28.03.2024 12:27:47 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Ampel und Union beraten über Schutz für Verfassungsgericht

BERLIN (dpa-AFX) - Ampel-Koalition und Unionsfraktion verhandeln weiter über
einen Gesetzentwurf zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor Extremisten.
Aus der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag wurden der Deutschen Presse-Agentur in
Berlin am Donnerstag entsprechende Gespräche bestätigt. "Eine Einigung zu diesem
Entwurf gibt es nicht", sagte die stellvertretende Vorsitzende der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andrea Lindholz (CSU). "Die Unionsfraktion wird den
Entwurf nun sorgfältig prüfen und bewerten, bevor weitere Gespräche
stattfinden." Weitere Gespräche seien nach Ostern geplant, hieß es aus der
Fraktion. Die "Rheinische Post" hatte zuvor berichtet, Ampel und Union hätten
sich auf einen ersten Gesetzentwurf verständigt.

"Es trifft nicht zu, dass es bereits eine Einigung gibt", betonte auch eine
Sprecherin des Bundesjustizministeriums am Donnerstag. Mit der Einladung zu
einer weiteren Gesprächsrunde sei ein Arbeitsentwurf verschickt worden, über den
vertraulich beraten werden solle.

In einem Entwurf des Bundesjustizministeriums, der neben der "Rheinischen
Post" auch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt, heißt es, die
Neuregelung solle "dazu beitragen, Bestrebungen vorzubeugen, welche die
Unabhängigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit in Frage stellen wollen".

Buschmann sagte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland", das Verfassungsgericht habe sich "als Schutzschild der Grundrechte und tragende Säule unserer liberalen
Demokratie" erwiesen. Er hoffe auf die nötigen Mehrheiten, um die Unabhängigkeit
des Gerichts stärker im Grundgesetz zu verankern. Es gelte, aus den Erfahrungen
anderer Staaten zu lernen, um für potenzielle Gefahren gut gerüstet zu sein.
"Die traurige Erfahrung in Polen, in Ungarn und teilweise auch in Israel ist,
dass Verfassungsgerichte schnell politische Angriffsziele sein können."

Über die Verhandlungsbereitschaft der Union zeigte sich Buschmann erfreut.
"Es geht um unsere gemeinsame gesamtpolitische Verantwortung als seriöse
Demokraten. Diese Verantwortung steht über parteipolitischen
Auseinandersetzungen."

Lindholz betonte, ihre Fraktion sehe zwar "keine akute Gefahr für einen
Angriff auf das Bundesverfassungsgericht durch verfassungsfeindliche Parteien".
Man nehme die Bedenken und Diskussionen der vergangenen Wochen aber ernst und
sei offen für Gespräche über die Reform.

Ärger gab es in der Unionsfraktion darüber, dass der Entwurf Buschmanns
öffentlich wurde. Man erwarte, dass die Ampel-Parteien endlich zu einer seriösen
Zusammenarbeit zurückkehrten, hieß es. Es herrsche in der Union Unmut über die
wiederholte einseitige "Durchstecherei" aus als vertraulich vereinbarten
Gesprächen. Gerade bei bedeutenden Anliegen wie einer Grundgesetzänderung zur
Stärkung der Stellung des Bundesverfassungsgerichts sei Vertrauen nötig.

Zustimmung für die Reform kam am Donnerstag vom Deutschen Anwaltverein
(DAV). "Das Vorhaben wird den Rechtsstaat deutlich krisenfester machen", sagte
Vizepräsident Ulrich Karpenstein. Die Vorschläge dürften nun aber nicht
parteipolitisch zerrieben werden. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz
bezeichnete einen Schutz des Gerichts vor antidemokratischer Einflussnahme als
dringend notwendig und begrüßte den Vorschlag Buschmanns sowie die Rückkehr der
Union an den Verhandlungstisch. "Wir freuen uns auf zügige und konstruktive
Gespräche zu diesem wichtigen Thema."

Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hatte Justizminister Buschmann am
vergangenen Wochenende aufgefordert, einen Vorschlag zum Schutz des Karlsruher
Gerichts zu machen. "Wir sind offen, darüber zu sprechen, einen Kern bewährter
Strukturen des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz zu verankern", sagte
Merz den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Union nehme die Bedenken und
Diskussionen der vergangenen Wochen ernst. Jetzt sei Buschmann gefragt, einen
Gesetzentwurf vorzulegen.

Es wird diskutiert, etwa Details zur Wahl und Amtszeit von
Verfassungsrichtern nicht nur in einem Gesetz, sondern im Grundgesetz
festzuschreiben. So könnte verhindert werden, dass Richter nach einem
Regierungswechsel relativ einfach aus dem Amt entfernt werden könnten. Grund für
diese Überlegungen ist die Sorge vor dem wachsenden Einfluss extremer Parteien
in Deutschland. Für Änderungen des Grundgesetzes ist eine Zweidrittelmehrheit im
Bundesrat und im Bundestag nötig - die Union müsste also mitmachen.

Die Union hatte im Februar erste Gespräche mit der Erklärung beendet, sie
sehe keinen zwingenden Bedarf für die von der Ampel-Koalition angestrebte
Verfassungsänderung. Später zeigte sich Merz offen für weitere
Diskussionen./bk/DP/ngu

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