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28.04.2024 14:11:17 - dpa-AFX: Galeria Kaufhof schrumpft weiter - Verdi fordert Zukunftskonzept

ESSEN (dpa-AFX) - Der angeschlagene Warenhauskonzern Galeria Karstadt
Kaufhof schließt weitere 16 seiner noch 92 Filialen zum 31. August dieses
Jahres. Das gab Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus am Samstag bekannt. Besonders
stark von Schließungen betroffen sind mit jeweils drei Häusern Berlin,
Nordrhein-Westfalen und Bayern. Handelsexperten sehen in der Aufgabe weiterer
Häuser jedoch keinen "Befreiungsschlag" für den Handelskonzern und mahnten ein
längerfristiges Zukunftskonzept an. Sonst könnte der schleichende Niedergang
weitergehen.

Von den rund 12 800 Menschen, die das Unternehmen noch beschäftigt, sollen
11 400 ihren Job behalten. 1400 werden laut Insolvenzverwalter gehen müssen,
knapp ein Drittel davon sind Mitarbeiter in der Konzernzentrale in Essen. Der
Unternehmenssitz soll nach Düsseldorf umziehen. "Wir werden alles tun, um unser
Geschäft in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Dazu sehen wir nicht zuletzt
durch unsere Umsatzentwicklung im laufenden Geschäftsjahr gute Voraussetzungen",
sagte Galeria-Chef Olivier Van den Bossche.

Sozialplan und Transfergesellschaft für Betroffene

Mit dem Gesamtbetriebsrat wurde ein Interessenausgleich und Sozialplan
vereinbart. Es sei unter anderem festgelegt worden, dass alle Betroffenen für
acht Monate in eine Transfergesellschaft wechseln könnten, um sich auf dem
Arbeitsmarkt zu orientieren. "Vor ein paar Wochen war die Angst vor dem Szenario
einer Abwicklung von Galeria noch groß. Doch jetzt gibt es nochmal eine Chance
für das Warenhaus", sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jürgen Ettl. Dennoch
sei die Betroffenheit der gesamten Belegschaft groß.

Nach Einschätzung des Online-Stellenportals Indeed sind die Jobaussichten
für gekündigte Beschäftigte nicht schlecht. "Die betroffenen Angestellten aus
dem Einzelhandel dürften voraussichtlich schnell einen neuen Job finden, denn
die Nachfrage nach Arbeitnehmer*innen aus dieser Berufsgruppe ist aktuell trotz
der schwierigen wirtschaftlichen Lage Deutschlands vergleichsweise hoch", sagte
Arbeitsmarktexpertin Annina Hering von Indeed. Auf die rund 450 Mitarbeiter, die
ihren Job in der Konzernzentrale verlieren würden, komme allerdings schwierigere
Jobsuche zu. Der Markt für Bürojobs sei zuletzt zurückgegangen.

Auch der Handelsverband Berlin-Brandenburg sieht gute Perspektiven für die
Beschäftigten der Filialen, die geschlossen werden. "Es gibt einen derartigen
Bedarf im Einzelhandel, dass die Beschäftigten sofort unterkommen können", sagte
Hauptgeschäftsführer Nils Busch-Petersen der dpa.

Denkhaus: "Für den Erhalt jeder einzelnen Filiale hart verhandelt"

Bei der Entscheidung über die Zukunft der Filialen war für
Insolvenzverwalter Denkhaus neben dem Umsatz und der Kaufkraft der jeweiligen
Region vor allem die Höhe der Miete ausschlaggebend. "Wir haben für den Erhalt
jeder einzelnen Filiale hart verhandelt", sagte Denkhaus. Einzelne Filialen auf
der Schließungsliste können sich noch Hoffnung auf einen Fortbestand machen. Im
vorherigen, im Mai 2023 aufgehobenen Insolvenzverfahren waren einige Warenhäuser
noch von der Liste heruntergenommen worden. Weil es kurzfristig neue
Vereinbarungen mit den Mietern gab, wurden am Ende nicht 52 der ehemals 129
Standorte geschlossen, sondern nur 37.

Der Deutsche Städtetag sieht den Erhalt von 76 Filialen als gute Nachricht
für die Kommunen und die Mitarbeiter der Häuser. "Wir haben den Eindruck, dass
mit diesem Neustart außerhalb der Signa-Gruppe jetzt wirklich eine Zeit
nachhaltiger Konzepte für die Standorte beginnt", sagte Hauptgeschäftsführer
Helmut Dedy. Trotzdem seien es "bittere Nachrichten" für die Standorte, die
nicht gerettet werden könnten.

