21.05.2024 09:10:47 - dpa-AFX: ROUNDUP/UN: Fast die Hälfte der Graslandschaften in schlechtem Zustand

BONN (dpa-AFX) - Die natürlichen Graslandschaften - mehr als die Hälfte der
globalen Landfläche - sind in großen Teilen in schlechtem Zustand. Bei bis zu 50
Prozent dieser Rangelands genannten Gebiete sei die Bodenqualität vermindert,
schreiben Fachleute in einem UN-Bericht, der am Dienstag veröffentlicht wurde.

Es handle sich um "eine ernsthafte Bedrohung für die
Nahrungsmittelversorgung der Menschheit und das Wohlergehen oder gar Überleben
von Milliarden von Menschen", teilte das Sekretariat des Übereinkommens der
Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Desertifikation (UNCCD) in Bonn mit.

"Wenn wir einen Wald abholzen, wenn wir einen 100 Jahre alten Baum umfallen
sehen, löst das bei vielen von uns zu Recht eine emotionale Reaktion aus. Die
Umwandlung uralter Weideflächen hingegen geschieht in aller Stille", sagte
UNCCD-Exekutivsekretär Ibrahim Thiaw.

Ein Großteil der Erde besteht aus Rangelands

Unter Rangelands versteht man verschiedene, von Wild und Vieh beweidete
Landschaften mit vorrangig natürlicher Vegetation. Zu diesen naturnahen
Graslandschaften gehören unter anderem Prärien, Steppen, Savannen, Buschland,
Wüsten und Tundren. Wälder und intensiv genutzte Agrarflächen gehören hingegen
nicht dazu.

Insgesamt machen Rangelands laut UN-Bericht rund 54 Prozent der Landfläche
auf der Erde aus. "Sie stehen für ein Sechstel der weltweiten
Nahrungsmittelproduktion und stellen fast ein Drittel des Kohlenstoffspeichers
der Erde dar", schreibt die UNCCD. Insgesamt seien rund zwei Milliarden Menschen
auf diese Gebiete angewiesen. 84 Prozent der Rangelands werden demnach für
Viehzucht genutzt.

Zu den Problemen gehören dem Report zufolge unter anderem eine geringe
Fruchtbarkeit der Böden und wenig Nährstoffe, Erosion, Versalzung und
Verdichtung des Bodens. "Alle diese Faktoren tragen zu Trockenheit,
Niederschlagsschwankungen und dem Verlust der biologischen Vielfalt über und
unter der Erde bei."

Negative Auswirkungen durch neues Ackerland

Als Hauptgründe für die schlechte Situation gibt die UNCCD vor allem
Änderungen der Landnutzung an. So werden Weiden in Ackerland umfunktioniert,
auch getrieben von der rasant wachsenden Nachfrage nach Nahrungsmitteln,
Textilfasern und Biosprit. Zudem ist es demnach problematisch, wenn Weiden
übermäßig durch Tierherden beansprucht werden - oder sie nicht mehr durch Hirten
gepflegt werden und verwildern. Auch die Klimakrise und der Verlust der
biologischen Vielfalt machten Weidelandschaften zu schaffen, so die UNCCD.

In vielen westafrikanischen Staaten seien rund 80 Prozent der Bevölkerung in der Viehzucht beschäftigt. In Zentralasien und der Mongolei würden 60 Prozent
der Landfläche als Weideland genutzt, fast ein Drittel der Bevölkerung lebe dort
von der Viehzucht. Große Rangelands gibt es zudem in Nord- und Südamerika, in
weiten Teilen Afrikas sowie in Australien.

In den USA seien große Teile des Grünlands allerdings in Ackerland
umgewandelt, einige kanadische Grünlandgebiete würden durch großangelegte
Bergbau- und Infrastrukturprojekte geschädigt. In Europa seien viele Rangelands
Urbanisierung, Aufforstung und Erzeugung erneuerbarer Energien gewichen, so der
Bericht.

Und in Deutschland?

In Deutschland gibt es nach der UNCCD-Definition keine Rangelands, wie eine
Karte in dem Bericht zeigt. Zwar gebe es hierzulande auch Grasland, sagte
Grünlandexpertin Anja Schmitz vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) der Deutschen
Presse-Agentur. Es mache etwa ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche
aus. Bis auf wenige Ausnahmen sei die hiesige Graslandvegetation jedoch nicht
natürlich, sondern durch landwirtschaftliche Nutzung entstanden, sagte Schmitz.
Anders als die Rangelands wird das Grünland hierzulande durch die
Bewirtschaftung geformt, gedüngt, gepflegt und oft werden gezielt Gräser gesät.
Wiesen werden mehrfach im Jahr gemäht und Nutztiere stehen auf eingezäunten
Weiden.

Doch auch in Deutschland gebe es naturnahe Weidewirtschaft, sagte Schmitz.
Man denke beispielsweise an Almen in den Bergen oder wandernde Schäfer, die mit
ihren Tieren zum Erhalt von bedeutenden Grünlandbiotopen in der Kulturlandschaft
beitragen. Wo Tiere weiden, sei die Artenvielfalt in der Regel größer als auf
häufig gemähten Wiesen, sagte Schmitz.

Die UNCCD-Experten empfehlen unter anderem, den sogenannten Pastoralismus
besser zu schützen. Darunter versteht man eine Jahrtausende alte Art zu leben,
bei der teils umherziehende Hirten unter anderem Schafe, Ziege, Rinder, Pferde,
Kamele, Yaks und Lamas halten. "Obwohl ihnen weltweit schätzungsweise eine halbe
Milliarde Menschen angehören, werden Naturweidewirtschaft betreibende
Gemeinschaften häufig übersehen, haben kein Mitspracherecht bei sie betreffenden
politischen Entscheidungen, werden an den Rand gedrängt und sogar oft als
Außenseiter in ihrem eigenen Land betrachtet", sagte Thiaw/vf/DP/jha

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