26.05.2024 15:35:04 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Grünen-Politikerin am Wahlkampfstand attackiert

GÖTTINGEN/HANNOVER (dpa-AFX) - Die Serie von Angriffen auf Politikern setzt
sich fort - dieses Mal trifft es eine Landtagsabgeordnete in Niedersachsen. Die
Grünen-Politikerin Marie Kollenrott wurde am Samstag in Göttingen an einem
Wahlkampfstand attackiert und leicht verletzt. Das teilten die Polizei und die
Grünen-Landtagsfraktion mit am Samstagabend mit.

Bundestags-Vizepräsidentin, Katrin Göring-Eckardt (Grüne), verurteilte den
Angriff und rief zum Schutz der Demokratie auf. "Wir werden nicht weichen! Wir
verteidigen die Demokratie in unserem Land", schrieb sie auf der Plattform X.
Zugleich wünschte sie Kollenrott eine schnelle Genesung, "physisch und
seelisch". Auch Grünen-Politiker Jürgen Trittin äußerte sich solidarisch und
schrieb auf X: "Die Gewalt darf keinen Platz haben." Die politische
Geschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, erklärte: "Erneut ein Angriff auf
eine Politikerin und damit auf unsere Demokratie und die freien Wahlen. Wir
lassen uns nicht einschüchtern!"

Mutmaßlicher Angreifer wenig später gefasst

Ein Mann hatte Kollenrott, die seit Oktober 2021 im Landtag sitzt, mehrfach
gegen den Oberkörper geschlagen. Die 39 Jahre alte Umwelt- und
Energiepolitikerin erlitt nach eigenen Angaben Prellungen an einem Arm.

Beamte nahmen den mutmaßlichen Angreifer kurz danach in Tatortnähe fest. Sie stellten die Identität des 66-Jährigen fest und ließen ihn danach wieder frei.
Der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz ermittelt. Laut Polizei
hatte sich der Mann aus Göttingen in Höhe des Wahlkampfstandes in einer
Fußgängerzone in der Nähe des Alten Rathauses abfällig über die Grünen geäußert.
Nach einer kurzen politischen Diskussion sei der Mann auf die Politikerin
losgegangen.

Mehrere Angriffe in vergangenen Wochen

Mehrere Angriffe auf Politiker und Wahlkampfhelfer hatte in den vergangenen
Wochen bundesweit Entsetzen ausgelöst. In Dresden wurde der SPD-Wahlkämpfer
Matthias Ecke krankenhausreif geschlagen, die Kommunalpolitikerin Yvonne Mosler
(Grüne) wurde beim Aufhängen von Wahlplakaten angerempelt und bedroht. In Berlin
wurde nach einer Attacke auf Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) ein
Verdächtiger vorläufig in der Psychiatrie untergebracht. Auch AfD-Politiker
waren Ziele von Attacken - vor mehreren Wochen etwa ein Landtagsabgeordneter aus
Niedersachsen.

Das Bundeskriminalamt ist besorgt wegen der steil gestiegenen Zahl von
Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger. In den vergangenen fünf Jahren habe
sich die Zahl verdreifacht auf inzwischen 5400 Delikte, sagte Behördenchef
Holger Münch der "taz" (Samstag). Zum Glück seien davon nur ein Bruchteil
Gewaltdelikte. "Solche Gewalt kann sich bis hin zu versuchten oder vollendeten
Morddelikten steigern - wie wir es etwa im Fall Walter Lübcke erleben mussten.
Um genau nicht dorthin zu kommen, sind wir sehr aufmerksam und alarmiert."

Der hessische CDU-Politiker war vor fünf Jahren, am 2. Juni 2019, von einem
Rechtsextremisten vor seinem Wohnhaus erschossen worden. Die Tat gilt als der
erste politisch motivierte Mord an einem bundesdeutschen Politiker durch einen
Neonazi.

Münch sagte weiter, es sei erkennbar, dass Unzufriedenheit mit staatlichen
Institutionen Beleidigungen, Bedrohungen und auch Gewalt befördere. Das häufe
sich nun vor den anstehenden Wahlen. Am 9. Juni ist die Europawahl. Und im
September werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt.

Ministerpräsident: "Gefährliche Entwicklung"

Zum Angriff auf die Grünen-Landtagsabgeordnete sagte Niedersachsens
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Samstagabend: "Es ist und bleibt nicht
hinnehmbar, dass Politikerinnen und Politiker im Wahlkampf immer wieder Opfer
von gewalttätigen Übergriffen werden. Was wir derzeit erleben, ist eine
gefährliche Entwicklung". Demokratie funktioniere nur, wenn Menschen sich für
ihre Überzeugungen auch sichtbar in der Öffentlichkeit engagieren. Er
appellierte, gegen zügellose Aggressivität einzuschreiten.

Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen in Niedersachsen, Anne Kura,
verurteilte den Angriff am Samstagabend: "Wir sind schockiert, aber wir lassen
uns nicht einschüchtern." Weitere Grüne-Landtagsabgeordnete äußerten sich
ähnlich. Der niedersächsische CDU-Landtagsfraktionschef Sebastian Lechner
verurteilte den "hinterhältigen Angriff" auf Kollenrott "auf das Schärfste". Der
Angreifer müsse die vollen Konsequenzen des Rechtsstaats erfahren, schrieb der
Politiker am Samstagabend auf X./mni/DP/he

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