26.06.2024 11:10:53 - dpa-AFX: SPORT: Sommermärchen für Österreich? 'Kannst in einen Lauf kommen'

BERLIN (dpa-AFX) - Im Mannschaftsbus ging die Gruppensieg-Party der
Österreicher richtig los. Das unvermeidliche "Sweet Caroline" dröhnte aus den
Boxen. Die ÖFB-Kicker hüpften und sangen laut mit. "Wer uns Österreicher gut
kennt, der weiß: Wir arbeiten sehr hart, aber wir feiern auch sehr gut", hatte
BVB-Profi Marcel Sabitzer nach dem spektakulären 3:2 bei der Fußball-EM am
Dienstagabend im Berliner Olympiastadion gegen die Niederlande schon
angekündigt.

Erfolge wie den ersten Platz in der schweren Gruppe mit Oranje und
Vizeweltmeister Frankreich wolle man genießen, "das tun wir eh im Fußballerleben
viel zu selten, weil's immer weitergeht", sagte der 30-Jährige.

"Kannst auch mal in einen Lauf reinkommen"

Nach einem der größeren Erfolge der Fußball-Geschichte der Alpenrepublik
stellt sich die Frage, ob bei der Auswahl von Teamchef Ralf Rangnick das Geheim-
vor Favorit gestrichen werden muss. Um von einem österreichischen Sommermärchen
zu sprechen, sei es noch zu früh, sagte Sabitzer zwar.

Doch an Selbstvertrauen mangelt es nicht. "Wenn du mal in einem K.o.-System
bist, dann kannst du auch mal in einen Lauf reinkommen", befand der
Bundesliga-Profi. Österreich habe die Qualität, jeden Gegner zu schlagen, "aber
es wird ein sehr schwerer Weg".

Mit dem überraschenden Gruppensieg steht das Team auf der vermeintlich
einfacheren Seite des Turnierbaums. Im Achtelfinale in Leipzig am 2. Juli geht
es gegen die Türkei, Tschechien oder Georgien. In der Runde der letzten Acht
könnte dann wieder in Berlin Belgien warten. Die Wege aus dem Teamquartier im
Grunewald der Hauptstadt wären zu beiden Spielen kurz.

Die Kaderbreite ist größer als gedacht

Gegen die Holländer konnte Rangnick sogar die mit einer Gelben Karte
vorbelasteten Leistungsträger Christoph Baumgartner und Konrad Laimer zunächst
auf der Bank lassen. Trotzdem kamen die Kicker des Österreichischen
Fußball-Bundes (ÖFB) wie schon gegen Polen "brutal gut ins Spiel", wie der
Trainer sagte.

Das Aufgebot mit zwölf Bundesliga-Profis hat Tiefe. "Das Spiel hat die
Erkenntnis gebracht, dass die Breite unseres Kaders doch ein bisschen größer
ist, als alle gedacht haben, inklusive mir selbst", sagte der 65-Jährige.

Auch wenn es wieder eine etwas ruckelige Phase gab, über weite Phasen des
Spiels zeigte das ÖFB-Team eine sehr reife Leistung. "Was mich heute am meisten
beeindruckt hat, waren die Reaktionen meiner Mannschaft auf die jeweiligen
Ausgleichstreffer", sagte Rangnick. Das Team kann auch nicht auf Pressing und
Umschalt-Fußball reduziert werden. Im Ballbesitz fanden die Österreicher immer
wieder gute Lösungen.

Sabitzer hat wieder Kraft getankt

Zentrale Figur war Sabitzer. Auf dem Party-Video aus dem Bus hielt er sich
vornehm im Hintergrund, einige Stunden vorher war er auf dem Rasen des Berliner
Olympiastadions allgegenwärtig gewesen. "Ich gebe mein Bestes, dass ich auf
Meter komme", sagte Sabitzer, der zum Spieler des Spiels gewählt wurde, mit
einem Lachen.

Der 30-Jährige war unermüdlich und die treibende Kraft vieler
Offensiv-Aktionen. Mit dem technisch anspruchsvollen Siegtreffer aus spitzem
Winkel krönte er seine Leistung. Dabei brauchte der Mittelfeldspieler nach der
großen Enttäuschung des verlorenen Champions-League-Finals mit Borussia Dortmund
erstmal eine kurze mentale Pause vor dem Turnier. "Ich hatte schon Aufs und Abs
in den letzten Monaten, wo viel passiert ist", gab der ÖFB-Ersatzkapitän zu.

Das 0:2 gegen Real Madrid sei ein "Negativerlebnis" gewesen, "aber ich habe
wieder Kraft getankt", erklärte Sabitzer. Die Mannschaft gebe ihm Halt. "Dadurch
kann ich befreit spielen."

Besserer Empfang in Leipzig

Im Achtelfinale gibt es für den früheren RB-Profi nun eine Reise in die
Leipziger Vergangenheit, wie für Rangnick und Laimer auch. Der 30-Jährige hofft
auf einen besseren Empfang als zuletzt, als er wegen seines Abgangs ausgepfiffen
wurde. "Doch jetzt werden sicher viele Österreicher da sein, das wird für mich
sicher positiver ausgehen", sagte er.

Vielleicht steht danach die nächste Party im Bus an. Sabitzer selbst schätzt vor allem zwei Austro-Pop-Klassiker von Rainhard Fendrich. "Wenn ich ranken
müsste, würde ich sagen, "I am from Austria" und "Strada del Sole"."/dj/DP/tih

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH