine Mehrheit des Parlaments hinter sich bringen. Das informelle Bündnis
aus EVP, Sozialdemokraten und Liberalen hat theoretisch eine komfortable
Mehrheit von etwa 400 der 720 Stimmen. Es wird aber für möglich gehalten, dass
eine gewisse Zahl von Abgeordneten in der geheimen Wahl von der Fraktionslinie
abweicht und der Deutschen nicht ihre Stimme gibt.

Deswegen bemüht sich von der Leyen derzeit auch noch um Stimmen von
Abgeordneten anderer Parteien, insbesondere um die der Grünen. Vertreterinnen
und Vertreter der Partei hatten jüngst immer wieder Gesprächsbereitschaft
signalisiert.

Die Abstimmung im Parlament in Straßburg könnte nach Angaben von
Parlamentspräsidentin Roberta Metsola bereits in der dritten Juli-Woche
organisiert werden./aha/DP/he

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