25.06.2024 09:10:09 - dpa-AFX: WDH/ROUNDUP/Baerbock in Nahost: Hisbollah neben Gazastreifen Hauptthema

(Exakte Verortung Herzlija-Sicherheitskonferenz bei Tel Aviv im 2. Absatz)

JERUSALEM (dpa-AFX) - Außenministerin Annalena Baerbock setzt mit einem
Gespräch mit dem Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde
(PA), Mohammed Mustafa, in Ramallah ihre zweitägigen Krisengespräche im Nahen
Osten fort. Bei der Unterredung am Dienstagmorgen (8.00 Uhr) dürfte es auch um
die Reformbemühungen der PA gehen. Die Autonomiebehörde könnte aus Sicht der
Grünen-Politikerin in einer Nachkriegsordnung im Gazastreifen eine wichtige
Rolle spielen.

Auf der Herzlija-Sicherheitskonferenz in der Nähe der Küstenmetropole Tel
Aviv hatte Baerbock am Vorabend erklärt, wenn man wolle, dass die PA irgendwann
die Rolle der legitimen Regierungsbehörde in Gaza übernehme, müsse diese in der
Lage sein, dies zu gewährleisten - auch mit Polizei- und Sicherheitskräften. Die
Ministerin fordert schon länger eine Reform der Autonomiebehörde. Sie warnte
aber: "In der gegenwärtigen Situation ist es gefährlich und kontraproduktiv,
etablierte PA-Strukturen zu zerstören und zu destabilisieren." Genau dies
bewirke aber die illegale Ausweitung israelischer Siedlungsprojekte im
Westjordanland.

Baerbock strebt wie viele Partner in Europa, den USA und der Region eine
Zweistaatenlösung zwischen Israelis und Palästinensern an, bei der ein
unabhängiger palästinensischer Staat friedlich Seite an Seite mit Israel
existiert. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt eine solche Lösung
ebenso ab wie die islamistische Hamas.

Ein Treffen Baerbocks mit Netanjahu ist diesmal nicht geplant. Bei der
jüngsten Unterredung zwischen beiden Politikern Mitte April war es zu einer
lautstarken Auseinandersetzung gekommen. Es ist bereits die achte Reise
Baerbocks nach Israel seit der blutigen Terrorattacke der Hamas am 7. Oktober.

Gespräch mit Benny Gantz

Am Montagabend traf sich Baerbock in Jerusalem mit Ex-General Benny Gantz,
der kürzlich Netanjahus Kriegskabinett verlassen hatte, weil die Regierung
keinen Plan für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen erarbeitet. Bis heute hat
Netanjahu einen solchen Plan nicht vorgelegt - wohl auch, um seine ultrarechten
Koalitionspartner, von denen sein politisches Überleben abhängt, nicht vor den
Kopf zu stoßen. Diese fordern eine Wiedererrichtung israelischer Siedlungen im
Gazastreifen. Über Inhalte des Gesprächs wurde zunächst nichts bekannt.

Am Dienstag will Baerbock auch mit ihrem Kollegen Israel Katz
zusammenkommen. Im Mittelpunkt dürften dabei das Vorgehen Israels im
Gazastreifen sowie die dramatische humanitäre Lage der Zivilbevölkerung dort
stehen. Später ist ein Treffen mit Angehörigen von Entführungsopfern geplant,
die weiterhin im Gazastreifen festgehalten werden.

Baerbock in Beirut - Sorge um Eskalation mit der Hisbollah

Vor dem Hintergrund wachsender Sorgen vor einer Eskalation des Konflikts
zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah-Miliz im Libanon fliegt Baerbock
am Nachmittag in den Libanon weiter. In der Hauptstadt Beirut sind vor der
Rückreise nach Berlin Gespräche mit dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten
Nadschib Mikati und dem geschäftsführenden Außenminister Abdullah Bou Habib
geplant.

Vollständigen Rückzug der Hisbollah verlangt

Bei der Herzlija-Konferenz hatte Baerbock einen vollständigen und
nachweisbaren Rückzug der schiitischen Hisbollah-Miliz aus dem Grenzbereich des
Libanons zu Israel verlangt. Die Zunahme der Gewalt an der Nordgrenze Israels
bereite große Sorgen. "Das Risiko einer unbeabsichtigten Eskalation und eines
umfassenden Krieges wächst täglich. Daher ist äußerste Vorsicht geboten", sagte
Baerbock.

Israel will durch diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Miliz hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es
eine UN-Resolution vorsieht. Notfalls sei Israel aber auch zu einem größeren
Militäreinsatz bereit, warnte der israelische Verteidigungsminister Joav Galant
kürzlich.

Luftangriff im Süden des Gazastreifens - Raketenalarm in Israel

Bei einem israelischen Luftangriff in Chan Junis im Süden des Gazastreifens
wurden am Montag nach Krankenhausangaben mindestens sieben Palästinenser
getötet. Nach Angaben von Einwohnern der Stadt hatten die Getöteten im Auftrag
der Hamas humanitäre Hilfslieferungen begleitetet. Hilfsorganisationen warnen
vor dem Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung und Chaos. Erstmals seit Wochen
gab es am Montag in der israelischen Küstenstadt Aschkelon wieder Raketenalarm.
Nach Angaben von Sanitätern verletzten sich zwei Menschen, als sie in
Schutzräume liefen. Mehrere andere erlitten demnach Schocks.

Bei einer Ansprache im israelischen Parlament in Jerusalem bekräftigte
Netanjahu, der Krieg werde nicht enden, bevor alle 120 Geiseln - die Lebenden
und die Toten - wieder zurückgekehrt seien. "Wir sind dem israelischen Vorschlag
verpflichtet, den US-Präsident Biden begrüßt hat. Unsere Position hat sich nicht
verändert", sagte er. Netanjahu unterstrich gleichzeitig das Ziel der Zerstörung
der Hamas. Außerdem werde man "um jeden Preis und auf jede Art die Absichten des
Irans, uns zu zerstören, vereiteln".

Galant führt Gespräche in Washington

In Washington traf Israels Verteidigungsminister Joav Galant mit
US-Außenminister Antony Blinken zusammen. Sie sprachen über die Bemühungen um
eine Waffenruhe in Gaza, die zu einer Freilassung der israelischen Geiseln und
zu Erleichterungen für die palästinensische Bevölkerung führen könnte. Blinken
habe Galant über die aktuellen diplomatischen Bemühungen um Sicherheit und
Wiederaufbau in Gaza nach Beendigung des Konflikts informiert, sagte Sprecher
Matthew Miller./bk/le/DP/tih

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