20.06.2024 15:19:06 - dpa-AFX: ROUNDUP 2/Rumänien gibt auf: Niederländer Rutte kann Nato-Generalsekretär werden

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BUKAREST/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Der Weg für die Ernennung von Mark Rutte zum
nächsten Generalsekretär der Nato ist nach monatelanger Blockade frei. Als
letzter Bündnisstaat kündigte am Donnerstag Rumänien an, seinen Widerstand gegen
die Vergabe des Spitzenpostens an den scheidenden niederländischen
Regierungschef aufzugeben.

Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis zog seine eigene Kandidatur zurück, wie die Präsidentschaftskanzlei am Donnerstag in Bukarest bekanntgab. Zugleich
unterstütze Rumänien nunmehr die Kandidatur Ruttes, hieß es.

Kurz vor der Entscheidung Rumäniens hatten am Dienstag auch Ungarn und die
Slowakei eingelenkt. Diese zwei Länder waren längere Zeit zusammen mit Rumänien
und der Türkei die einzigen Nato-Staaten gewesen, die eine Ernennung des
57-jährigen Rutte zum Nachfolger von Jens Stoltenberg noch blockiert hatten.

Ungarn befürchtet Ausweitung von Krieg

Ungarn hatte den Widerstand zuletzt aufgegeben, nachdem Rutte auf ungarische Forderungen eingegangen war. Dabei ging es unter anderem darum, dass Ungarn sich
sicher sein will, nicht zu einer Beteiligung an einem geplanten Nato-Einsatz zur
Koordinierung von Waffenlieferungen für die Ukraine gedrängt zu werden. Die
Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban befürchtet, dass das Bündnis durch
das Projekt in eine direkte Konfrontation mit Russland getrieben werden könnte.

Als Hintergrund der von Anfang an aussichtslosen Kandidatur des Rumänen
Iohannis galt in Bündniskreisen dessen ungewisse berufliche Zukunft. So wurde
vermutet, dass es Iohannis vor allem darum ging, als Alternative irgendeinen
anderen internationalen Spitzenposten angeboten zu bekommen. Die zweite Amtszeit
des Rumänen endet im Herbst und er kann dann in Rumänien kein weiteres Mal mehr
antreten.

Stoltenberg-Vertrag läuft noch bis Oktober

Der derzeitige Vertrag des amtierenden Nato-Generalsekretärs Stoltenberg
läuft noch bis 1. Oktober. Er hatte in der Vergangenheit schon mehrfach
angekündigt, den Posten aufgeben zu wollen. Im vergangenen Sommer scheiterten
allerdings erneut Versuche der Mitgliedstaaten, sich auf einen Nachfolger zu
einigen. Damals hatten als mögliche Anwärter für die Nachfolge Stoltenbergs
unter anderem die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und der
damalige britische Verteidigungsminister Ben Wallace gegolten.

Stoltenberg hat den Top-Job mittlerweile seit fast zehn Jahren inne. In der
Geschichte des Bündnisses ist er damit bereits jetzt der am zweitlängsten
amtierende Generalsekretär. Am längsten war bislang der Niederländer Joseph Luns
der höchste internationale Beamte der Allianz. Er amtierte von 1971 bis 1984.

Kanzler stellte sich bereits im Februar öffentlich hinter Rutte

Für die Ernennung eines neuen Generalsekretärs ist im Verteidigungsbündnis
ein Konsens notwendig. Das bedeutet, dass keiner der aktuell 32 Nato-Staaten
einen Einwand gegen den Kandidaten vorbringen darf. Bundeskanzler Olaf Scholz
hatte sich bereits im Februar öffentlich hinter Rutte gestellt. Weitere
Unterstützung kam damals auch aus den USA und Großbritannien. Aus Bündniskreisen
hieß es am Donnerstag, es sei sehr wahrscheinlich, dass Rutte nun bereits in der
kommenden Woche offiziell als Nachfolger Stoltenbergs präsentiert werden könne.

Der 57-Jährige gilt als äußerst erfahrener Außenpolitiker. Er war zuletzt
knapp 14 Jahre Regierungschef der Niederlande, so lange wie noch keiner vor ihm
und damit auch einer der dienstältesten der EU.

Große Aufgaben und ein Trump-Szenario

Hauptaufgabe des Generalsekretärs der Nato ist es, die politischen
Abstimmungsprozesse zwischen den Alliierten zu koordinieren und dafür zu sorgen,
dass auch bei schwierigen Themen ein Konsens erzielt werden kann. Weil er auch
Handlungsvorschläge machen kann, spielt er damit gerade in Zeiten von Krisen
oder Konflikten eine entscheidende Rolle. Zudem repräsentiert der
Generalsekretär das Verteidigungsbündnis auf internationaler Ebene und leitet
als oberster Verwaltungsbeamte das Nato-Hauptquartier.

Eine besonders große Herausforderung dürfte der neue Job für Rutte werden,
wenn es nach der US-Präsidentenwahl im November zu einer Rückkehr von Donald
Trump ins Weiße Haus kommen sollte. Äußerungen des Republikaners hatten in der
Vergangenheit Zweifel daran geweckt, ob die USA unter seiner Führung
uneingeschränkt zur Beistandsverpflichtung stehen würden. Bereits in seiner
Amtszeit von 2017 bis 2021 hatte er immer wieder über die seiner Ansicht nach zu
niedrigen Verteidigungsausgaben von europäischen Alliierten gewettert und
zeitweise sogar mit einem Austritt der USA aus dem Bündnis gedroht.

Ruttes innenpolitischer Widersacher Geert Wilders gratulierte Rutte am
Donnerstag zu seiner bevorstehenden Ernennung. "Die Ära Rutte endet in den
Niederlanden und beginnt bei der Nato," teilte der rechte Politiker der
niederländischen Agentur ANP mit. "Beides ist gut, und ich wünsche ihm viel
Erfolg."/aha/gm/DP/ngu

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