27.05.2024 14:13:51 - dpa-AFX: POLITIK: Migrationsforscher vermissen Pläne für nachhaltige Flüchtlingspolitik

BERLIN (dpa-AFX) - Vereinfachte Abschiebungen und die für einige
Asylsuchende geplanten Verfahren an den EU-Außengrenzen sind nach Einschätzung
einiger Migrationsforscher keine sinnvolle Strategie, um Fluchtbewegungen nach
Europa mittelfristig zu bremsen. "Weltweit leben zwei Drittel aller Geflüchteten
in sogenannten langanhaltenden Vertreibungssituationen", stellten die Autoren
des "Reports Globale Flucht" am Montag bei der Präsentation ihres zweiten
Jahresberichts vor. Wer nachhaltig etwas bewirken wolle, müsse sich um eine
Verbesserung der Lage von Menschen kümmern, die schon vor vielen Jahren aus
ihrem Land geflohen seien, nicht zurückkehren könnten und seit langem unter
prekären Bedingungen im Exil lebten.

Als Beispiele nannten die Experten syrische Flüchtlinge in der Türkei, die
Diskriminierung von Afghanen im Iran, die Situation der aus Myanmar geflohenen
Rohingya in Bangladesch sowie die Binnenvertreibung im Kongo.

"Lange schwelende Vertreibungskrisen werden bei uns weitgehend ignoriert,
insbesondere dann, wenn sie weit weg sind, doch diese Ignoranz kann verheerende
Konsequenzen haben und zu erheblicher Fluchtzuwanderung in der Zukunft führen",
sagte Franck Düvell von der Universität Osnabrück. Die Reform des Gemeinsamen
Europäischen Asylsystems biete keinen Beitrag zur Lösung langanhaltender
Fluchtkrisen. "Eine auf die Erhöhung der Zahl der Rückführungen aus Europa
ausgerichtete Politik ist weder sinnvoll, nachhaltig noch durchsetzbar", mahnte
er.

Benjamin Etzold von der Universität Bonn sagte mit Blick auf die Lage der
Palästinenser: "In Gaza sehen wir wirklich die sehr, sehr langfristigen
Konsequenzen davon, wenn Flüchtlingssituationen verwaltet werden über Jahre,
über Jahrzehnte." Das Gleiche gelte für afghanische Geflüchtete in Pakistan, die
dort seit 40 Jahren in einer sehr prekären Situation lebten, immer weiter
entrechtet würden sowie keinen Zugang zu Staatsangehörigkeit erhielten.

Er erwarte von der Bundesregierung und der Europäischen Union mehr
Engagement, um Lösungen zu finden, die verhinderten, dass Menschen dauerhaft in
prekären Situationen leben müssten. Das sei besser als den Fokus daraufzulegen,
"dass wir den Zugang von Geflüchteten nach Europa reduzieren wollen, dass wir
die Zahlen reduzieren wollen".

Die im April vom Europäischen Parlament gebilligte Reform sieht unter
anderem vor, dass Asylgesuche von Menschen aus Herkunftsstaaten mit einer
EU-weiten Anerkennungsquote von weniger als 20 Prozent in Auffanglagern an den
Außengrenzen geprüft werden./abc/DP/stw

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