10.07.2024 17:03:45 - dpa-AFX: VERMISCHTES: Mittelschweres Schwarzes Loch in unserer Galaxie entdeckt

HEIDELBERG (dpa-AFX) - Seit langem wird in der Astronomie der Verdacht
gehegt: Eigentlich muss es auch mittelschwere Schwarze Löcher geben. Aber
zuverlässige Beobachtungen gelangen bislang nicht. Nun aber legt ein
internationales Forschungsteam unter Leitung von Maximilian Häberle vom
Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg den bislang besten Beweis für
genau so ein Schwarzes Loch vor.

In den Archivdaten des Weltraumteleskops Hubble spürte das Team in der Mitte des Kugelsternhaufens Omega Centauri sieben Sterne auf, die sich mit extrem
hoher Geschwindigkeit bewegen. Nur die Anziehungskraft eines Schwarzen Lochs
könne die Bewegung der Sterne erklären, schreiben die Forschenden im Fachblatt
"Nature". Aus ihren Daten schlussfolgern sie: Das Schwarze Loch im Zentrum von
Omega Centauri besitzt die 8.200-fache Masse unserer Sonne.

Das uns nächste massereiche Schwarze Loch

Das neu beschriebene Schwarze Loch liegt - den Weltraum betrachtet - in der
Nähe der Erde. Es sei etwa 18.000 Lichtjahre entfernt, erläutert Mitautorin
Nadine Neumayer. Damit sei es das nächstgelegene bekannte Beispiel für ein
massereiches Schwarzes Loch. Das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum
unserer Galaxie, der Milchstraße, befindet sich in einer Entfernung von rund
27.000 Lichtjahren.

Um neue Schwarze Löcher zu finden, hatten Astronomen immer wieder nach
solchen rasenden Sternen gesucht - bislang erfolglos. Häberle machte sich erneut
auf die Suche. Dabei griff er auf bislang für diesen Zweck ungenutzte Daten des
Hubble-Teleskops zurück, das zur Eichung seiner Instrumente immer wieder Omega
Centauri fotografiert hatte. Insgesamt 500 Archivbilder aus einem Zeitraum von
20 Jahren standen Häberle so zur Verfügung. Der Forscher vermaß auf diesen
Bildern akribisch die Bewegung von etwa 150.000 Sternen.

Sieben Nadeln im Heuhaufen

"Die Suche nach schnellen Sternen und die Dokumentation ihrer Bewegung glich der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen", erklärt der Forscher.
Am Ende hatte Häberle nicht nur den bislang vollständigsten Katalog der
Sternbewegungen in Omega Centauri erstellt, sondern auch sieben Nadeln im
Heuhaufen gefunden: sieben Sterne, die sich mit hoher Geschwindigkeit bewegen.
Mit dieser Geschwindigkeit müssten, meint Häberle, die Sterne aus dem
Sternhaufen heraus fliegen. Nur die Anziehungskraft eines Schwarzen Lochs mit
der 8200-fachen Sonnenmasse kann die Sterne festhalten, zeigen seine
Berechnungen.

Ein Schwarzes Loch mit einer solchen Masse aufzuspüren, ist für die
Astronomen von großer Bedeutung. Denn bislang kannten die Himmelsforscher
lediglich zwei Arten Schwarzer Löcher. Sogenannte stellare Schwarze Löcher mit
bis zu 150 Sonnenmassen entstehen, wenn große Sterne ihren nuklearen
Energievorrat verbraucht haben und haltlos zusammenstürzen. Und dann sind da die
supermassereichen Schwarzen Löcher in den Zentren von Galaxien mit der
millionen- oder gar milliardenfachen Masse der Sonne.

Diese supermassereichen Schwarzen Löcher sind, so die Vermutung, durch die
Verschmelzung kleinerer Schwarzer Löcher mit einigen Tausend Sonnenmassen
entstanden. Einige solcher mittelschwerer Schwarzen Löcher sollte es noch heute
im Kosmos geben. Tatsächlich stießen die Himmelsforscher auf eine ganze Reihe
von Kandidaten für derartige Objekte in kleineren Galaxien und Kugelsternhaufen.
Doch direkte Beweise gab es bislang nicht: Die Bewegung von Sternen in solchen
fernen Objekten ist einfach zu schwer zu beobachten.

Galaxie, die von der Milchstraße verschluckt wurde

Hier kommt Omega Centauri ins Spiel: Er ist mit zehn Millionen Sternen der
größte Kugelsternhaufen der Milchstraße. Am Südhimmel ist er sogar als Fleck mit
bloßen Augen zu erkennen. Vermutlich handelt es sich bei Omega Centauri um die
ehemalige Zentralregion einer kleinen Galaxie, die vor Milliarden von Jahren mit
der Milchstraße kollidierte und dabei ihre äußeren Regionen verloren hat.

Die Idee war: Falls es diese Kollision gab, dann sollte sich ein zuvor im
Zentrum der kleinen Galaxie vorhandenes mittelschweres Schwarzes Loch bis heute
in Omega Centauri erhalten haben. Und dank der Nähe des Kugelsternhaufens zur
Erde lässt sich auch die Bewegung von Sternen dort beobachten.

Nun soll das Weltraumteleskop James Webb weiter messen

Die jetzt von Häberle und seinem Team aufgespürten Sterne bestätigen diese
Überlegung und liefern damit den bislang besten Beweis für die Existenz
mittelgroßer Schwarzer Löcher. Allerdings zeigen die Hubble-Bilder lediglich die
Bewegung der Sterne am Himmel und nicht die Bewegung auf uns zu oder von uns
weg. Diese Radialbewegung der sieben rasenden Sterne wollen die Forscher jetzt
mit dem Weltraumteleskop James Webb messen und damit letzte Zweifel an der
Existenz des Schwarzen Lochs in Omega Centauri ausräumen./fm/DP/men

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