09.05.2024 16:10:01 - dpa-AFX: WDH/POLITIK: Iran: Chamenei-Berater droht mit Umdenken bei Nuklear-Doktrin

(Präzisierung der Quelle im 1. und 3. Absatz - sagte er in einem Interview,
über das Al Dschasira und mehrere iranische Staatsmedien berichteten.)

DOHA/TEHERAN (dpa-AFX) ? Im Konflikt mit Israel hat ein hochrangiger Berater der iranischen Führung mit einem neuen Kurs beim Atomprogramm gedroht. "Wir
haben keinen Plan für die Herstellung von Atomwaffen, aber falls das
zionistische Regime (Israel) es wagen sollte, unsere Atomanlagen anzugreifen,
dann sind wir gezwungen, unsere Nuklear-Doktrin zu revidieren", sagte der
außenpolitische Berater des obersten Führers Ajatollah Ali Chamenei, Kamal
Charrasi, in einem Interview, über das der arabische Nachrichtensender
Al-Dschasira und iranische Staatsmedien am Donnerstag berichteten.

Ähnlich hatte sich im April bereits ein iranischer Kommandeur geäußert. Das
iranische Außenministerium hatte die Aussagen des Kommandeurs daraufhin jedoch
zurückgewiesen. "Atomwaffen haben keinerlei Platz in der iranischen
Verteidigungsstrategie und unser Atomprogramm wird weiterhin im Einklang mit
internationalen Vorschriften sein", hatte Außenamtssprecher Nasser Kanaani
gesagt. Daher werde es auch keine Revision der Verteidigungsdoktrin geben. Auch
der Bau von Atomwaffen werde nicht angestrebt.

Berater Charrasi sagte nun, dass der Iran technisch durchaus in der Lage
sei, eine Atombombe zu bauen, dies aber nicht wolle. Aber falls die Existenz des
Landes durch israelische Angriffe gefährdet werden sollte, dann müsse der Iran
seine "Abschreckungspolitik" entsprechend ändern, sagte Charrasi in dem
Interview. Die Äußerungen wurden auch von mehreren iranischen Medien
weiterverbreitet. Charrasi war zwischen 1997 bis 2009 iranischer Außenminister
und davor Irans UN-Botschafter in New York.

Der Iran hat bislang immer behauptet, dass sein Land auch aus religiösen
Gründen nicht nach Atomwaffen strebe. Diesbezüglich bezog sich das Land auf eine
Fatwa - ein religiöses Rechtsgutachten - des obersten Führers. In diesem hatte
Chamenei sowohl den Bau als auch die Verwendung von Massenvernichtungswaffen
verboten. Der 85-jährige Kleriker ist das Staatsoberhaupt des Landes und hat
laut iranischer Verfassung in allen strategischen Fragen das letzte Wort.

Der Iran hatte sich 2015 in einem Abkommen verpflichtet, sein Atomprogramm
stark einzuschränken. Im Gegenzug wurden Sanktionen aufgehoben. Der Pakt, der
den Bau iranischer Atombomben verhindern sollte, wurde 2018 vom damaligen
US-Präsidenten Donald Trump aufgekündigt. Im Gegenzug baute Teheran die
Anreicherung von Uran stark aus und schränkte IAEA-Kontrollen ein. Derzeit
reichert der Iran Uran bis zu einem Reinheitsgrad von 60 Prozent an, für
Atomwaffen werden Experten zufolge mehr als 90 Prozent benötigt./str/pey/DP/stk

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