14.06.2024 15:03:43 - dpa-AFX: ROUNDUP: Bundesrat billigt höhere Rente und mehr Spielraum für Tempo-30-Zonen

BERLIN (dpa-AFX) - Rentenerhöhung, Geld für die Schiene und Nachbesserungen
bei Cannabis - der Bundesrat hat unter mehrere Vorhaben einen Haken gesetzt. Zu
weiteren Beratungen in den Gesundheitsausschuss überwiesen wurde bei der Sitzung
am Freitag ein von acht Ländern eingebrachter Gesetzentwurf zur Einführung der
Widerspruchslösung bei Organspenden. Die Vertreterinnen und Vertreter der Länder
beschäftigten sich auch mit Cannabis und Lachgas. Ihre wichtigsten Beschlüsse:

Mehr Rente

Die Renten steigen zum 1. Juli um 4,57 Prozent. Erstmals fällt die Erhöhung
für die mehr als 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Ost und West gleich
aus. Eine Rente von 1000 Euro steigt damit um 45,70 Euro. Im Herbst waren die
offiziellen Schätzer noch von einem Plus von nur rund 3,5 Prozent ausgegangen.
Hauptgründe für die stärkere Erhöhung sind der stabile Arbeitsmarkt und gute
Lohnabschlüsse.

Zugang zu Online-Leistungen der Verwaltung

Dass die deutsche Verwaltung in puncto Digitalisierung im europäischen
Vergleich nicht in der Top-Liga mitspielt, ist bekannt. Das nun beschlossene
Onlinezugangsgesetz 2.0 sieht jetzt ein einheitliches elektronisches Konto für
alle Verwaltungsdienstleistungen vor. Die Kommunikation der Bürgerinnen und
Bürgern mit den Behörden soll mithilfe der neuen Deutschland-ID komplett online
ablaufen können. Das Gesetz bezieht sich im engeren Sinn zwar nur auf
Bundesverwaltungen wie etwa die Bundesagentur für Arbeit oder das für das Bafög
zuständige Amt für Ausbildungsförderung. Es soll aber auch auf die Länder und
Kommunen ausstrahlen. Bund und Länder sollen gemeinsam Standards entwickeln, die
dann für alle Beteiligten verbindlich sind. Zur besseren Akzeptanz des zentralen
Bundeskontos (Bund-ID) soll ein vereinfachtes Log-in beitragen.

Geringere Mindeststrafe für Weiterleitung von Missbrauchsdarstellungen

Ohne Debatte wurde entschieden, das Strafmaß für die Verbreitung sogenannter Kinderpornografie zu reformieren. Nach Kritik von Fachleuten hatte der Bundestag
das Mindeststrafmaß für die Verbreitung von einem Jahr auf sechs Monate, für den
Abruf und Besitz solchen Materials auf drei Monate gesenkt. Wegen der
Heraufsetzung der Mindeststrafe im Jahr 2021 war es zuletzt nicht mehr möglich,
von einer Bestrafung abzusehen - Taten, die im Strafgesetzbuch mit einer
Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis belegt sind, gelten nämlich als
Verbrechen. Deshalb mussten etwa auch Mütter, Väter oder Lehrkräfte mit einer
Haftstrafe rechnen, wenn sie Nacktfotos aus Schüler-Chats weiterleiten, um
Kollegen oder andere Eltern zu alarmieren. Das wurde nun wieder geändert.

Länderkammer dringt auf Elementarschadenpflichtversicherung

Im Streit um die Einführung einer verpflichtenden
Elementarschadenversicherung für Gebäude haben die Länder den Druck erhöht. Der
Bundesrat verwies in einem Entschließungsantrag auf die jüngsten
Hochwasserkatastrophen und unterstrich erneut die dringende Notwendigkeit,
"schnellstmöglich eine flächendeckende Elementarschadenpflichtversicherung
einzuführen". Ziel müsse es sein, für die Betroffenen eine bezahlbare
finanzielle Absicherung gegen die massiven materiellen Schäden zu schaffen.

Grünes Licht für Gesetz zur Sanierung des Schienennetzes

Mit der Reform des Bundesschienenwegeausbaugesetzes kann sich der Bund
künftig direkt auch an Kosten der Unterhaltung und Instandhaltung des
Schienennetzes beteiligen - und nicht nur an Bauprojekten. Das Gesetz ist
wichtig für die milliardenteure Generalsanierung wichtiger Bahnstrecken. Bis zum
Jahr 2030 will die Bahn 40 hoch belastete Strecken grundlegend sanieren, um
wieder pünktlicher und zuverlässiger zu werden. Los geht es Mitte Juli auf der
Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim.

Reform des Straßenverkehrsgesetzes unter Dach und Fach

Die Reform sieht vor, dass Städte und Gemeinden mehr Spielraum etwa für die
Einrichtung von Busspuren und Tempo-30-Zonen bekommen sollen. Künftig sollen
auch Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen
Entwicklung berücksichtigt werden
- die Sicherheit des Verkehrs darf nicht beeinträchtigt werden. Das
Straßenverkehrsgesetz ist Grundlage für das Verkehrsrecht. Seit langem fordern
Verkehrs- und Umweltverbände eine Modernisierung - damit Kommunen vor Ort mehr
entscheiden und umsetzen können. Die Straßenverkehrs-Ordnung muss noch geändert
werden.

