26.06.2024 16:11:53 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Scholz will keinen 'Wettbewerb mit Populisten'

BERLIN (dpa-AFX) - Bundeskanzler Olaf Scholz hat das Erstarken rechter
Parteien bei der Europawahl als "Einschnitt" bezeichnet und Konsequenzen
gefordert. "Es hat eine klare Auswirkung, dass so viele Krisen gleichzeitig
Vertrauen und Sicherheitsgefühl in Frage gestellt haben", sagte Scholz am
Mittwoch in seiner Regierungserklärung im Bundestag. "Das gilt für Europa und
das gilt auch für Deutschland, und dem müssen wir uns stellen."

Man dürfe aber nicht in einen "Wettbewerb mit den Populisten und
Extremisten" eintreten, die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger missbrauchten,
betonte der SPD-Politiker. Stattdessen müsse man konkrete, praktische Antworten
in der Sache geben. Nötig seien die Stärkung der inneren und äußeren Sicherheit,
der Ausbau der Infrastruktur sowie die Modernisierung der Wirtschaft und
Energieversorgung. "Es geht darum, dass wir da erfolgreich sind, denn das ist
die Basis der notwendigen Zuversicht."

Bei der Europawahl hatten rechte Parteien in zahlreichen Ländern deutliche
Gewinne eingefahren, darunter auch die AfD in Deutschland. Alle drei
Ampel-Parteien erlitten dagegen teils drastische Verluste. Die SPD von Kanzler
Scholz war mit 13,9 Prozent auf ihr schlechtestes Ergebnis bei einer nationalen
Wahl seit fast 140 Jahren abgerutscht. Scholz hatte am Tag danach zwar gesagt,
man dürfe nicht zur Tagesordnung übergehen. Konkrete Konsequenzen gab es bisher
aber nicht. Am 1. September stehen in Thüringen und Sachsen die nächsten Wahlen
an. Den Umfragen zufolge droht der Ampel dabei eine noch weitaus schlimmere
Schlappe als bei der Europawahl.

Merz wirft Scholz Unwillen zur Selbstkritik vor

Oppositionsführer Friedrich Merz warf Scholz mit Blick auf das Wahlergebnis
vor, "immer noch unfähig und unwillens zur Selbstkritik und zur Korrektur"
seiner Politik zu sein. Er mache Krisen verantwortlich für das Erstarken von
Links- und Rechtsradikalismus. Das sei aber die falsche Antwort: "Sie sind dafür
verantwortlich, dass die Probleme in unserem Lande nicht gelöst werden", hielt
der CDU/CSU-Fraktionschef dem Kanzler vor.

Von keinem Land in Europa gehe derzeit so viel Unsicherheit und so viel
Unklarheit aus wie von Deutschland - dem Land, das eigentlich der europäische
Stabilitätsanker sein müsste, sagte Merz. Die Koalition werde nur noch zum
Machterhalt zusammengehalten, sie habe keine Idee, keinen Plan, kein Konzept
mehr für Deutschland.

Scholz will Etat mit "Wachstumsturbo" flankieren

Die Bewährungsprobe für die Ampel nach der Wahlschlappe ist nun erst einmal
der Haushalt 2025, den Scholz noch vor der Sommerpause aufstellen will. Es gebe
sehr kollegiale, sachorientierte und vertrauliche Gespräche über den Etat und
einen "Wachstumsturbo" für die Wirtschaft, sagte der SPD-Politiker im Bundestag.
"Wir werden den Haushaltsentwurf im Juli vorlegen", versprach er.

Ursprünglich hatten sich Scholz, Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und
Finanzminister Christian Lindner (FDP) einen Kabinettsbeschluss am 3. Juli
vorgenommen. Dieses Datum ist allerdings bereits jetzt nicht mehr zu halten,
weil eine politische Einigung noch in einen beschlussreifen Entwurf übersetzt
werden muss. Inzwischen wird der 17. Juli für den Beschluss im Kabinett
angepeilt. Die Verhandler müssen Wege finden, eine Lücke im zweistelligen
Milliardenbereich zu stopfen.

"Mehr Sicherheit, mehr Zusammenhalt, mehr Wachstum"

Scholz erklärte: "Mehr Sicherheit, mehr Zusammenhalt, mehr Wachstum, das
sind die Prioritäten für unser Land." Zugleich betonte er: "Es darf keine
Einschnitte geben bei der sozialen Gerechtigkeit, bei Gesundheit, Pflege oder
Rente."

Um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, solle es unter anderem bessere
Bedingungen für Menschen geben, die auch im Rentenalter weiterarbeiten wollten.
Außerdem deutete er Vereinfachungen im Steuerrecht, Bürokratieabbau und
verbesserte Abschreibungsregeln an. Gegen den Missbrauch von staatlichen
Leistungen müsse man strikt vorgehen. "Das kann nicht akzeptiert werden, dass
einige zum Beispiel Bürgergeld kriegen und gleichzeitig schwarz arbeiten", sagte
Scholz. "Wir werden den gesetzlichen Rahmen schaffen, dass das nicht weiter
passiert."/mfi/DP/jha

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