04.05.2024 15:45:11 - dpa-AFX: WDH/POLITIK/Studie: Stimmungstief und Rechtsruck bei junger Generation

(Berichtig wird die Meldung vom 23. April: Einordnung AfD-Wert von 22
Prozent. Im 1. Absatz wurde konkretisiert, dass sich der Anteil von 22 Prozent
für die AfD auf die Befragten bezieht, die überhaupt eine Parteipräferenz haben
und die wählen wollen. Am Ende des 1. Absatzes wurde dazu ein Erklärsatz
ergänzt. Im 7. Absatz wurde im ersten Satz ergänzt "mit Parteipräferenz". Zudem
wurde im 7. Absatz ein Satz zum Anteil derer ergänzt, die überhaupt nicht wählen
wollen.)

BERLIN (dpa-AFX) - Jugendliche und junge Erwachsene sind einer Studie
zufolge immer unzufriedener und wenden sich stärker der AfD zu. 22 Prozent der
14- bis 29-Jährigen, die überhaupt eine Parteipräferenz haben und die wählen
gehen wollen, würden für die AfD votieren, wenn jetzt Bundestagswahl wäre. Das
sind mehr als doppelt so viele wie noch vor zwei Jahren, wie aus einer am
Dienstag vorgelegten repräsentativen Befragung für die Studie "Jugend in
Deutschland 2024" hervorgeht. 2022 hatten sich noch 9 Prozent für die AfD
ausgesprochen, im vergangenen Jahr waren es 12 Prozent. Berechnet auf alle für
die Studie Befragten würden somit rund 14 Prozent der 14- bis 29-Jährigen die
AfD wählen.

Junge Generation wird immer unzufriedener

Für die Studie der Jugendforscher Simon Schnetzer, Klaus Hurrelmann sowie
des Politikwissenschaftlers Kilian Hampel wurden im Januar und Februar gut 2000
junge Leute von 14 bis 29 Jahren repräsentativ befragt: nach ihrer
Parteipräferenz, ihren größten Sorgen, der Zufriedenheit mit ihrer persönlichen
Lage (Finanzen, Gesundheit, berufliche Chancen) und der gesellschaftlichen Lage
(Wirtschaft, Zusammenhalt, politische Verhältnisse, Lebensqualität in
Deutschland). Das Ergebnis: Die junge Generation wird im Vergleich zu den
Befragungen der Vorjahre immer unzufriedener, besonders mit der
gesellschaftlich-wirtschaftlichen Lage.

Nach den Auswirkungen der Corona-Zeit stünden nun wirtschaftliche und
politische Sorgen um die Zukunft im Vordergrund, etwa wegen der Inflation, hoher
Mieten, der Kriege in der Ukraine und in Nahost oder wegen einer Spaltung der
Gesellschaft, schreiben die Autoren. "Es wirkt so, als hätte die Corona-Pandemie
eine Irritation im Vertrauen auf die Zukunftsbewältigung hinterlassen, die sich
in einer anhaltend tiefen Verunsicherung niederschlägt."

Die Zufriedenheit mit der eigenen finanziellen Lage, den beruflichen
Chancen, der Gesundheit und der sozialen Anerkennung liegt zwar insgesamt auf
einer Skala von "sehr zufrieden" bis "sehr unzufrieden" weiterhin leicht im
positiven Bereich, aber überall sind Rückgänge zu sehen. Eher unzufrieden mit
der wirtschaftlichen Entwicklung, dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und den
politischen Verhältnissen war die junge Generation auch schon 2022 und 2023.

Besonders die Zufriedenheit mit den politischen Verhältnissen ist dieses
Jahr aber noch einmal deutlich gesunken. Die Sorgen mit Blick auf den
Klimawandel gehen zurück und wachsen dafür bei Themen wie Inflation, Wirtschaft
oder Altersarmut.

