11.07.2024 06:45:04 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: UN fordern Schutz für Zivilbevölkerung in Gaza-Stadt

GAZA (dpa-AFX) - Angesichts des Evakuierungsaufrufs der israelischen Armee
für die umkämpfte Stadt Gaza fordern die Vereinten Nationen den unbedingten
Schutz der Zivilbevölkerung. "Diese Zivilpersonen müssen geschützt werden, und
auf ihre wesentlichen Bedürfnisse muss eingegangen werden, egal, ob sie fliehen
oder bleiben", teilte das UN-Nothilfebüro OCHA mit Sitz in Genf mit. Alle
Parteien, die an den Gaza-Konflikt beteiligt seien, müssten jederzeit das
humanitäre Völkerrecht respektieren, sagte der UN-Sprecher Stéphane Dujarric in
New York. Das Ausmaß der Kämpfe und der Zerstörung in den vergangenen Tagen
während der andauernden Verhandlungen über eine Waffenruhe seien "wirklich
schockierend".

Die Fluchtaufrufe sind in der Regel ein Anzeichen für bevorstehende neue
israelische Militäreinsätze. Israelische Medien sowie Anwohner hatten berichtet,
die Armee habe am Mittwoch Flugblätter in der Stadt Gaza verteilt und die
Menschen darin zum Verlassen der betroffenen Gebiete aufgefordert. Nach Angaben
von Anwohnern weigert sich ein Großteil der Betroffenen, die Gebiete zu
verlassen.

In der Stadt im Norden des Gazastreifens hatten die israelischen Truppen
bereits zu Beginn des Kriegs gekämpft. Inzwischen versuchen die Kämpfer der
islamistischen Hamas, sich dort und andernorts neu zu formieren. Die Stadt ist
von den massiven Verwüstungen in dem Krieg am schwersten betroffen.

Auswirkung auf humanitäre Hilfe

OCHA warnte, dass sich solche "Evakuierungsanweisungen" immer wieder negativ auf die humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen auswirkten. Das Büro
äußerte die Befürchtung, dass die Anweisung das "Massenleiden für
palästinensische Familien, von denen viele schon oftmals vertrieben wurden, nur
bestärken wird".

Die intensivierten Kampfhandlungen in Gaza-Stadt hätten zur "größten
Evakuierung seit Oktober" geführt, teilte das Welternährungsprogramm (WFP) auf X
mit. Die von der UN-Organisation unterstützten Küchen seien oftmals die einzige
Quelle für Nahrungsmittel für Familien. Die unberechenbare Situation in dem
Gebiet schränke jedoch die Hilfe ein.

Allgemeine Lage

Laut Dujarric informierte der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in den
palästinensischen Gebieten, Muhannad Hadi, UN-Generalsekretär António Guterres
am Mittwoch über die Lage im Gazastreifen. Hadi war zuvor zu einem erneuten
Besuch in dem Kriegsgebiet gewesen. Er habe "aus erster Hand die Folgen des
Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gesehen, als er Gaza über
den Grenzübergang Kerem Schalom betreten und verlassen" habe, wurde Hadi
zitiert.

Er habe Gruppen von Männern gesehen, die auf Lastwagen gewartet hätten, die
über Kerem Schalom im Süden in das Küstengebiet fahren wollten. Sämtliche
Lastwagen seien schwer beschädigt gewesen, "mit eingeschlagenen
Windschutzscheiben, Spiegeln und Motorhauben". Säcke mit angereichertem Mehl vom
WFP und dem Palästinenserhilfswerk UNRWA lägen verstreut am Straßenrand. Hadi
habe auch gesehen, dass die Stadt Chan Junis größtenteils zerstört sei.

Im gesamten Gazastreifen mussten Hunderttausende Menschen wegen der Kämpfe
zwischen dem israelischen Militär und der islamistischen Hamas ihre Häuser und
Wohnungen verlassen. Auslöser des Gaza-Krieges war das beispiellose Massaker mit
mehr als 1.200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer
Gruppen am 7. Oktober 2023 in Israel verübt hatten. Laut der von der Hamas
kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden seit Kriegsbeginn mehr als 38.000
Menschen in Gaza getötet. Die Zahl, die nicht zwischen Zivilisten und
Kombattanten unterscheidet, lässt sich derzeit nicht unabhängig verifizieren.

Kämpfe in Gaza-Stadt überschatten Verhandlungen

Das Wiederaufflammen heftiger Gefechte im Norden des Gazastreifens
überschattet auch die indirekt geführten Verhandlungen über eine Waffenruhe.
Dabei geht es auch um eine Freilassung der Geiseln in der Gewalt der Hamas im
Tausch gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen. Die
jüngste Gesprächsrunde in der katarischen Hauptstadt Doha gilt als entscheidend,
um abzustecken, ob ein Abkommen zwischen der Hamas und Israel abgeschlossen
werden kann. Nach wochenlangem Stillstand hatte es zuletzt Anzeichen für
Fortschritte in den schwierigen Verhandlungen gegeben.

Die Hamas hatte bislang ein Ende des Kriegs als Voraussetzung für einen
Geisel-Deal verlangt. Doch ist die israelische Regierung unter Ministerpräsident
Benjamin Netanjahu dazu nicht bereit. Die USA, Ägypten und Katar vermitteln
zwischen den Kriegsparteien.

USA wollen wieder schwere Bomben an Israel liefern

Die USA wollen nach Berichten des "Wall Street Journals" bald wieder
500-Pfund-Bomben an Israel liefern, die die Regierung von Präsident Joe Biden
vor einigen Wochen ausgesetzt hatte. Die Bomben könnten in den kommenden Wochen
nach Israel transportiert werden, hieß es unter Berufung auf
US-Regierungsbeamte. "Schwerere 2.000-Pfund-Bomben, die als Teil der gleichen
Lieferung gedacht waren, werden weiter zurückgehalten."

Die USA hatten die Lieferung schwerer Bomben gestoppt, um Israels Militär
dazu zu bringen, bei der Offensive in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens
die Zivilbevölkerung zu schonen. Ende Juni hatte der israelische
Verteidigungsminister nach Gesprächen in Washington erklärt, die Hindernisse für
den Munitionsnachschub seien behoben worden./dg/DP/stk

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