08.05.2024 16:29:08 - dpa-AFX: ROUNDUP: EU will eingefrorenes Russland-Geld für Aufrüstung der Ukraine nutzen

BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die EU will milliardenschwere Zinserträge aus
eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank zur Finanzierung von
Militärhilfen für die Ukraine nutzen. Vertreter der Mitgliedstaaten
verständigten sich am Mittwoch in Brüssel nach wochenlangen Verhandlungen auf
einen Plan dafür, wie die derzeitige belgische EU-Ratspräsidentschaft mitteilte.
Allein dieses Jahr sollen bis zu drei Milliarden Euro zusammenkommen.

Nach Kommissionsangaben sind rund 210 Milliarden Euro der russischen
Zentralbank in der EU eingefroren. Das in Brüssel ansässige Finanzinstitut
Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4 Milliarden Euro an Zinsen
eingenommen zu haben.

Den Vorschlag zur indirekten Verwendung russischer Gelder für die Ukraine
hatten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte den
Regierungen der EU-Staaten im März übermittelt. Er sieht vor, dass 90 Prozent
der nutzbaren Zinserträge aus der Verwahrung russischer Zentralbank-Gelder in
den EU-Fonds für die Finanzierung militärischer Ausrüstung und Ausbildung
geleitet werden sollen. Die restlichen 10 Prozent sollen für direkte
Finanzhilfen für die Ukraine genutzt werden.

Schwierig waren die Verhandlungen unter anderem, weil neutrale Staaten wie
Österreich sich nicht direkt an der Lieferung von Waffen und Munition beteiligen
wollen - für sie wurde nun vereinbart, dass die Zinserträge zum Teil auch für
andere Finanzhilfen verwendet werden. Zudem gab es Diskussionen darüber, wie
viel Geld Euroclear für seinen Aufwand einbehalten darf. Der Betrag reduzierte
sich im Lauf der Verhandlungen von 3 Prozent auf 0,3 Prozent. Es ist in der EU
das mit Abstand wichtigste Institut, das Vermögenswerte der russischen
Zentralbank verwahrt.

Die russischen Zentralbank-Gelder durch einen Enteignungsbeschluss direkt zu nutzen, ist bislang nicht geplant. Als ein Grund dafür gelten rechtliche
Bedenken und wahrscheinliche Vergeltungsmaßnahmen. Moskau hatte die EU bereits
im vergangenen Jahr davor gewarnt, das Eigentum des russischen Staates oder
russischer Bürger zu konfiszieren. Denkbar wäre es beispielsweise, dass dann
auch in Russland tätige Unternehmen aus EU-Ländern zwangsenteignet werden. Zudem
könnte eine direkte Nutzung der russischen Vermögenswerte auch dazu führen, dass
andere Staaten und Anleger das Vertrauen in den europäischen Finanzplatz
verlieren und Vermögen aus der EU abziehen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die EU zuletzt mehrfach
aufgefordert, die Risiken in Kauf zu nehmen. Es sei angemessen, sowohl die
Gewinne als auch die Vermögenswerte selbst zu nutzen, um den russischen Terror
zu stoppen, sagte er zuletzt in einer Videoansprache beim EU-Gipfel im März.
Russland müsse sich der tatsächlichen Kosten des Krieges und der Notwendigkeit
eines gerechten Friedens bewusst sein. Der stellvertretende ukrainische
Regierungschef Olexander Kubrakow hatte die von Russland verursachten
Kriegsschäden zuletzt auf 500 Milliarden Euro beziffert und sich dabei auf
Zahlen der Weltbank, der Europäischen Union und der Vereinten Nationen
berufen./aha/DP/nas

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH