17.06.2024 19:03:33 - dpa-AFX: EM 2024/ROUNDUP 3/EM-Fehlstart für Ukraine: 'Einfach bei allen entschuldigen'

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MÜNCHEN (dpa-AFX) - Als die ukrainischen Fans versuchten, ihren Fußballern
Trost zu spenden, saß Stürmerstar Mychajlo Mudryk noch völlig perplex und
enttäuscht auf dem Rasen. Der 100-Millionen-Euro-Stürmer vom FC Chelsea schien
den bitteren EM-Fehlstart mit dem 0:3 (0:1) gegen Rumänien nicht fassen zu
können. Teamkollege Olexander Sintschenko schilderte, was er in dem Moment am
Montagabend vor den eigenen Anhängern in der Münchner Arena fühlte: "Es ist
peinlich, in die Augen der Fans zu schauen, die gekommen sind, um uns zu sehen.
Es ist eine Schande."

Dabei war der Auswahl aus dem kriegsgebeutelten Land schon ein
unermessliches Extra-Gewicht aufgeladen worden: Sie sollte nicht nur Fußball
spielen, sondern auch noch die Menschen daheim in der Ukraine von dem
unfassbaren Leid ablenken, das sie durch mehr als zwei Jahre russischen
Angriffskrieg bereits erfahren. Noch kurz vor Anpfiff berichteten Spieler, wie
sehr die Situation eine psychische Belastung sei. "Wir haben seit mehr als zwei
Jahren mit diesem mentalen Druck zu tun, und trotzdem sind wir hier, wir haben
das verstanden", sagte Trainer Serhij Rebrow.

Untröstlicher Real-Torwart

Gegen spielerisch keinesfalls überragende, aber im Abschluss glücklichere
Rumänen setzte es dennoch den herben Dämpfer. Dass just Torhüter Andrij Lunin
von Real Madrid, der in der Champions League in der Saison teils noch
herausragend gehalten hatte, mit zwei Patzern die Niederlage mitverantwortete,
machte es nicht besser. "Ich möchte mich einfach nur bei allen entschuldigen.
Denn das war mein Fehler und damit fing alles an", sagte Lunin, sonst
Ersatztorwart in Spanien, über seinen ersten Patzer und die Folgen.

Rumäniens Kapitän Nicolae Stanciu (29. Minute), Razvan Marin (53.) und Denis Dragus (57.) erzielten vor 61 591 Zuschauern die Tore. Rumänien feierte den erst
zweiten Sieg seiner EM-Historie und machte einen Schritt Richtung Achtelfinale.

Coach fordert: Krieg versuchen auszublenden

Die Ukraine steht dagegen nun auch sportlich unter immensem Druck. Coach
Rebrow forderte seine Schützlinge nach der Niederlage auf, zumindest zu
versuchen, den Krieg irgendwie auszublenden. "Wir müssen vergessen, was zuhause
passiert", sagte der frühere Stürmerstar. Er schilderte auf der Pressekonferenz,
dass seine Spieler ihn aus der Kabine raus schickten, um unter sich die
Niederlage zu besprechen.

Zuvor hatten die Profis, die alle in ukrainische Flaggen vor Anpfiff auf das Feld gekommen waren, ihre Anhänger noch um Verzeihung gebeten, als sie in die
Fankurve gingen. "Wir repräsentieren eine große Nation. Das wissen die Spieler",
sagte Rebrow. "Und heute waren wir nicht gut genug. Deswegen bitten die Spieler
um Entschuldigung."

Der traurigste Mann auf dem Platz war Lunin. Zunächst leitete er das erste
Gegentor durch einen Fehlpass ein, beim zweiten Treffer ließ er einen Schuss von
Marin durchrutschen. Dragus' 3:0 war der frühe Schlusspunkt gegen
orientierungslose Ukrainer. Von einer "Horror-Show" für Lunin schrieb die
englische Zeitung "Daily Mail".

Rumänen verzückt nach "historischem Sieg"

Vor den Augen von Stürmer-Legende und Verbandsboss Andrij Schewtschenko
klappte auch im Sturm nichts. Mudryk zeigte zwar Ansätze seiner Klasse, wurde
von seinem Teamkollegen aber viel zu selten in Szene gesetzt. Selbst ein
Ehrentreffer blieb der Ukraine verwehrt, als Roman Jaremtschuk kurz vor dem
Abpfiff nur die Latte traf.

Die Rumänen dagegen schienen ihr Glück kaum fassen zu können. Nach dem
Schlusspfiff weinten noch auf dem Feld etliche Akteure, zigtausende Fans
feierten ihre Fußball-Helden lautstark. "Es war unglaublich, was die Leute uns
gegeben haben. So etwas habe ich zum ersten Mal erlebt", berichtete Coach Edward
Iordanescu. "Das ist ein historischer Sieg für Rumänien."/msw/DP/ngu

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