03.07.2024 15:51:52 - dpa-AFX: ROUNDUP 4: Lufthansa darf italienische Staatsairline Ita übernehmen

(neu: Details zu Auflagen. Interview-Äußerungen Spohr)

BRÜSSEL/FRANKFURT/ROM (dpa-AFX) - Die Lufthansa darf bei der
staatlichen italienischen Fluggesellschaft Ita einsteigen. Nach langer Prüfung
hat die EU-Kommission grünes Licht dafür gegeben. Zuvor muss das
Traditionsunternehmen aber eine Reihe von Bedingungen erfüllen. Die
Wettbewerbshüter aus Brüssel machen unter anderem zur Voraussetzung, dass die
Partner Start- und Landerechte in Mailand-Linate abgeben sowie neuen
Wettbewerbern auf der Mittel- und Langstrecke Starthilfe geben. Dazu soll es
auch Verhandlungen mit Konkurrenten geben.

In einem ersten Schritt übernimmt der MDax -Konzern bis zum
Jahresende für eine Kapitaleinlage von 325 Millionen Euro zunächst 41 Prozent
der Ita-Anteile. Im Laufe der nächsten Jahre könnte es dann auch zur kompletten
Übernahme der Alitalia-Nachfolgerin kommen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr
kündigte eine schnelle Integration der Ita und den Ausbau des Drehkreuzes Rom
Richtung Afrika und Lateinamerika an. Er sagte laut einer Mitteilung: "Wir
werden ITA Airways zu einem starken und erfolgreichen Teil unseres Unternehmens
machen und damit ihre Zukunft als internationale Fluglinie und starke Marke
sichern."

EU will Auflagen eng kontrollieren

Mit den Zugeständnissen von Lufthansa und Ita gebe es Abhilfen auf
sämtlichen Strecken, auf denen die Kommission Wettbewerbsnachteile befürchtet
hatte, sagte eine Sprecherin im Brüssel. Im Interview mit der "Frankfurter
Allgemeinen Zeitung" berichtete Lufthansa-Chef Carsten Spohr, dass man im Sommer
in Mailand 204 Start- und Landrechte (Slots) pro Woche abgeben müsse und im
Winter 192.

Auf zehn Kurzstrecken muss das Bündnis zudem sicherstellen, dass
Wettbewerber zum Zuge kommen. Gespräche soll es unter anderem mit Easyjet
geben. Ab Rom soll laut Kommission entweder ein Konkurrent
bestehende Ita-Flüge nach Nordamerika übernehmen oder es muss verbesserte
Umsteigeverbindungen über Drehkreuze außerhalb des Lufthansa-Konzerns geben. Die
Kommission will die Umsetzung der Pläne eng kontrollieren.

Langes Tauziehen

Die Verhandlungen und Prüfungen um den Einstieg des umsatzstärksten
Luftverkehrskonzerns Europas bei der bisherigen italienischen Konkurrenz ziehen
sich schon seit mehr als einem Jahr hin. Die Italia Trasporto Aereo (ITA) ging
2020 aus der staatlichen Fluglinie Alitalia hervor, die immer wieder in schwere
wirtschaftliche Turbulenzen geraten war. Nach jüngsten Angaben hat das
Unternehmen knapp 4900 Beschäftigte. Zum Vergleich: Der Lufthansa-Konzern zählt
aktuell fast 99 000 Beschäftigte.

Das Unternehmen hat in der Vergangenheit mit Swiss, Austrian und Brussels
Airways bereits drei frühere Staatsairlines integriert. Die Marken wie auch die
Drehkreuze in den Heimatländern Schweiz, Österreich und Belgien blieben
erhalten. Die Ita ist nicht offizielle Rechtsnachfolgerin der Alitalia, hat sich
aber die Rechte an dem legendären Namen gesichert, der laut Konzernkreisen bald
wiederbelebt werden könnte. Italien soll zum fünften Heimatmarkt des Konzerns
werden.

Zugang zum italienischen Markt

Die Lufthansa verschafft sich mit der Übernahme Zugang zum italienischen
Markt, der vor allem wegen der engen Beziehungen in die USA sehr lukrativ ist.
Dass mit der Ita eine weitere Airline der von Air France dominierten Allianz
"Sky Team" gebrochen wird, ist ein erwünschtes Nebenergebnis.

Ita kann allein nicht überleben

Nach Meinung vieler Experten könnte Ita allein nicht überleben. Im
Heimatmarkt wurde sie von Billigfliegern wie Ryanair und Easyjet
in die zweite Reihe gedrängt. Auf den gewinnbringenden Strecken über den
Atlantik tut sie sich schwer, gegen die Macht der sehr viel größeren US-Anbieter
anzukommen. Das ist in einem starken Verbund wie mit der Lufthansa erheblich
einfacher, wie auch die EU-Kommission anerkannt hat.

