26.02.2024 05:15:06 - dpa-AFX: WDH: Die Kakao-Krise - Wird die Tafel Schokolade teurer oder kleiner?

(Wiederholung vom Wochenende)

BONN(dpa-AFX) - Schokoladen-Fans kann bei dem Anblick bange werden. Der
Preis für eine Tonne Rohkakao an der Rohstoffbörse in London kletterte zuletzt
steil nach oben - auf einen Rekordstand von umgerechnet knapp 5500 Euro. Zum
Vergleich: Anfang Januar hatte der Preis noch unter 4000 Euro gelegen, im
Februar vergangenen Jahres unter 2500 Euro. Die wichtigste Zutat für Schokolade
ist so teuer wie noch nie. Auch Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland
müssen damit rechnen, dass sie für die beliebte Süßigkeit bald tiefer in die
Tasche greifen müssen.

"Ein Kilo Kakao ist knapp drei Euro teurer als noch vor einem Jahr. Was das
für die Herstellungskosten einer 100-Gramm-Schokoladentafel bedeutet, die
zwischen 35 und 70 Prozent Kakao enthält, kann sich jeder selbst ausrechnen,
aber wir bewerten aktuell gesamthaft die Situation", sagt ein Sprecher des
Schokoladenherstellers Ritter Sport. Zu möglichen Preiserhöhungen will das
Unternehmen aus kartellrechtlichen Gründen nichts sagen. Solveig Schneider, die
stellvertretende Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen
Süßwarenindustrie (BDSI), erklärt: "Gestiegene Rohstoffpreise und Löhne können
zu Kostensteigerungen führen, die tendenziell an den Verbraucher weitergegeben
werden könnten."

Michele Buck, Chefin des US-Unternehmens Hershey, einem der weltweit größten Süßwarenhersteller, schloss eine Erhöhung der Preise nicht aus. "Angesichts der
aktuellen Lage bei den Kakaopreisen werden wir jedes Instrument in unserem
Werkzeugkasten nutzen, einschließlich der Preisgestaltung, um das Geschäft zu
steuern", sagte sie Mitte Februar bei der Vorstellung der Geschäftszahlen.
Alexander von Maillot, Deutschlandchef vom Schweizer Lebensmittelgigant Nestlé,
äußerte sich zuletzt ähnlich.

Kakaobäume nicht resistent gegen Virus

Der Preis für Kakao ist zuletzt vor allem deshalb so stark gestiegen, weil
das Angebot in den Anbauländern immer knapper wird. 60 Prozent der weltweiten
Kakaoproduktion entfallen auf die Elfenbeinküste und Ghana. Der Klimawandel
beeinträchtigt den Anbau erheblich. Häufigere Extremwettereignisse wie lange
Dürreperioden, Starkregen und Überflutungen haben der Umweltorganisation WWF
zufolge der Qualität des Kakaos geschadet, Erträge reduziert oder Ernten völlig
zerstört.

Längere Regenperioden führen auch zur Ausbreitung von Pflanzenkrankheiten
wie CSSVD. Das Virus, das von Blattläusen verbreitet wird, führt zum Absterben
der Kakaobäume. In Ghana sind laut Kerstin Weber, Umweltwissenschaftlerin beim
WWF, bereits 17 Prozent aller Anbauflächen betroffen, auch auf die
Elfenbeinküste greift CSSVD demnach über. Da Kakaobäume nicht resistent seien,
bestehe die einzig wirksame Behandlung darin, infizierte Bäume zu fällen und
neue zu pflanzen, sagt Weber. Das Virus könne sich so schnell verbreiten, weil
Kakao meist in Monokulturen angepflanzt werde.

Pro-Kopf-Verbrauch von Schokolade bei 9,3 Kilo

Die Süßwarenbranche beklagt die stark gestiegenen Kosten. EU-Zucker war 2023 laut BDSI 72 Prozent teurer als im Vorjahr, Kakaobutter legte um 52 Prozent zu,
Kakao um 43 Prozent. Die jüngsten Entwicklungen sind hier noch nicht voll
eingerechnet. Wie viel teuer wird Schokolade künftig sein? Lebensmittelkonzerne
wie Mondelez ("Milka") teilen dazu lediglich mit, die Festsetzung der
Endverbraucherpreise liege in der Verantwortung des Lebensmitteleinzelhandels.

Der Handel ist beim Thema Preise ebenfalls zurückhaltend, aus
Wettbewerbsgründen will man dazu und zu den Verhandlungen mit Herstellern nichts
sagen. Die weltweite Nachfrage sei deutlich größer als das Angebot, sagt ein
Sprecher von Rewe. Dennoch lasse sich "nicht per se ableiten, dass Schokolade
oder kakaohaltige Produkte" teurer werden. Gründe seien der intensive
Preiswettbewerb, laufende Verträge, Bevorratungen der Hersteller und der
tatsächliche Kakaoanteil. Der ist rechtlich vorgeschrieben. Nur wenn der Anteil
bei mindestens 35 Prozent liegt, darf ein Produkt Schokolade genannt werden.

Die Menschen in Deutschland waren zuletzt stark von Preissteigerungen
betroffen und mussten beim Konsum häufig sparsam, bei Schokolade jedoch weniger.
Laut den Marktforschern von NIQ legten die entsprechenden Produkte 2023 deutlich
zu, nicht nur aufgrund steigender Preise. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von
Schokoladenwaren in Deutschland ist stabil, 2023 lag er laut BDSI bei 9,3 Kilo.
Neue Preiserhöhungen schrecken viele Menschen offenbar nicht ab. 51 Prozent
geben in einer aktuellen Yougov-Umfrage an, dass ihr Schokoladenkonsum
unverändert bleiben würde, 37 Prozent würden weniger essen.

"Vor gut 20 Jahren kostete die Tafel 99 Pfennig"

Auch Armin Valet rechnet damit, dass Schokolade teurer wird. Der
Lebensmittel-Experte der Verbraucherzentrale kann sich auch vorstellen, dass die
klassische Tafel kleiner wird. Valet untersucht seit Jahren Produkte, die bei
gleichen oder steigenden Preisen schrumpfen. Zuletzt landeten viele Süßwaren auf
seiner Liste. "Die Hersteller und Händler wissen, dass Verbraucher bei
Genussprodukten wie Schokolade weniger auf den Preis schauen. Deshalb erhöhen
sie besonders gern die Preise", so Valet. In der Vergangenheit sei Schokolade
auch ohne gestiegene Rohstoffpreise regelmäßig teurer geworden. "Vor gut 20
Jahren kostete die Tafel 99 Pfennig, aktuell 1,49 Euro. Der Preis hat sich also
verdreifacht."

Die Kakao-Knappheit wird vermutlich kein kurzweiliges Phänomen sein. Der WWF beruft sich auf Studien, wonach die Produktion in Afrika noch wesentlich stärker
einbrechen könnte, weil die Mehrheit der Anbauflächen in Zukunft deutlich
weniger geeignet sein werde. Für viele der oft in Armut lebenden Kakaobauern
würde dann eine wichtige Einkommensquelle wegbrechen. Aktuell landen lediglich
etwa sechs Prozent des Preises einer durchschnittlichen Schokoladen-Tafel bei
den Farmern.

"Der Kakaoanbau hat in vielen Gebieten nur noch eine Zukunft, wenn
rechtzeitig die nötigen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel ergriffen
werden und auf widerstandsfähige, nachhaltige Anbausysteme umgestellt wird",
sagt Expertin Weber. Auch bei anderen andere Lebensmitteln wie Avocado, Kaffee,
Mango, Kokos, Papaya und Bananen kann es dem WWF zufolge klimabedingt künftig zu
größeren Schwankungen bei Verfügbarkeit und Preisen kommen./cr/DP/jha
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