25.04.2024 16:13:57 - dpa-AFX: HINTERGRUND 2: Mangel an Ärzten und Pflegekräften droht zu wachsen - Was ist

BERLIN (dpa-AFX) - Wachsende Personalnot im deutschen Gesundheitswesen:
Wegen fehlender Fachkräfte werden Patientinnen und Patienten künftig
voraussichtlich verstärkt ambulant und mit Video und Telefon versorgt. Gutachter
im Auftrag der Regierung haben am Donnerstag einen ineffizienten Einsatz von
Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte kritisiert. Gesundheitsminister Karl
Lauterbach warnte bei der Entgegennahme des Gutachtens in Berlin vor einer Lücke
von allein 50 000 Ärztinnen und Ärzten in den kommenden zehn Jahren.
Patientinnen und Patienten müssen sich nach den Worten des SPD-Ministers auf
eine deutlich veränderte Versorgung in den kommenden Jahren einstellen.

Viele Ärzte und Pflegekräfte in Deutschland

Eigentlich habe Deutschland "relativ viele Fachkräfte in der Arbeit",
stellte der Vorsitzende des Sachverständigenrats Gesundheit und Pflege, Michael
Hallek, fest. So gebe es hierzulande etwa 1,2 Millionen Menschen in der
Krankenpflege, etwa 700 000 in der Altenpflege, etwa 700 000 medizinische
Fachangestellte und ungefähr 500 000 Ärzte. Allerdings: Mehr Patientinnen und
Patienten als in anderen Industriestaaten werden in Deutschland im Krankenhaus
behandelt, wie das Gutachten hervorhebt.

Heute gilt oft stationär vor ambulant

So zähle die Zahl an Belegungstage im Krankenhaus in Deutschland zu den
höchsten in Europa - der Grund: hohe Fallzahlen und immer noch lange
Verweildauern in der Klinik. Dabei seien die medizinischen Ergebnisse in
Deutschland nicht besser, die Lebenserwartung liege nicht höher als anderswo,
sagte Hallek. Grund für die vielen Klinikbehandlungen in Deutschland sind laut
Gutachten nicht nur die zahlreichen Älteren mit mehreren Krankheiten. Kliniken
würden vielmehr auch "fehlende Versorgungsmöglichkeiten in anderen Bereichen"
ausgleichen. Lauterbach: "Jetzt schon sind 5000 Hausarztpraxen nicht besetzt.
Das wird deutlich zunehmend."

Ärztemangel - oder doch nicht?

Für das Fehlen von insgesamt zehntausenden Ärzte machte Lauterbach mangelnde Vorsorge verantwortlich. "Wir haben die letzten zehn Jahre ungefähr 5000
Medizinstudienplätze zu wenig gehabt - also pro Jahr." Durch eine zunehmende
Zahl von ausländischen Ärzten habe der Mangel bisher weitgehend kompensiert
werden können. Laut Bundesärztekammer erreichte die Zahl der Medizinerinnen und
Mediziner ohne deutsche Staatsangehörigkeit vergangenes Jahr mit knapp 64 000
eine neue Höchstmarke. Doch nun konkurriere Deutschland zunehmend mit anderen
Ländern, so Lauterbach. "Das wird so nicht weitergehen können." Hallek wollte
von einem "dramatischen Mangel" bei den Ärzten dagegen noch nicht sprechen, auch
der Zuspruch des Medizinstudiums sei hoch.

Lage droht sich zu verschärfen

Doch einig sind sich Lauterbach und das siebenköpfige Gutachtergremium in
dem grundsätzlichen Befund: Die Situation drohe sich insgesamt zu verschärfen.
"Wir haben mit einem erheblichen Fachkräftemangel zu rechnen", sagte der
Minister. Laut den Gutachtern dürfte der allgemeine Fachkräftemangel und das
Älterwerden der Gesellschaft dazu führen, dass es nicht mehr Pflegekräfte,
Ärztinnen und Ärzte sowie andere Angehörige von Gesundheitsberufen gibt, aber
der Bedarf in der Bevölkerung an Versorgung zunimmt. Lauterbach sagte mit Blick
auf die Krankenhäuser: "Wir haben nicht die Ärzte und auch nicht das
Pflegepersonal, die 1720 Standorte am Netz zu halten."

Altenpflege in Konkurrenz zu Kliniken im Nachteil

Der Minister bezeichnete auch die Zahl der benötigten Fachkräfte in der
Pflege als viel größer als die Zahl der ausgebildeten Kräfte. Laut Deutscher
Stiftung Patientenschutz geraten die Altenheime und Pflegedienste dabei in der
Konkurrenz mit den Kliniken ins Hintertreffen. Schon heute könnten viele
Pflegeeinrichtungen Schichten nur minimal oder gar nicht mit Fachkräften
besetzen, sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. Fraglich
sei, ob sich viele Ausgelernte nach der Vereinheitlichung der Pflegeausbildung
für die Altenpflege entscheiden. "Schließlich zahlen Krankenhäuser nach
Berufsabschluss deutlich mehr. Auch sind die Arbeitszeiten hier verlässlicher."

Experten fordern Ende von Ressourcenverschwendung

Insgesamt kritisierte Hallek: "Wir verbrennen unheimlich viel Geld."
Deutschland habe eines der teuersten Gesundheitswesen der Welt, doch Fachkräfte
würden in Überlastung getrieben, Patienten oft nicht optimal versorgt. "Da kann
man als demokratischer Bürger nicht zufrieden sein", so der Kölner
Medizinprofessor. Eindringlich mahnte Hallek: "Wir müssen beginnen, mit der
Ressourcenverschwendung aufzuhören." Soll heißen: vor allem mehr ambulant statt
stationär. Der Hamburger Forscher Jonas Schreyögg sieht in weniger Belegungstage
in den Kliniken den Schlüssel für Verbesserungen. Sonst würden dort so viele
Medizinerinnen und Mediziner sowie Pflegekräfte gebraucht, dass sie insgesamt
fehlten.

Was konkret getan werden soll

Heute landet laut den Gutachtern jede und jeder zweite Patient einer
Notaufnahme am Ende stationär im Krankenhaus, international ist das sehr viel.
Da trifft es sich, dass Lauterbach seine Notfallreform "noch vor der
Sommerpause" auf den Weg bringen will, wie er ankündigte. Sie sieht vor, dass
Hilfesuchende bereits am Telefon oder vor Ort im Krankenhaus verstärkt in eine
nahe Praxis geschickt werden. Die Notaufnahmen sollen künftig in neue
Notfallzentren aufgehen, zu denen auch ambulante Notdienstpraxen in der Nähe
gehören sollen.

In der Pflege sollen laut dem SPD-Politiker gleich mehrere Gesetze helfen,
den Beruf attraktiver zu machen. Bei den Hausärzten solle unter anderem die
angekündigte Befreiung von strikten Budgets bei der Vergütung der Behandlungen
für eine Entlastung sorgen. Digitalisierung solle Ärztinnen und Ärzte sowie
Pflegekräfte landauf, landab Zeit sparen, die heute für Dokumentation draufgeht.
Telemedizin solle verstärkt zum Einsatz kommen. Vorbeugung vor Schlaganfällen
und Herzinfarkten solle stark ausgebaut werden. Und vor allem verwies Lauterbach
auf die geplante große Krankenhausreform: Standorte würden abgebaut, Versorgung
werde konzentriert./bw/DP/mis

--- Von Basil Wegener, dpa ---
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