26.04.2024 10:05:02 - dpa-AFX: Aktionäre fordern von Bayer-Chef Anderson mehr Tempo

FRANKFURT/LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Der seit fast einem Jahr amtierende Bayer
-Chef Bill Anderson muss sich auf der Hauptversammlung an diesem
Freitag mit reichlich Aktionärskritik auseinandersetzen. "Herr Anderson, Sie
haben im ersten Jahr am Kapitalmarkt kein Vertrauen aufbauen können", kritisiert
Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance beim
Vermögensverwalter Deka, in seiner Rede. Speich wie auch
Union-Investment-Manager Janne Werning fordern Lösungen für die Probleme der
Leverkusener. Das sind die Glyphosat- und PCB-Klagewellen in den USA, die hohe
Schuldenlast und die im Branchenvergleich zumindest auf kurze Sicht triste
Pharma-Pipeline. Anderson versuchte indes, Zuversicht zu verbreiten.

"Herr Anderson, Sie haben diese Probleme nicht selbst zu verantworten,
sondern von Ihrem Vorgänger geerbt. Aber Sie stehen jetzt in der Verantwortung,
Lösungen dafür zu finden", sagte der bei der Fondsgesellschaft Union Investment
für die Ausrichtung von ESG-Fonds verantwortliche Werning. Denn die Aktionäre
leisteten mit einem fast kompletten Dividendenverzicht für drei Jahre schon
ihren Beitrag, damit Bayer finanziell wieder auf die Beine komme.

Wegen des immensen finanziellen Drucks milliardenschwerer
US-Rechtsstreitigkeiten hatte Bayer im Februar angekündigt, für drei Jahre nur
das gesetzlich geforderte Minimum als Dividenden auszuschütten. Für 2023 sind
das elf Cent je Aktie.

Die Klagewelle in den USA wegen angeblicher Krebsrisiken glyphosathaltiger
Unkrautvernichter beschäftigt den Konzern seit Jahren und hat schon Milliarden
verschlungen. Analysten sehen zudem Milliardenrisiken durch US-Klagen im
Zusammengang mit schon seit Jahrzehnten verbotenen Umweltgift PCB. Beides ist
Erbe des 2018 für über 60 Milliarden US-Dollar übernommenen
US-Agrarchemiekonzerns Monsanto, den der damalige Bayer-Chef Werner Baumann auch
gegen den Widerstand nicht weniger Investoren durchgeboxt hatte. Zum Vergleich:
Bayer ist an der Börse nach jahrelangem Kursverfall aktuell umgerechnet nur noch
26,5 Milliarden Euro (rund 28 Mrd Dollar) wert.

Angesichts der Rechtsprobleme fehlte Bayer in den vergangenen Jahren Geld,
die Pharmasparte mit großen Übernahmen zu stärken. Zwar gab es zahlreiche
kleinere und mittelgroße Deals, bis sich diese nachhaltig auszahlen, dürfte es
aber noch länger dauern. In der Zwischenzeit nagt der schrittweise Wegfall von
Patenten auf bisherige Medikamenten-Klassenschlager am Umsatz.

Anderson, der Bayer seit Juni 2023 führt, versucht indes Zuversicht zu
verbreiten. "Es wird keine schnelle Lösung innerhalb eines Jahres sein, und es
wird schwierige Momente geben", sagte er laut Redetext mit Blick auf das neue
Führungsmodell, das mittelfristig angesichts des Abbaus von Managementstellen
viel Geld sparen und Bayer schneller machen soll. "Aber ich bin überzeugt, dass
es einen Weg gibt, die Wende bei Bayer zu schaffen", so Anderson weiter.

Deka-Manager Speich wünscht sich allerdings mehr. "Ja, Bayer muss schneller
und schlanker werden. Aber gibt es nicht noch drängendere Themen?", fragt er.
"Das Haus Bayer brennt lichterloh und Sie als Hausherr fangen zuerst einmal an
aufzuräumen, anstatt die Brände zu löschen." Trotz aller Altlasten habe Anderson
es versäumt, die nötigen Impulse zu setzen und den Kapitalmarkt von der neuen
Strategie zu überzeugen.

Nicht wenige Investoren hatten nach dem Wechsel an der Bayer-Spitze auf eine Aufspaltung des Konzerns oder zumindest einen Spartenverkauf gesetzt. Dem hatte
Anderson auf einem Kapitalmarkttag Anfang März aber eine Absage erteilt.

Eine komplette Aufspaltung wäre zeitaufwendig und angesichts der
Rechtsprobleme des Agrargeschäfts wohl nur unter großen Zugeständnissen möglich.
Und eine Trennung vom Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten wäre laut Anderson
mit hohen Kosten und Steuereffekten verbunden. Zudem generiert die Sparte
beständige finanziellen Zuflüsse - Geld, das Bayer gut gebrauchen kann.

Angesichts dieser Probleme fordert Deka-Experte Speich denn auch zunächst
eine Reduzierung der Rechtsrisiken. Und Werning von Union Investment sagt auch
mit Blick auf die Klagen: "Solange diese Kontroverse besteht, ist Bayer für
unsere nachhaltigen Publikumsfonds nicht investierbar."

Bayer arbeitet an dem Thema - laut einem Artikel des "Manager Magazin" -
mittlerweile stärker mit Lobbyarbeit in der US-Politik. Gleichzeitig erwägt das
Unternehmen laut Insidern ein juristisches Manöver. Der Dax
-Konzern konsultiere Anwälte und Berater mit Blick auf eine
Strategie, die als "Texas Two-Step" bekannt sei, hatte die Nachrichtenagentur
Bloomberg im März berichtet. Damit solle ein Vergleich für die noch offenen
Glyphost-Fälle erzwungen werden. Allerdings wurde diese Taktik bei großen
US-Firmen von den Gerichten auch schon abgelehnt./mis/nas/jha/
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
BAYER AG NA O.N. BAY001 Xetra 28,270 06.05.24 14:07:13 +0,250 +0,89% 28,260 28,275 28,100 28,020

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH