23.05.2024 13:48:35 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Geduldete propalästinensische Uni-Besetzung stößt auf Kritik

BERLIN (dpa-AFX) - Propalästinensische Aktivisten wollen Räume der Berliner
Humboldt-Universität laut einer Vertreterin so lange besetzen, bis ihre
Forderungen erfüllt sind. Am Nachmittag, während einer geplanten
Diskussionsveranstaltung, wolle man mit der Hochschulleitung über eine
Verlängerung der Besetzung verhandeln, erklärte die Sprecherin am Donnerstag der
Deutschen Presse-Agentur. In der Berliner CDU-Fraktion und der Gewerkschaft der
Polizei stößt der Protest auf Kritik.

Aktivisten haben am Mittwoch aus Protest gegen Israel und zur Unterstützung
der Palästinenser Räume des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hochschule
besetzt. Außerdem waren nach Polizeiangaben etwa 320 Personen zu einer
unangemeldeten Kundgebung zusammengekommen. Im Zuge der Proteste wurden demnach
23 propalästinensische Aktivisten kurzzeitig festgenommen, um deren Identität
festzustellen. Es handelte sich um 18 Männer und fünf Frauen, wie die Polizei am
Donnerstag mitteilte.

Es wurden 25 Strafermittlungsverfahren eingeleitet, unter anderem wegen der
Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Sachbeschädigung
und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Ein Polizist wurde bei dem Einsatz
verletzt, konnte seinen Dienst aber fortsetzen.

Laut der Aktivisten-Sprecherin haben etwa 100 Personen von verschiedenen
Berliner Hochschulen am besetzten Sozialwissenschaftlichen Institut übernachtet.
Sie dürfen ihren Protest bis Donnerstagabend fortsetzen. Bis 18 Uhr ist die
Besetzung laut Hochschulsprecherin Christiane Rosenbach geduldet. Wie das
weitere Vorgehen aussehe, könne sie nicht sagen. "Es ist eine dynamische
Situation", sagte sie.

Am Donnerstag war die Berliner Polizei vor dem besetzten Institut präsent.
Vor dem Gebäude hielten sich Aktivisten auf - zum Teil mit Palästinensertüchern
vermummt. Am Gebäude hingen Transparente, unter anderem mit der Aufschrift "Free
Palestine".

Die Duldung der Besetzung sei falsch, denn sie könnte als Ermunterung für
weitere Straftaten missverstanden werden, erklärte Burkard Dregger,
innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. "In
Berlin und an unseren Hochschulen ist kein Platz für Hass und Antisemitismus.
Wir werden nicht zulassen, dass irrlichternde Aktivisten unsere
Forschungsstätten als Bühne missbrauchen", betonte er. Der
wissenschaftspolitische Sprecher der CDU, Adrian Grasse, sagte: "Eine kleine
Gruppe verblendeter, menschenverachtender Antisemiten diskreditiert seit dem 7.
Oktober den exzellenten Ruf unserer Hochschulen. Deshalb dürfen wir nichts
dulden, auch nicht wegsehen, sondern die Verantwortlichen zur Rechenschaft
ziehen."

Kritik kam auch von der Gewerkschaft der Polizei: "Es gilt die Autonomie der Lehre und gerade Universitäten sollten als Ort des Austauschs und der Diskussion
gelten", betonte Sprecher Benjamin Jendro. Das sei aber keine
Legitimationsgrundlage, um sich außerhalb des demokratischen Rahmens zu bewegen,
antisemitische und menschenverachtende Parolen zu grölen, verfassungsfeindliche
Plakate hochzuhalten und Sachbeschädigungen zu begehen.

Der Konflikt im Nahen Osten ist inzwischen an deutschen Hochschulen
angekommen. Immer wieder gibt es Proteste gegen das Vorgehen Israels im
Gaza-Krieg und Aktionen Studierender für eine Solidarität mit den
Palästinensern. Eine Besetzung an der Freien Universität Berlin vor wenigen
Wochen war von der Polizei aufgelöst worden.

Die Besetzer der Gruppe namens Student Coalition Berlin werfen Israel in
einer Mitteilung "Völkermord" und "laufende Massenmorde" vor. Es gehe um die
"bedingungslose Solidarität mit dem palästinensischen Volk". Von Berliner
Hochschulen fordern sie unter anderem, dass diese sich für einen sofortigen und
bedingungslosen Waffenstillstand von Israel einsetzen und Druck auf die deutsche
Regierung ausüben solle. Diese solle ein Waffenembargo gegen Israel verhängen
und alle militärischen, finanziellen und diplomatischen Hilfen an Israel
beenden.

Nach dem Massaker der Hamas mit mehr als 1200 Toten am 7. Oktober in Israel
kamen im folgenden Gaza-Krieg laut der von der Hamas kontrollierten
Gesundheitsbehörde mehr als 35 000 Palästinenser ums Leben, wobei die unabhängig
kaum zu überprüfende Zahl nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern
unterscheidet./anj/DP/ngu

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