Gerade an diesem Punkt hatten die EU-Wettbewerbshüter Bedenken angemeldet,
weil Lufthansa über dem Nordatlantik in einem Joint Venture auch Absprachen mit
United und Air Canada trifft. Auf dem lukrativsten Luftverkehrsmarkt der Welt
sind aber auch sämtliche anderen US-Carrier sowie die europäischen
Lufthansa-Konkurrenten IAG um British Airways und Air France-KLM
aktiv.

Zudem hatten die EU-Beamten Bedenken, dass sich bei der Lufthansa auch auf
Kurzstrecken zwischen Italien und mitteleuropäischen Ländern zu viel Marktmacht
konzentrieren könnte. Konkurrenz gebe es zwar - in erster Linie durch
Gesellschaften wie Ryanair. Solche Billigfluggesellschaften starteten aber oft
von abgelegenen Flughäfen. Lufthansa ist auch seit Jahren mit der eigenen
Regionalgesellschaft Air Dolomiti in Norditalien aktiv.

Höhere Ticketpreise befürchtet

Die EU-Kommission befürchtete vor allem Nachteile für Verbraucher. Denn wenn es nur wenig Konkurrenz auf Strecken gibt und sich viel Marktmacht bei einem
Anbieter konzentriert, kann dieser theoretisch Preise über dem marktüblichen
Niveau verlangen. Kundinnen und Kunden können dann nicht oder nur eingeschränkt
auf günstigere Wettbewerber umsteigen. Auch deswegen gibt es in der EU strenge
Wettbewerbsregeln.

Italiens Rechts-Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mutmaßte
zwischenzeitlich, dass andere Konkurrenten die Übernahme in Brüssel ausbremsen
wollten. Aus Rom gab es auch offene Vorwürfe in Richtung Frankreich und Air
France.

Weitere Konzentration in Europa

Mit der Genehmigung aus Brüssel schreitet die Konzentration der europäischen Luftfahrt voran. Dazu erklärte Spohr: "Die Entscheidung ist auch ein klares
Signal für einen starken Luftverkehr in Europa, der sich im globalen Wettbewerb
erfolgreich behauptet."

Auch die Lufthansa-Konkurrenten wollen kleinere Gesellschaften übernehmen.
So hat der IAG-Konzern um British Airways und Iberia bei der EU die Übernahme
der spanischen Air Europa beantragt, während Air France-KLM bei der
skandinavischen SAS einsteigen will. Auch Portugal sucht für
seine TAP nach einem Anschluss bei einem größeren Konzern. "Wir brauchen
europäische Airlines, die groß genug sind, um mit Anbietern aus Amerika oder
China auf Augenhöhe zu konkurrieren, sagte Spohr im FAZ-Interview. Das gehe in
Europa nur mit Übernahmen.

Sparrunden bei Flotte und Personal bereits überstanden

Ähnlich wie bei der 2007 übernommenen Swiss handelt es sich bei der Ita um
ein saniertes Unternehmen, das schmerzhafte Sparrunden bei Flotte und Personal
hinter sich hat. Mit dem gemeinsamen Einkauf und besserer Planung könnte sie
schnell operativ Gewinne einfliegen, meinen die Lufthansa-Experten. Und für 2027
sah der gemeinsame Businessplan von Lufthansa und römischem Finanzministerium
aus dem Vorjahr bereits einen Umsatz von 4,1 Milliarden Euro vor (2022: 1,6
Mrd).

Risikofaktor italienische Regierung

325 Millionen Euro sollen als erste Rate für 41 Prozent der Anteile in das
Eigenkapital der Airline mit 96 tiefblau lackierten Flugzeugen fließen. Der
italienische Staat, angesichts der schnellen Regierungswechsel durchaus ein
Risikofaktor, bleibt zunächst noch an Bord. Ab 2025 kann Lufthansa unter genau
definierten Bedingungen die Option für weitere 49 Prozent ziehen und unter
Umständen für dann mehr als 800 Millionen Euro sogar alleiniger Eigentümer der
Airline werden. Für die Übernahme der restlichen 10 Prozent vom Staat muss die
geschäftliche Entwicklung bewertet werden.

Als neuer Ita-Chef ist Lufthansa-Strategiechef Jörg Eberhart im Gespräch,
der bereits knappe acht Jahre lang die in Norditalien aktive Regionaltochter Air
Dolomiti geleitet hat. Er könnte mit einem weiteren Lufthanseaten in den
fünfköpfigen Ita-Verwaltungsrat einziehen. Spohr wollte sich nicht zu dieser
Personalie äußern./ceb/DP/jha
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
LUFTHANSA AG VNA O.N. 823212 Xetra 6,030 05.07.24 17:35:19 +0,038 +0,63% 0,000 0,000 6,010 6,030
MDAX ® 846741 Xetra 25.728,13 05.07.24 17:50:00 +189,56 +0,74% - - 25.541,26 25.728,13
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