26.05.2024 14:40:32 - dpa-AFX: VERMISCHTES: Meeresschildkröten legen Eier in Griechenland auffällig früh ab

ATHEN (dpa-AFX) - An den Westküsten Griechenlands ist die Unechte
Karettschildkröte Jahr für Jahr bei der Eiablage zu beobachten. Nun sind
Umweltschützer besorgt: Bereits am 11. Mai hat die auf Meeresschildkröten
spezialisierte griechische Organisation Archelon auf der Insel Zakynthos ein
Nest der gefährdeten Art entdeckt. Gut eine Woche früher als in den Jahren zuvor
und damit ein klares Zeichen für veränderte Umweltbedingungen, mahnt sie.

Zur Eiablage kommen die Weibchen der Unechten Karettschildkröte (Caretta
caretta) nachts an Land, zurück an jenen Ort, an dem sie vor über drei
Jahrzehnten aus dem Ei geschlüpft sind. Laut der Deutschen Stiftung Meeresschutz
erreichen die Tiere erst im Alter von 35 bis 39 Jahren die Geschlechtsreife.
Ihre Panzer messen mittlerweile womöglich gut 100 Zentimeter, insgesamt wiegen
sie bis zu 110 Kilogramm, manche Exemplare werden noch größer. Mühsam wuchten
die Schildkröten ihr Gewicht Dutzende Meter über den Strand, buddeln ein Loch,
legen rund 100 Eier ab und schaufeln anschließend mit ihren Flossen Sand über
das Nest, bevor sie wieder im Meer verschwinden. Dieses Jahr ist das Schauspiel
in Griechenland besonders früh zu bestaunen - glücklich sind Tierschützer
darüber nicht.

"Die Überprüfung von Zeitreihendaten aus früheren Jahren bestätigte, dass
zum ersten Mal so früh im Mai in der Laganas-Bucht auf Zakynthos ein Nest
gefunden wurde", sagt Aliki Panagopoulou, Forschungskoordinatorin bei Archelon.
Nur wenige Tage später registrierten Mitarbeiter der Organisation die ersten
Nester an der Westküste der Halbinsel Peloponnes und im Norden Kretas -
ebenfalls früher als je zuvor, seit sie Daten aufzeichnen.

"Wissenschaftler haben bereits 2016 prognostiziert, dass sich die Brutzeit
wegen des Klimawandels verschieben würde", sagt Panagopoulou. Meeresschildkröten
seien sehr empfindlich, was veränderte Bedingungen angehe. "Vor allem
Temperaturen spielen eine große Rolle: Die Tatsache, dass die Brutzeit früher
beginnt, deutet darauf hin, dass die Schildkröten sich anpassen, um die sehr
hohen Temperaturen im Sommer zu vermeiden." Laut dem Europäischen Klimabericht
2023 war die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Meere im vergangenen
Jahr so hoch wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen - mancherorts lagen sie
bis zu 5,5 Grad über den Durchschnittswerten.

Dass die Schildkröten früher Eier ablegen, sei an sich nicht so schlimm,
sagt Panagopoulou. Viel schlimmer seien die Auswirkungen von Wärme auf die Brut:
"Höhere Temperaturen im Nest wirken sich auf das Geschlecht des Nachwuchses aus:
Es schlüpfen mehr Weibchen, was die Ratio zwischen Männchen und Weibchen
verändert und dazu führen kann, dass die gesamte Population in Zukunft noch
stärker schrumpft, weil die Weibchen schließlich kaum mehr Männchen zur
Fortpflanzung finden."

Ohnehin haben es die kleinen Schildkröten reichlich schwer: Wenn sie
schlüpfen, müssen die Winzlinge die weite Strecke über den Strand ins Meer
zurücklegen. Fressfeinde lauern, Möwen in der Luft, Raubfische im Wasser. Von
1000 geschlüpften Schildkröten erreiche nur eine Handvoll ein
fortpflanzungsfähiges Alter, heißt es bei Archelon.

Und immer wieder müssen Umweltschützer Touristen davon abhalten, Schaden
anzurichten. So kann schon das kleinste Geräusch Schaulustiger dazu führen, dass
Muttertiere den Nestbau und die Eiablage abbrechen und zurück ins Meer flüchten.
Einmal angelegt, müssen die Nester geschützt werden, damit sie nicht zertrampelt
oder die Eier von Hunden ausgebuddelt werden. Und auch Tierfreunde, die frisch
geschlüpften Schildkröten helfen und sie ins Meer tragen wollen, richten Schaden
an: Der anstrengende Weg über den Sand ist notwendig, damit die Jungtiere Kraft
entwickeln. Als weitere kritische Faktoren gelten Umweltverschmutzung,
Schifffahrt, Wassersport und Fischerei - etwa wenn sich die Tiere in Netzen
verfangen.

Die Organisation Archelon, die es seit über 40 Jahren gibt, kann dennoch
Erfolge vorweisen, etwa indem sie Brutstellen identifiziert und schützt. "Fast
alle Populationen in Griechenland sind mittlerweile stabil oder konnten, etwa
auf Kreta, sogar zulegen", sagt Panagopoulou./axa/DP/he

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH