25.04.2024 18:34:24 - dpa-AFX: ROUNDUP/Atomausstieg: Union verlangt Aufklärung zu Entscheidungsgrundlagen

BERLIN (dpa-AFX) - Die Grünen-Minister Robert Habeck und Umweltministerin
Steffi Lemke geraten unter Druck wegen der Entscheidungsfindung über eine
mögliche Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken vor zwei Jahren. Die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion verlangt dazu Aufklärung und beantragte
Sondersitzungen von Bundestagsausschüssen. Auslöser ist ein Bericht des Magazins
"Cicero", wonach sowohl im Wirtschafts- als auch im Umweltministerium im
Frühjahr 2022 interne Bedenken zum damals noch für den folgenden Jahreswechsel
geplanten Atomausstieg unterdrückt worden sein sollen - was beide Ministerien
aber bestreiten. Kurz zuvor hatte Russlands wichtigster Gaslieferant Russland
die Ukraine angegriffen, was in Deutschland Überlegungen zur Sicherung der
Energieversorgung auslöste.

Am Freitagmorgen kommen in Berlin die Ausschüsse für Klimaschutz und Energie sowie für Umwelt auf Antrag der Union zu Sondersitzungen zusammen. Aus Kreisen
der Unionsfraktion hieß es, man behalte sich einen parlamentarischen
Untersuchungsausschuss ausdrücklich vor. Es komme jetzt sehr auf die
Bereitschaft zur Transparenz von Wirtschaftsminister Habeck und Umweltministerin
Lemke an. Beide wollen zu den Sondersitzungen erscheinen, wie Sprecher beider
Ministerien der Deutschen Presse-Agentur sagten.

"Cicero" stützt seine Berichterstattung zum Thema auf internen
Schriftverkehr der beiden Ministerien. Ein Journalist des Magazins hatte
erfolgreich auf die Herausgabe der bis dahin unter Verschluss gehaltenen
Unterlagen geklagt.

Konkret geht es unter anderem um Folgendes: Mitarbeiter von Habecks
Ministerium argumentierten im Entwurf eines Vermerks vom 3. März 2022, unter
bestimmten Umständen könne eine begrenzte Laufzeitverlängerung der verbleibenden
deutschen Atomkraftwerke bis in das folgende Frühjahr sinnvoll sein. Sie rieten
dazu, diese Möglichkeit weiter zu prüfen. Das Papier liegt auch der Deutschen
Presse-Agentur in Berlin vor. In der Leitungsebene lag das Dokument laut
Ministerium nur Staatssekretär Patrick Graichen vor, einem Parteifreund Habecks,
der später nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft das Amt räumen musste - den
Minister hätte es damit nicht erreicht.

Das Wirtschaftsministerium sagt dazu, das Papier sei eingeflossen in einen
später veröffentlichten Prüfvermerk der Ministerien für Wirtschaft und Umwelt,
in dem diese sich gegen eine Laufzeitverlängerung aussprachen - unter Verweis
auf die "sehr hohen wirtschaftlichen Kosten, verfassungsrechtlichen und
sicherheitstechnischen Risiken", wie es in einer Pressemitteilung hieß. "Die
Darstellung ist verkürzt und ohne Kontext, und entsprechend sind die daraus
gezogenen Schlüsse nicht zutreffend", sagte eine Sprecherin zur
Berichterstattung insgesamt.

Das Bundesumweltministerium wies Vorwürfe eines "ideologischen Handelns"
zurück und sprach außerdem von "medienseitigen Missverständnissen". Die Prüfung
sei "sorgfältig und ausschließlich sachorientiert" erfolgt, so das Ministerium,
das für die nukleare Sicherheit zuständig ist.

Die umweltpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Anja Weisgerber (CSU),
sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: "Wenn fachliche Argumente der
Parteilinie geopfert werden, dann führt das nicht nur zu schwerwiegenden
Fehlentscheidungen, sondern untergräbt auch das Vertrauen in die Politik und die
Verwaltung insgesamt." Der energiepolitische Sprecher Andreas Jung (CDU)
verlangte Aufklärung von Habeck. "Dazu muss er persönlich Rede und Antwort
stehen und alle Unterlagen auf den Tisch legen." Im Raum stehe der Vorwurf, dass
Öffentlichkeit und Parlament bewusst "mit Verdrehung von Fakten" getäuscht
worden seien.

Auch der FDP-Energiepolitiker Michael Kruse äußerte scharfe Kritik an
Habeck: "Die Habeck-Papers zeigen, dass Deutschland beim Kernkraftausstieg
wissentlich hinter die Fichte geführt wurde. Ich bin von Robert Habeck
enttäuscht, denn den Bürgern dieses Landes und auch seinen Koalitionspartnern
wurde die Wahrheit vorenthalten."

Am 15. April 2023 hatte Deutschland den Atomausstieg endgültig vollzogen und die letzten drei Meiler abgeschaltet. Die Kraftwerke hätten ursprünglich bereits
zum Jahreswechsel davor vom Netz gehen sollen, der Betrieb war aber zur
Sicherung der Stromversorgung verlängert worden. Die Grünen hatten sich lange
gegen einen solchen Schritt gewehrt, schließlich aber das von Habeck und den
AKW-Betreibern im September 2022 vorgelegte Konzept einer vorübergehenden
Einsatzreserve für zwei der drei letzten deutschen Atomkraftwerke unterstützt.
Die FDP war grundsätzlich für eine längere Laufzeit. Im Oktober 2022 sprach
Kanzler Olaf Scholz (SPD) dann ein Machtwort für den Weiterbetrieb aller drei
Meiler bis zum Frühjahr.

Ursprünglich geht der deutsche Atomausstieg zurück auf die Entscheidung
einer schwarz-gelben Bundesregierung unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel
(CDU). Sie reagierte damit auf die Atomkatastrophe von Fukushima 2011./hrz/DP/zb
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
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