03.05.2024 13:02:52 - dpa-AFX: ROUNDUP: Berlin übernimmt Fernwärme - Nächstes Ziel: Verzicht auf Kohle und

BERLIN (dpa-AFX) - Nach dem Kauf des Berliner Fernwärmenetzes steht das Land
Berlin nun vor der Aufgabe, die Wärmeerzeugung von Steinkohle und Gas
unabhängiger zu machen. "Im Moment haben wir 95 Prozent Steinkohle und Erdgas, 5
Prozent erneuerbare Energieträger. Das muss sich ändern", sagte
Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) am Freitag. "Berlin wird nicht
klimaneutral, wenn die Wärmeversorgung nicht klimaneutral wird."

Das Berliner Fernwärmenetz wird nun unter dem Namen Berliner Energie und
Wärme (BEW) betrieben. Das Land hat das Netz für 1,4 Milliarden Euro vom
schwedischen Energieversorger Vattenfall zurückgekauft. Der Regierende
Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sprach von einem historischen Tag. "Die
Dekarbonisierung der Fernwärme ist für die Klimaziele des Landes Berlin zentral.
Der Wärmesektor ist für rund die Hälfte der CO2-Emissionen verantwortlich",
sagte Wegner. Bis spätestens 2045 will der Senat die Hauptstadt klimaneutral
aufstellen - für Fortschritte bei der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung
bleibt also nicht allzu viel Zeit.

Entsprechend muss schnell investiert werden, zum Kaufpreis von 1,4
Milliarden Euro kommen in den nächsten Jahren absehbar weitere, hohe Kosten
hinzu. "Die Herausforderung bei diesem Umbau der Fernwärme ist, dass man auf
sehr viele unterschiedliche Quellen der Wärmeerzeugung setzen muss", sagte der
Energiespezialist Felix Matthes vom Öko-Institut in Freiburg im RBB-Inforadio.

"Das heißt, das Fernwärmenetz, was heute im Kern die Funktion hat, von
großen Kraftwerken Wärme zu den Verbrauchern zu bringen, wird auch in Zukunft
noch ein paar große Kraftwerke haben", sagte Matthes. Allerdings werde man
zusätzlich auch auf viele kleine Anbieter setzen und unterschiedliche
Wärmequellen nutzen müssen. Senatorin Giffey nannte für den Energiemix
Wasserstoff, Biomasse, Abwärme und auch Geothermie. "Die Wärme aus der Erde wird
für die Berliner Fernwärmeversorgung ein ganz wichtiger Punkt sein", sagte die
SPD-Politikerin.

Die Kunden, also die Berlinerinnen und Berliner, sollen das aber nicht in
hohen Preisen über die Fernwärmeverträge zahlen. "Wir gewährleisten mit der
Rückkehr der Fernwärme eine sichere, eine effiziente, eine nachhaltige
Energieversorgung - und das Ganze, das bleibt unser Ziel, zu fairen Preisen",
sagte dazu der Regierende Bürgermeister. Wirtschaftssenatorin Giffey betonte,
dass das Fernwärmenetz durch die Rekommunalisierung nicht profitgetrieben
agieren müsse.

Das Berliner Fernwärmenetz ist mit rund 2000 Kilometern Länge das größte
Westeuropas. Es versorgt etwa ein Drittel der Berliner Haushalte mit Wärme. Die
Zahl der angeschlossenen Kunden soll in den kommenden Jahren erhöht werden. Eine
Zielmarke gab Giffey nicht aus, über die strategischen Ziele müsse im Detail
noch gesprochen werden.

Mit dem Kauf des Fernwärmenetzes übernimmt das Land Berlin auch rund 2000
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bisher für die Vattenfall Wärme Berlin AG
gearbeitet haben. Ebenfalls in gleicher Position übernommen wurde der
Vorstandsvorsitzende Christian Feuerherd. Wer den Vorsitz des Aufsichtsrates
übernimmt, ist noch nicht abschließend geklärt. Giffey warb dafür, dass sie qua
Amt der Wirtschaftssenatorin diese Aufgabe übernehmen sollte.

Das Land Berlin hatte 1997 seine Anteile an der damaligen Bewag an private
Investoren verkauft, später wurde die Bewag an Vattenfall veräußert. "Damals
haben die politischen Verantwortlichen auch gesagt: "Wir wollen das Beste für
die Stadt." Aber am Ende zeigt sich eben doch, dass die wesentlichen Güter der
Daseinsvorsorge, Wasser, Strom, Wärme, in die öffentliche Hand gehören", sagte
Giffey./nif/DP/jha

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