23.05.2024 17:42:23 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP 2/Neukaledonien: Macron will mit strittiger Reform warten

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NOUMÉA (dpa-AFX) - Angesichts der schweren Unruhen im französischen
Überseegebiet Neukaledonien will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine
umstrittene Reform zunächst zurückhalten. Die von Paris geplante
Verfassungsänderung sollte Tausenden französischstämmigen Bewohnern der
Inselgruppe im Südpazifik das Wahlrecht einräumen und hatte Proteste ausgelöst.
"Ich habe mich dazu verpflichtet, dass diese Reform derzeit im aktuellen Kontext
nicht in Kraft tritt", sagte Macron nach langen Gesprächen mit politischen
Verantwortlichen in der Inselhauptstadt Nouméa am Donnerstag. Man wolle sich
einige Wochen Zeit geben, damit die Situation sich beruhige und politische
Gespräche wieder aufgenommen werden könnten. Die Reform sei politisch aber
legitim.

Macron forderte von den politischen Kräften vor Ort, in den kommenden
Stunden und Tagen zu einem Ende der Blockaden aufzurufen. "Der Weg in die
Zukunft ist von der Glut blockiert." Anschließend solle der aktuell geltende
Ausnahmezustand aufgehoben werden und der politische Dialog wieder beginnen. In
einem Monat wolle er dann erneut auf die Situation schauen und Entscheidungen
treffen.

Im Kern dreht sich der Konflikt um das Verhältnis des etwa 1500 Kilometer
östlich von Australien gelegenen Archipels zu Frankreich. Die Inselgruppe
genießt weitgehende Autonomie. Bei drei Volksabstimmungen 2018, 2020 und 2021
stimmten die Bewohner der ehemaligen französischen Kolonie für einen Verbleib
bei Frankreich. Seit dem letzten, von den Separatisten boykottierten Votum,
stocken jedoch die Gespräche über einen neuen Status. Eigentlich sollte dieser
bereits bis zum vergangenen Juni gefunden sein. Für Frankreich ist Neukaledonien
vor allem militärisch und geopolitisch sowie wegen großer Nickelvorkommen von
Bedeutung.

Macron betonte nun, sein Ziel sei es, dass eine umfassende Einigung über die Wählerschaft, die Staatsbürgerschaft, einen neuen Sozialvertrag, die
Kräfteverteilung und die wirtschaftliche Zukunft gefunden werden solle. Es müsse
nun Vertrauen zwischen den Dialogpartnern wiedergefunden werden. Derzeit gebe es
keine gemeinsame Zukunftsvision zwischen Loyalisten und
Unabhängigkeitsbefürwortern auf der Inselgruppe. Der Staatschef mahnte: "Unsere
kollektive Verantwortung ist immens."

Bei den Krawallen, die vor mehr als einer Woche begannen, wurden zahlreiche
Geschäfte zerstört und geplündert. Der Flughafen von Nouméa ist weiterhin für
alle kommerziellen Flüge geschlossen. Frankreich entsandte zusätzliche
Sicherheitskräfte auf die Inselgruppe. Diese würden so lange wie nötig in
Neukaledonien bleiben, sagte Macron. Inzwischen hat sich die Lage etwas
beruhigt. Der Sender 1ère Nouvelle-Calédonie zitierte aber einen Lokalpolitiker
mit den Worten, dass sich die Situation auch jederzeit wieder verschlimmern
könne. "Es herrscht ein unbeschreibliches Chaos", sagte er./rbo/DP/ngu

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