28.06.2024 16:04:35 - dpa-AFX: HINTERGRUND/Hochwasser und Hitzepläne: Gesetz zur Klimaanpassung greift ab 1.

BERLIN (dpa-AFX) - Der Klimawandel ist Realität - und seine Folgen spüren
mittlerweile auch viele Menschen in Deutschland. Extremwetter werden häufiger,
die sogenannten Jahrhunderthochwasser treten längst nicht mehr nur einmal im
Jahrhundert auf.

Das bedeutet auch: Wer sich nicht an die Auswirkungen anpasst und seine
Umgebung entsprechend neu gestaltet, hat verloren. Deutschland hat hier noch
einen langen Weg vor sich - der jetzt mit dem neuen Gesetz zur Klimaanpassung
deutlich verkürzt werden soll. An diesem Montag tritt es in Kraft.

Pflicht statt Freiwilligkeit

Es verpflichtet Bund und Länder, Strategien vorzulegen, die eine
flächendeckende Klima-Vorsorge ermöglichen. Ganz konkret setzt das Gesetz einen
Rahmen fest, um etwa Notfallmaßnahmen in Starkregen-Hotspots zu ergreifen oder
den Hitzeschutz für besonders gefährdete Gruppen wie alte Menschen und Säuglinge
zu verbessern.

Bislang war das Erstellen entsprechender Konzepte in den Kommunen
freiwillig. Das neue Gesetz macht diese Aufgabe für alle verbindlich. Damit
verpflichte sich auch die Bundesregierung, "eine vorsorgende
Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen vorzulegen, regelmäßig zu
aktualisieren und fortlaufend umzusetzen", erklärte Bundesumweltministerin
Steffi Lemke (Grüne). Die genannte Strategie werde bis Ende des Jahres stehen.

Für die Ministerin ist klar: Die Vorsorge muss jetzt mit Hochdruck
vorankommen, um künftige Schäden durch Wetterextreme zu minimieren. Das bedeute
auch mehr finanzielle Beteiligung des Bundes, wie Lemke immer wieder betont. Ihr
Ministerium schätzt den Finanzbedarf für die Umsetzung von
Klimaanpassungsmaßnahmen bis 2030 auf 38 Milliarden Euro. Wo genau so viel Geld
herkommen soll, ist noch unklar. Auch das neue Gesetz lässt diese Frage
unbeantwortet.

Klimaanpassungsmanager packen es vor Ort an

Für die Anpassung sind in erster Linie die Länder zuständig. In etlichen
Gemeinden haben in den vergangenen Jahren sogenannte Klimaanpassungsmanager die
Arbeit aufgenommen. Sie erarbeiten die Anpassungskonzepte vor Ort und beraten
ihre jeweilige Kommune etwa dazu, wie bei Starkregen zu verfahren ist und wo
mehr Grünflächen angelegt werden können.

Bisher hat das Bundesumweltministerium nach eigenen Angaben 125 Stellen für
Anpassungsmanager gefördert. Wie viele bereits ihren Job angetreten haben, ist
allerdings unklar. Zur konkreten Stellenbesetzung gebe es keine Meldepflicht,
heißt es.

Einer, der seit August 2023 im Amt ist, ist Jan-Hendrik Jochens aus
Saarbrücken. Er ist der bislang einzige Klimaanpassungsmanager im Saarland, das
kürzlich von heftigen Fluten heimgesucht worden war. Wenn er an das neue Gesetz
denkt, hat er Hoffnung, dass es künftig schneller vorangeht mit der Anpassung an
die Auswirkungen der Klimakrise.

Das Konzept für die Stadt Saarbrücken soll im kommenden Sommer fertig sein.
Doch wie viele solcher Konzepte bereits stehen und umgesetzt werden, ist ebenso
wie die genaue Zahl der Anpassungsmanager noch nicht bekannt. Das
Umweltbundesamt führt derzeit eine Erhebung dazu durch und wird die Ergebnisse
erst im September vorstellen. Bis zum 30. September müssen auch die Bundesländer
dem Ministerium von Lemke erstmals mitteilen, wie viele Konzepte bereits
erstellt worden sind. Diese Bestandsaufnahme, die alle zwei Jahre wiederholt
werden soll, sieht das neue Gesetz ausdrücklich vor.

Für Klimaaktivisten wie Clara Reemtsma von Fridays for Future ist das alles
zu wenig. "Es ist eine Illusion zu denken, der unzureichende Klimaschutz der
Regierung könnte durch mehr Anpassung ausgeglichen werden", sagte sie der dpa.
Wenn die Bundesregierung nicht noch mehr tue, um die Erderwärmung zu stoppen,
nehme sie "die Eskalation der Klimakrise bewusst in Kauf". Während das
Klima-Anpassungsgesetz verabschiedet werde, verfehle die Bundesregierung weiter
ihre Klimaziele und versage dadurch "auf dem wichtigsten Gebiet des
Katastrophenschutzes".

Streit über Versicherungspflicht gegen Elementarschäden

Dass auf vielen Ebenen noch Lücken klaffen, beklagen nicht nur Aktivisten.
Experten fordern beispielsweise schon lange eine Ausweitung des
Versicherungsschutzes in der Bevölkerung. Zu einer Pflichtversicherung, die alle
Hausbesitzer bei hochwasserbedingten Schäden vor dem Ruin bewahren könnte,
konnte sich die Politik bislang nicht durchringen.

Hierzulande sind lediglich etwa 50 Prozent der privaten Gebäude gegen
Elementarschäden abgesichert - also gegen Schäden, die unter anderem durch
Überschwemmungen entstehen. Die Bundesländer plädieren ganz klar für eine
Versicherungspflicht und verweisen auf die hohen Summen, die etwa nach dem
Juli-Hochwasser im Jahr 2021 vom Staat geschultert werden mussten. Der
Gesamtverband der Versicherer beziffert diese Kosten auf knapp neun Milliarden
Euro.

Und dennoch: Der Bund sieht eine Pflichtversicherung kritisch.
FDP-Justizminister Marco Buschmann verweist unter anderem auf Mehrkosten für die
Allgemeinheit und zu viel Bürokratie.

Klar ist aber auch: Die nächste Flut wird kommen. Und der Streit darüber,
wer die Kosten trägt, definitiv auch./faa/DP/mis

--- Von Fatima Abbas, dpa ---

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