Deutlicher Rechtsruck in der jungen Bevölkerung

"Wir können von einem deutlichen Rechtsruck in der jungen Bevölkerung
sprechen", sagte Hurrelmann. "Während die Parteien der Ampel-Regierung in der
Gunst immer weiter absinken, hat die AfD besonders großen Zulauf."

18 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die schon eine
Parteipräferenz haben, würden demnach die Grünen wählen, 2022 waren es noch 27
Prozent gewesen. Die FDP sackte in der Umfrage ab von 19 auf 8, die SPD verlor
von 14 auf 12 Prozent. Die Union verbesserte sich der Umfrage zufolge bei jungen
Menschen von 16 auf 20 Prozent, das neue Bündnis Sahra Wagenknecht kommt auf 5
Prozent. Die Zahl derjenigen, die auf die Frage, wen sie wählen würden, mit "Ich
weiß es nicht" antworteten, stieg deutlich von 19 Prozent vor zwei Jahren auf
heute 25 Prozent. Zudem gaben 10 Prozent an, nicht wählen zu wollen.

Auffällig ist, dass trotz gestiegener Zustimmungswerte für die AfD, die
meisten jungen Menschen in einer ganz zentralen Frage eine andere Meinung haben
als die rechtspopulistische Partei. Der Aussage "Deutschland wäre ohne die EU
besser dran", stimmten nur 13 Prozent zu, 56 Prozent nicht. Hier blieb das
Meinungsbild relativ stabil.

Sehr stark gesunken ist den Autoren zufolge aber im Vergleich zur
Shell-Jugendstudie von 2019 die Zustimmung zur Aufnahme vieler Flüchtlinge. 57
Prozent waren damals dafür, in der vorliegenden Studie sind es nur noch 26
Prozent. "Hier hat offensichtlich ein heftiger Meinungsumschwung in der jungen
Generation stattgefunden", schreiben die Autoren.

Aus der Erhebung ergebe sich für die Regierungsparteien "das eindeutige
Signal, dass sie auch im Blick auf die junge Generation eine Einwanderungs- und
Flüchtlingspolitik betreiben müssen, die das positive Potenzial von Migration
für die Zukunft in Deutschland fördert und lösungsorientiert mit den damit
verbundenen Ängsten umgeht", heißt es. "Hier gibt es offensichtlich ein
erhebliches Kommunikationsdefizit."

AfD punktet bei Tiktok - Regierung zieht spät nach

Apropos Kommunikation: Wer nicht auf relevanten Social-Media-Kanälen und
Plattformen aktiv ist, wird der Studie zufolge von jungen Menschen schlichtweg
nicht zur Kenntnis genommen. Die AfD ist auf der Videoplattform Tiktok schon
lange aktiv und hat dort viele Follower. Die Partei erreiche die junge
Generation in einem großen Ausmaß. "Den anderen Parteien ist dringend anzuraten,
hier nachzuziehen."

Die Befragung zeigt, dass sich die Mehrheit (57 Prozent) der Jugendlichen
und jungen Erwachsenen über Nachrichten und Politik auf Social-Media-Kanälen
informiert. 92 Prozent nutzen regelmäßig WhatsApp, dahinter kommen Instagram (80
Prozent) und Youtube (77 Prozent). Tiktok nimmt an Bedeutung zu: Inzwischen
nutzen mit 51 Prozent mehr als die Hälfte aller 14- bis 29-Jährigen die App
regelmäßig, vor einem Jahr waren es noch 44 Prozent.

So langsam reagiert auch die Bundesregierung: Gesundheitsminister Karl
Lauterbach (SPD) hat vor Kurzem einen Tiktok-Kanal gestartet, Bundeskanzler Olaf
Scholz (SPD) ebenfalls. Und es gibt neuerdings auch einen WhatsApp-Kanal der
Regierung, der über Entscheidungen und Vorhaben der Ampel informiert./jr/DP/mis

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