Nachbesserungen bei Cannabis

Für den künftig erlaubten Anbau von Cannabis in Vereinen kommen strengere
Regeln. Der Bundesrat ließ Änderungen des erst seit kurzem geltenden
Legalisierungsgesetzes passieren, die der Bund den Ländern zugesagt hatte. Sie
zielen darauf, dass die ab 1. Juli möglichen Anbauvereine nicht zu großen
Plantagen werden. Unter anderem können Genehmigungen verwehrt werden, wenn
Anbauflächen in einem "baulichen Verbund" oder unmittelbarer Nähe mit denen
anderer Vereine stehen. Flexibler als ursprünglich vorgesehen sind Kontrollen
der Vereine zu handhaben. Generell sind Kiffen und privater Cannabis-Anbau für
Volljährige seit dem 1. April mit zahlreichen Vorgaben legal.

Reform des Waffenrechts mit Zusatzregeln zu Messern angemahnt

Mit ihrem Entwurf für eine Reform des Waffenrechts kommt
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht voran, vor allem wegen Bedenken
der FDP. Jetzt hat der Bundesrat auf Initiative Niedersachsens die
Bundesregierung gebeten, in den Beratungen über eine mögliche Gesetzesnovelle
ein generelles Verbot von Springmessern zu prüfen, sowie ein Verbot des Führens
von Messern mit feststehender Klinge bereits ab sechs Zentimeter Klingenlänge
und weitere Einschränkungen beim Führen von Waffen insbesondere in öffentlichen
Verkehrsmitteln und Bahnhöfen.

Bundesregierung soll sich um Lachgas kümmern

In einer weiteren Entschließung forderte die Länderkammer die
Bundesregierung auf, den Verkauf von Lachgas, insbesondere an Kinder und
Jugendliche, so einzuschränken, dass damit Missbrauch verhindert wird. Die
zunehmende Verwendung als Partydroge mache eine solche Regelung notwendig. Der
niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) verwies auf teils
schwere und langfristige gesundheitliche Folgen.

Glyphosat-Verordnung erlaubt keinen Einsatz in Kleingärten

Für den Unkrautvernichter Glyphosat gelten nach der erneuten EU-Zulassung in Deutschland weiterhin Anwendungsbeschränkungen. Das legt eine Verordnung von
Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) fest, der der Bundesrat mit einigen
Änderungen zustimmte. Untersagt ist demnach der Einsatz in Haus- und Kleingärten
und in Wasserschutzgebieten. In der Landwirtschaft bleiben die Vorsaat- und
Nacherntebehandlung auf Äckern und ein flächiger Einsatz auf Wiesen verboten.

Windräder und Industrieanlagen sollen schneller gebaut werden

Der Bundesrat stimmte Änderungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes zu, die
den Bau von Windrädern und Industrieanlagen deutlich beschleunigen sollen. Das
Gesetz betrifft alle Anlagen, die Lärm verursachen oder sonstige potenziell
schädliche Einwirkungen auf die Umwelt haben können. Dazu gehören etwa auch
Abfallentsorgungsanlagen, Walz-Werke, Gießereien und Anlagen zur Herstellung von
grünem Wasserstoff.

Schutz von Minderjährigen bei Auslandsehen

Das Verbot von Kinderehen bleibt bestehen, im Ausland geschlossene Ehen
unter Beteiligung von Unter-16-Jährigen bleiben unwirksam. Betroffene sollen
künftig aber, anders als bisher, Unterhaltsansprüche geltend machen können.
Außerdem soll es einfacher für Paare werden, die nach Erreichen der
Volljährigkeit wieder Eheleute sein wollen.

Mehr Möglichkeiten für Video-Verhandlung

In Gerichtsverfahren soll künftig häufiger Videokonferenztechnik zum Einsatz kommen. Bereits heute können mündliche Verhandlungen per Videokonferenz
durchgeführt werden an Zivilgerichten und Fachgerichten wie Verwaltungs-,
Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichten. Der ursprüngliche Entwurf der
Ampel-Koalition sah noch weitreichendere Regelungen vor. Die Länderkammer, die
das Vorhaben in den Vermittlungsausschuss schickte, drang hier jedoch auf
Änderungen. Es sei gut, dass auch in Zukunft kein Richter vom heimischen Sofa
aus urteilen könne, sagte Baden-Württembergs Justizministerin, Marion Gentges
(CDU). "Vielfach fehlt es noch an ausreichender Technik für Video-Verhandlungen,
auch veraltete Software, überlastete Datennetze und fehlender IT-Support bremsen
die Entwicklung", sagte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds,
Sven Rebehn. Hier sei mehr finanzielles Engagement auch des Bundes vonnöten.

Bundesrat schlägt Einschränkungen für Laien als Verteidiger vor

Auf Initiative Bayerns beschloss der Bundesrat, einen Gesetzentwurf zur
Laienverteidigung bei Strafprozessen in den Bundestag einzubringen. Mit
Erlaubnis des Gerichts dürfen nicht nur Rechtsanwälte und Rechtslehrer an
deutschen Hochschulen, sondern auch Laien als Verteidiger agieren. Die Hürden
für solche Ausnahmen sollen aus Sicht der Länderkammer nun erhöht werden. Die
Begründung: Extremisten könnten die Ausnahmereglung zur Selbstinszenierung
missbrauchen. Künftig sollten als Laien nur noch volljährige Angehörige,
Vertreter von Verbänden und unentgeltlich arbeitende Volljuristen, die nicht als
Rechtsanwälte arbeiten, die Verteidigung übernehmen./abc/DP/ngu

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