03.07.2024 19:43:40 - dpa-AFX: EM 2024: Türkei bestellt deutschen Botschafter nach Kritik an Wolfsgruß ein

ISTANBUL (dpa-AFX) - Nach der scharfen Kritik am Torjubel des türkischen
Fußball-Nationalspielers Merih Demiral bei der EM hat die Türkei den deutschen
Botschafter einbestellt. Das bestätigte das Auswärtige Amt der Deutschen
Presse-Agentur. Demiral hatte am Dienstag beim 2:1 im Achtelfinale gegen
Österreich nach seinem zweiten Tor in Leipzig den sogenannten Wolfsgruß gezeigt,
der einer rechtsextremistischen Bewegung zugeordnet wird. Unter anderem
Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) kritisierte dies scharf.

Der 26 Jahre alte Demiral hatte mit beiden Händen das Zeichen und Symbol der "Grauen Wölfe" geformt. Als "Graue Wölfe" werden die Anhänger der
rechtsextremistischen "Ülkücü-Bewegung" bezeichnet, die in Deutschland vom
Verfassungsschutz beobachtet wird. In der Türkei ist die ultranationalistische
MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen
AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Die Europäische Fußball-Union UEFA leitete ein Untersuchungsverfahren gegen
Demiral ein. Bundesinnenministerin Faeser hatte unter anderem gesagt: "Die
Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen."

Türkisches Außenministerium verteidigt Demiral

Aus seinem Heimatland erhielt Demiral dagegen auch Rückendeckung. Der Chef
der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahceli, bezeichnete die Einleitung eines
Verfahrens der UEFA gegen den Spieler als "Provokation". Der Schritt sei
"äußerst voreingenommen und falsch". Die UEFA springe damit auf "den Zug des
Übels" derer auf, "die den Türken und der Türkei offensichtlich feindlich
gesinnt sind".

Das türkische Außenministerium bezeichnete die Untersuchung als
inakzeptabel. Nicht jede Person, die das Zeichen der Grauen Wölfe zeige, könne
als rechtsextremistisch bezeichnet werden, hieß es. Der Wolfsgruß sei in
Deutschland zudem nicht verboten und die Reaktionen der deutschen Behörden
"ausländerfeindlich".

Kritik in den sozialen Medien

Der Torjubel erhielt aber nicht nur Zuspruch. So kritisierten Nutzer in den
sozialen Medien, dass Demiral den Wolfsgruß ausgerechnet am Jahrestag des
Sivas-Massakers zeigte. Vor 30 Jahren hatte ein von religiösen Extremisten
aufgehetzter islamistischer Mob ein Hotel im Stadtzentrum von Sivas in Brand
gesteckt, in dem sich alevitische Schriftsteller, Sänger und Intellektuelle
aufhielten. In den Flammen kamen 37 Menschen ums Leben, die meisten Opfer waren
Aleviten - eine religiöse Minderheit in der Türkei.

Der prominente Exiljournalist Can Dündar schrieb auf X, Demiral habe mit
seiner Aktion die Freude über den 2:1-Sieg gegen Österreich zunichte
gemacht./jam/DP/he

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