30.06.2024 14:49:02 - dpa-AFX: Handwerkspräsident frustriert: Zutrauen zur Ampel-Koalition fehlt

BERLIN (dpa-AFX) - Handwerkspräsident Jörg Dittrich hat sich frustriert über
die Arbeit der Koalition gezeigt - und die Ampel zu entscheidenden
Weichenstellungen für mehr Wachstum aufgefordert. "Insgesamt fehlt das Zutrauen,
dass die Bundesregierung entschieden eingreift und die nötigen Schritte geht, um
Deutschland wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Das ist unbedingt notwendig."

In der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP laufen Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2025. Mehrere Ressorts wollen Sparvorgaben von Finanzminister
Christian Lindner (FDP) nicht einhalten. Ein Kabinettsbeschluss wird im Juli
angestrebt. Die Koalition plant außerdem ein "Dynamisierungspaket", um das
Wachstum anzukurbeln.

Dittrich: Trainingslager nötig

"Das immer wiederkehrende Gezerre und ständige Hin und Her ist ermüdend und
zu einem gewissen Grad auch frustrierend", sagte der Präsident des
Zentralverbands des Deutschen Handwerks mit Blick auf die Ampel. "Wir sind nicht
genügend wettbewerbsfähig, und da reicht es nicht, sich einen neuen
Trainingsanzug zu kaufen. Da müssen wir ins Trainingslager."

Es müssten mehr private Investitionen angereizt werden. Die Steuer- und
Abgabenlast müsse sinken. Die Stromsteuer müsse für alle Verbraucher, und damit
auch für alle Betriebe, auf das EU-Mindestmaß gesenkt werden. Bürokratie müsse
abgebaut werden. "Weniger Zettel, mehr Wirtschaft auf jeden Fall. Wieder mehr
Zutrauen in Betriebe und Beschäftigte."

Politik soll große Themen anpacken

Die Politik traue sich nicht, die großen Themen anzupacken, so Dittrich. Der wirtschaftspolitische Kompass müsse neu ausgerichtet werden. "Als die drei
größten Problemfelder nennen Handwerkerinnen und Handwerker die hohe Steuer- und
Abgabenlast, die Bürokratie und die Fachkräftesicherung", sagte der
Handwerkspräsident.

"Damit sind die Handlungsaufträge für die Politik klar: Betriebe wie
Beschäftigte müssen entlastet werden, damit sie wieder Spielraum für
Investitionen haben. Der Bürokratieabbau darf nicht nur auf dem Papier stehen,
sondern muss im Betriebsalltag spürbar werden." Für die Fachkräftesicherung sei
es zentral, dass die Politik endlich die "Bildungswende" umsetze und
Gleichwertigkeit schaffe: "Damit für junge Menschen greifbar wird, dass das
Handwerk ihnen die Chance auf eine Karriere mit Sinn, Sicherheit und Zukunft
bietet."

Handwerk: Sozialabgaben müssen runter

Es werde außerdem immer dringlicher, dass über eine grundlegende Reform der
Sozialversicherungssysteme gesprochen werde. "Die Belastungen für Betriebe wie
für Beschäftigte laufen schlicht aus dem Ruder." Beim Thema Sozialabgaben mauere
die Politik aber regelrecht, weder Regierung noch Opposition trauten sich daran.
"Seit Jahren warnen wir davor, dass die Beiträge außer Kontrolle geraten, wenn
wir die Finanzierung der Sozialversicherungssysteme nicht grundlegend
reformieren und dabei den Faktor Lohn entlasten."

Gerade das lohnintensive Handwerk sei gegenüber Wirtschaftsbereichen
benachteiligt, in denen die Personalkosten keinen so hohen Anteil haben.
"Aktuell geschieht genau das, was wir befürchtet haben: Das Überschreiten der
40-Prozent-Marke im letzten Jahr war ein Dammbruch. Seither steigen die
Sozialbeiträge in schwindelerregender Geschwindigkeit. Bereits in zehn Jahren
sollen die Sozialabgaben fast die 50-Prozent-Marke erreicht haben."/hoe/DP/nas

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