Handelsexperten und Gewerkschaft Verdi skeptisch

Experte Johannes Berentzen von der Handelsberatungsfirma BBE zeigte sich
skeptisch. Mit der Schließung der 16 Häuser seien die großen Herausforderungen
der verbleibenden Häuser und des Galeria-Geschäftsmodells nicht gelöst. Es gehe
um mehr Investitionen in die Fläche, in Personal und in die Verknüpfung von
Online- und Offlinewelt.

Auch Handelsexperte Carsten Kortum sieht in der Schließung weiterer Häuser
keinen "Befreiungsschlag" für den Handelskonzern. "Hier könnten aufgrund dieser
kurzfristigen Profitabilitätsdenke mittelfristige Potenziale ungenutzt bleiben",
sagte der Professor der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn. Bei
Galeria gebe es einen Investitionsstau, da durch überhöhte Mieten Finanzmittel
entzogen wurden. Die Wende könne nur geschafft werden mit Investitionen in die
Filialen und einem langfristig ausgerichteten Engagement, aber nicht mit
kurzfristigem Renditedenken.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisierte die erneuten
Schließungspläne scharf. "Jeder Standort, der geschlossen wird, führt zu einer
weiteren Verödung unserer Innenstädte", sagte Bundesvorstandsmitglied Silke
Zimmer. Es entstehe wieder der Eindruck, dass die Beschäftigten zum Spielball
eines Mietpokers würden. "Tausende Beschäftigte haben die letzten Jahre auf
erhebliche Gehaltsbestandteile verzichtet, um den Konzern zu retten. Sie haben
es verdient, endlich Sicherheit für ihren Arbeitsplatz zu erhalten", sagte die
Gewerkschafterin. Der neue Eigentümer müsse investieren. Gemeinsam mit den
Beschäftigten müsse ein tragfähiges Zukunftskonzept entwickelt werden.

Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein zeigte sich
skeptisch, was die Zukunft des Warenhauskonzerns angeht. Echte konzeptionelle
Neuerungen seien weiterhin nicht in Sicht. Es bestehe die Gefahr, "dass auch die
dritte Insolvenz binnen vier Jahren ein Schrecken ohne Ende wird", sagte
Heinemann der "Rheinischen Post".

Gläubiger entscheiden Ende Mai

Der Warenhauskonzern hatte Anfang Januar einen Insolvenzantrag gestellt. Es
ist die dritte Insolvenz innerhalb von dreieinhalb Jahren. Als Grund für die
schwierige Lage nannte Galeria-Chef Olivier Van den Bossche damals unter anderem
die Insolvenzen der Signa-Gruppe des bisherigen Eigentümers René Benko. Deren
Schieflage hatte unmittelbare Auswirkungen: Finanzmittel für die Sanierung der
Warenhauskette, die Benko im Zuge der vorherigen Insolvenz zugesagt hatte,
flossen nicht mehr.

Seit Anfang April ist bekannt, dass ein Konsortium aus der
US-Investmentgesellschaft NRDC und der Gesellschaft BB Kapital SA des
Unternehmers Bernd Beetz die Kaufhauskette übernehmen will. Noch ist unklar, mit
welchem Konzept der Handelskonzern wieder nach vorn gebracht werden soll und in
welchem Umfang die neuen Eigentümer in das Geschäft investieren. Die zwischen
Investoren und Galeria geschlossene Vereinbarung kommt nur zustande, wenn die
Gläubiger zustimmen.

Beetz betonte, die Vereinbarung biete eine bessere und nachhaltigere
wirtschaftliche Grundlage für die Zukunft des Warenhauses. "Wir stehen weiterhin
zu unserem Angebot, Galeria wieder zu einem hochattraktiven Einzelhändler zu
machen und sehen den nächsten Schritten im Verfahren positiv entgegen."

Insolvenzverwalter Denkhaus will bis Ende April den Insolvenzplan für den
Eigentümerwechsel vorlegen. Rechtskräftig ist der Plan erst, wenn die
Gläubigerversammlung ihn am 28. Mai annimmt und dieser anschließend vom Gericht
erneut bestätigt wird. Bis Ende Juli will Denkhaus das Unternehmen an die neuen
Eigner übergeben./cr/hgo/DP/he

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