25.11.2025 17:54:48 - dpa-AFX: ROUNDUP 3: Familienunternehmer laden AfD ein - scharfe Kritik
(neu: Reaktionen auf dem Arbeitgebertag: Klingbeil, Merz,
Arbeitgeberpräsident Dulger)
BERLIN (dpa-AFX) - Die neue Offenheit des Verbandes der Familienunternehmer
gegenüber der AfD ist für andere Wirtschaftsverbände kein Anlass für einen
Kurswechsel. Die Parteiführung rechnet jedoch damit, dass die Entscheidung
mittelfristig dazu führen wird, dass mehr Unternehmer Kontakt zur AfD suchen
werden. Die Grünen würden genau das gerne verhindern.
IW: AfD radikaler als ähnliche Parteien im Ausland
"Gegen die AfD sprechen eine Vielzahl von manifesten ökonomischen Gründen",
sagt der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther,
dem "Handelsblatt". Dennoch gelte: "Dass Unternehmen auf kommunaler Ebene über
Standortfragen auch mit Vertretern der AfD, wenn sie dort in Verantwortung sind,
sprechen, ist wohl unvermeidbar." Im Ausland werde oft nicht verstanden, dass
die AfD - im Gegensatz zu den meisten anderen ähnlichen Parteien in Europa -
"sich immer weiter radikalisiert hat".
Weidel erwartet "weitere Lockerung"
Die AfD-Parteivorsitzende, Alice Weidel, ist laut ihres Sprechers, Daniel
Tapp, seit dem Einzug der Partei in den Bundestag 2017 "im regelmäßigen
Austausch mit mittelständischen Unternehmen" sowie mit Vertretern von Industrie-
und Handelskammern. "Aufgrund der Angst vor Ausgrenzung und Brandmarkung, finden
die Gespräche meist im vertraulichen Rahmen statt", fügt er hinzu. Die
Entscheidung des Verbandes der Familienunternehmer begrüße Weidel. "Wir rechnen
damit, dass diese Entscheidung ein Auslöser für eine weitere Lockerung des
Verhältnisses unterschiedlicher Unternehmen zur AfD sein wird."
Handwerkschef: Populismus schadet der Wirtschaft
Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich,
sagte im Gespräch mit dem Sender "Welt TV": "Das ist nicht die Aufgabe von
Wirtschaftsvertretung, über politische Brandmauern zu entscheiden." Der
Handwerksverband müsse schauen: "Wer steht für die Wirtschaft, was wird dafür
getan?" Gleichzeitig gelte: "Und wir haben zu brandmarken, wenn Populismus der
Wirtschaft schadet."
Digitalverband bleibt auf Abstand zur AfD
Das sieht der Verband der Digitalwirtschaft, Bitkom, anders. Die AfD sei
"digitalpolitisch rückwärtsgewandt, gesellschaftlich auf Spaltung und Abgrenzung
ausgerichtet und stellt den demokratischen Rechtsstaat infrage", hieß es seitens
des Verbandes. Man biete Politikerinnen und Politikern der AfD auf den
Veranstaltungen und Digitalkonferenzen keine Plattform - "eine Änderung dieser
grundsätzlichen Linie ist nicht geplant".
Der Verband Die Familienunternehmer hatte zu einem Parlamentarischen Abend
in einer Niederlassung der Deutschen Bank Reaktionen auf dem
Arbeitgebertag: Klingbeil, Merz, Arbeitgeberpräsident Dulger) in Berlin im
Oktober erstmals auch Vertreter der AfD eingeladen. Die Präsidentin des
Verbandes, Marie-Christine Ostermann, sagte dem "Handelsblatt", das
"Kontaktverbot" zu AfD-Bundestagsabgeordneten sei mit dem jüngsten
Parlamentarischen Abend aufgehoben worden.
Bereits im Frühjahr sei im Verband beschlossen worden, "dass wir mit
einzelnen AfD-Fachpolitikern ins Gespräch kommen", sagte sie. Die Partei müsse
inhaltlich gestellt werden. In einer Mitteilung des Verbandes hieß es: "Wir
Familienunternehmer wollen keine Regierung mit AfD-Beteiligung."
Klingbeil: AfD ist arbeitgeber- und arbeitnehmerfeindliche Partei
Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) sagte auf dem Arbeitgebertag in Berlin
mit Blick auf die Diskussion in der Unternehmenswelt über den Umgang mit der
AfD: "Diese Partei schadet unserem Land." Die AfD sei eine arbeitgeber- und
arbeitnehmerfeindliche Partei. Sie habe keine deutschen und europäischen
Interessen. Die demokratische Mitte müsse Lösungen finden. "Aber dafür macht man
nichts mit den Rechtsextremen", sagte der SPD-Chef. Auch Bundeskanzler Friedrich
Merz (CDU) warnte vor Populismus von rechts.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte, ohne die AfD zu nennen: "Das
Vertrauen in die Parteien der Mitte wird zurückkehren, wenn die Probleme
angepackt und gelöst werden." Wenn diese Koalition Erfolg haben wolle, dann
müsse sie handeln.
Grünen-Abgeordnete: "Vorfeldorganisation des Kreml"
In einer gemeinsamen Erklärung üben die Grünen-Politiker Konstantin von Notz
und Andreas Audretsch Kritik an der Kontaktaufnahme des Verbandes zur AfD: "Wir
können uns schlicht nicht vorstellen, dass die Mitglieder im Verband der
Familienunternehmen sich von diesem Agieren repräsentiert fühlen." Jedes
Mitgliedsunternehmen, das eine Kooperation mit der Partei ablehne, sollte
Ostermann nun "deutlich in die Schranken weisen". Die beiden
Bundestagsabgeordneten betonen, gefährlich sei eine Zusammenarbeit auch aus
folgendem Grund: "Die AfD betätigt sich immer wieder als Vorfeldorganisation des
Kreml und anderer autoritärer Staaten."
Der Ökonom Marcel Fratzscher warnte davor, die AfD wie eine normale Partei
zu behandeln. Dies "könnte erheblichen Schaden für die deutsche Wirtschaft im
Ausland wie im Inland anrichten", sagte der Präsident des Deutschen Instituts
für Wirtschaftsforschung dem "Handelsblatt". Verbände und Unternehmen dürften
"politisch wie gesellschaftlich klare Positionen beziehen und diese öffentlich
und sichtbar kommunizieren".
Deutsche Bank zieht die Reißleine
Eine praktische Folge der neuen Gesprächsbereitschaft des
Familienunternehmer-Verbandes gegenüber der AfD ist, dass er sich für seinen
nächsten Parlamentarischen Abend einen anderen Veranstaltungsort suchen muss.
Denn die Deutsche Bank verweigert dem Verband eine weitere Nutzung. Man sei
"übereingekommen, die Räumlichkeiten künftig dem Verband nicht mehr zur
Verfügung zu stellen", erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus informierten
Kreisen. Zuvor hatten das "Handelsblatt" und andere Medien berichtet.
"Keine Kenntnis von der Gästeliste"
Ein Sprecher des größten deutschen Geldhauses in Frankfurt bestätigt, dass
das Institut die Berliner Räumlichkeiten für diese Veranstaltung zur Verfügung
gestellt habe. Die Bank habe "aber keine Kenntnis von der Gästeliste und auch
keinen Einfluss darauf" gehabt. Im Atrium der Deutschen-Bank-Filiale Unter den
Linden finden immer wieder interne und externe Veranstaltungen statt./abc/DP/stw