24.04.2024 16:59:11 - dpa-AFX: ROUNDUP/Trotz neuer Ukraine-Hilfen der USA: Scholz bleibt bei Nein zu Taurus

BERLIN (dpa-AFX) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will sich auch von neuen
Hilfszusagen der USA an die Ukraine nicht von seinem Nein zur Lieferung der
deutschen Taurus-Raketen abbringen lassen. Was die Marschflugkörper der
Bundeswehr mit einer Reichweite von 500 Kilometern angehe, "wird sich meine
Entscheidung nicht ändern", sagte Scholz am Mittwoch auf einer Pressekonferenz
mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak in Berlin. Die beiden wichtigsten
europäischen Waffenlieferanten der Ukraine versprachen dem von Russland
angegriffenen Land aber auch, in ihrer Hilfe nicht nachzulassen.

Beim verspäteten Antrittsbesuch Sunaks im Kanzleramt 18 Monate nach seiner
Ernennung als Premier vereinbarten die beiden Regierungschefs zudem eine engere
Rüstungskooperation. So wollen die beiden Länder zusammen eine ferngesteuerte
Haubitze entwickeln, die 155-Millimeter-Geschosse 40 Kilometer weit feuern
können soll. Außerdem soll die Zusammenarbeit im Energiebereich und bei der
Bekämpfung der organisierten Kriminalität ausgebaut werden.

Sunak ruft "neues Kapitel" in den Beziehungen aus

"Wir schlagen heute ein neues Kapitel in unserer Beziehung auf, eines, das
uns sicherer und wohlhabender machen wird", sagte Sunak zum Auftakt seines
Besuchs. Großbritannien und Deutschland stünden zu diesem gefährlichen Zeitpunkt
für die Welt Seite an Seite, um Sicherheit und Wohlstand zu Hause und auf dem
ganzen europäischen Kontinent zu erhalten.

Die weitere Unterstützung der Ukraine stand ganz oben auf der Tagesordnung
des Treffens. Wenige Stunden vor dem Eintreffen Sunaks in Berlin gab der
US-Kongress nach einer monatelangen Hängepartie grünes Licht für neue
Militärhilfen im Wert von 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro).
Möglicherweise werden die USA schon bald ATACMS-Raketen mit einer Reichweite von
300 Kilometern in die Ukraine schicken, mit denen russische Versorgungslinien
weit hinter der Front bekämpft werden können.

Sunak hat seinerseits gerade das bisher größte britische Militärpaket für
die Ukraine zugesagt. Neben 60 Kampfbooten und Hunderten gepanzerten Fahrzeugen
umfasst es auch weitere Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow. Die Zusagen der
amerikanischen und britischen Raketen mit großer Reichweite hat auch die Debatte
über die Lieferung der deutschen Taurus-Marschflugkörper wieder angeheizt.

Scholz zu Taurus: "Meine Entscheidung ist sehr klar"

Scholz will sich dadurch aber nicht beirren lassen. "Meine Entscheidung ist
sehr klar, was das eine Waffensystem betrifft", sagte er mit Blick auf Taurus.
"Meine Entscheidung ist aber auch klar, dass wir weiter der größte Unterstützer
der Ukraine in Europa sein werden, dass wir weiter mit Großbritannien die beiden
sein werden, die das meiste tun."

Scholz hat sich bisher bei der Lieferung von Waffensystemen neuer Qualität
stets an den USA orientiert. Das war bei der Bereitstellung weitreichender
Artillerie so und auch bei den Leopard-2-Panzern, die erst in die Ukraine
geschickt wurden, nachdem sich die USA zur Lieferung ihrer Abrams-Panzer
bereiterklärt hatten. Bei den Marschflugkörpern bleibt Scholz jetzt aber trotz
der US-Entscheidung bei seiner Absage.

Der Kanzler würdigte aber die Entscheidung des US-Kongresses für neue
Ukraine-Hilfen als ermutigendes und notwendiges Signal. "Diese Entscheidung
zeigt, dass (Russlands Präsident Wladimir) Putin sich verrechnet, wenn er
glaubt, die Staaten in Europa und den USA, all die anderen Unterstützer würden
die Ukraine irgendwann im Stich lassen. Wir werden das nicht tun", sagte Scholz.
"Deutschland und Großbritannien stehen gemeinsam an der Seite der Ukraine."

Asylpolitik: Kann britisches Ruanda-Modell Vorbild sein

Großbritannien gehört zwar seit mehr als vier Jahren nicht mehr der
Europäischen Union an, ist aber immer noch einer der wichtigsten Verbündeten
Deutschlands in Nato, G7 und G20. Sunak steht noch in diesem Jahr eine
Parlamentswahl bevor. Zwar taumelt seine Konservative Partei einer historischen
Niederlage entgegen. Nach Berlin kam er aber mit innenpolitischem Rückenwind.

In der Nacht zum Dienstag billigte das Parlament nach langem Streit Sunaks
umstrittenen Asylpakt mit Ruanda: Asylsuchende, die ohne gültige Papiere in
Großbritannien eintreffen, sollen künftig umgehend in das ostafrikanische Land
abgeschoben werden. Sie können dort Asyl beantragen, nach Großbritannien dürfen
sie aber - ungeachtet ihrer Herkunft - nicht mehr.

Auch in Deutschland werden die britischen Pläne mit Interesse verfolgt. Die
Union dringt seit langem darauf, Asylverfahren in Länder außerhalb der EU zu
verlagern. Die Bundesregierung hat den Ländern eine Prüfung zugesagt. Bis zur
nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 20. Juni sollen erste Ergebnisse
vorgelegt werden.

Auf der Pressekonferenz mit Sunak wollte Scholz sich nicht zu der Frage
äußern, ob das britische Modell Vorbild für Deutschland sein kann. Er verwies
stattdessen auf die bereits beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung irregulärer
Migration nach Deutschland und Europa. Sowohl dabei als auch bei der Anwerbung
von Fachkräften habe es "die weitreichendsten Veränderungen der letzten 20 bis
30 Jahre gegeben, und die werden jetzt auch ihre Wirkung entfalten"./mfi/DP/ngu

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