12.04.2024 16:22:49 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Thyssenkrupp will Stahl-Bereich verkleinern - Stellenabbau

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DUISBURG (dpa-AFX) - Deutschlands größter Stahlhersteller Thyssenkrupp
Steel will seine Produktionskapazitäten in Duisburg deutlich
verkleinern. Damit werde auch ein Arbeitsplatzabbau verbunden sein, teilte das
Unternehmen am Donnerstagabend mit. Wie viele Stellen betroffen sein könnten und
wann der Umbau beginnen soll, ist offen. In der Sparte des Thyssenkrupp-Konzerns
arbeiten rund 27 000 Menschen, davon 13 000 in Duisburg. Bis Ende März 2026 gilt
eine Beschäftigungsgarantie. "Es ist das erklärte Ziel, betriebsbedingte
Kündigungen auch weiterhin zu vermeiden", hieß es in der Mitteilung.

Kern der Neuaufstellung soll eine Verringerung der Produktionskapazitäten
für eine Verkaufsmenge von 11,5 Millionen Tonnen auf 9 Millionen bis 9,5
Millionen Tonnen im Jahr sein. Das entspricht einem Rückgang um bis 22 Prozent.
Zum Vergleich: 2023 wurden von der gesamten deutschen Stahlindustrie 30,6
Millionen Tonnen warmgewalzte Stahlerzeugnisse hergestellt. Die angepeilte Menge
von 9 Millionen bis 9,5 Millionen Tonnen entspreche dem Niveau der vergangenen
drei Jahre, betonte das Unternehmen.

In den 11,5 Millionen Tonnen sind auch die Kapazitäten enthalten, die vom
Duisburger Unternehmen Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) für Thyssenkrupp
produziert werden. Thyssenkrupp Steel ist zu 50 Prozent an HKM beteiligt, der
Stahlkonzern Salzgitter zu 30 Prozent. Bei HKM arbeiten knapp 3000 Menschen.

Die stark konjunkturabhängige Sparte steht seit Jahren im Fokus.
Thyssenkrupp plant eine Verselbstständigung von Steel. Mit dem tschechischen
Energieunternehmen EPH laufen seit längerem Gespräche über eine
50:50-Partnerschaft im Stahlgeschäft.

Neuaufstellung vor Wochen angekündigt

Die Ankündigung vom Donnerstag kam nicht unerwartet. Steel-Aufsichtsratschef Sigmar Gabriel hatte Ende Februar in einem "WAZ-"Interview gesagt, dass der
Sparten-Vorstand Vorschläge für eine Neustrukturierung erarbeiten will. Auch ein
Beschäftigungsabbau sei nicht auszuschließen. Am Ende müsse ein zukunftsfähiges
Stahlunternehmen stehen, "in dem auch noch die Kinder und Enkel der heutigen
Stahlarbeiter einen Arbeitsplatz finden". Betont hatte der frühere Vizekanzler
auch, dass Entscheidungen gemeinsam mit den Mitbestimmungsgremien fallen sollen.

Die Ankündigung vom Donnerstag löste bei den Beschäftigten und in der
Politik dennoch große Besorgnis aus. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der
Stahlsparte, Tekin Nasikkol, sprach von einem harten Einschnitt. "Wir fordern
Zukunft statt Kündigung", sagte er. IG-Metall-Bezirksleiter Knut Giesler
erklärte: "Wir werden nicht akzeptieren, dass Zigtausende Menschen um ihren Job
bangen müssen."

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur nannte die Ankündigung "eine
enttäuschende Nachricht - für den Stahlstandort Deutschland und
Nordrhein-Westfalen, in erster Linie aber für die vielen Beschäftigten". Der
Konzern stehe vor der großen Herausforderung, mit den Sozialpartnern für die
Betroffenen faire Lösungen zu finden.

Von einem "herben Schlag" sprach der Duisburger Grünen-Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak. Die Nachricht komme allerdings nicht ganz überraschend, da am
Standort seit einigen Jahren deutlich weniger Stahl produziert werde, als die
Kapazitäten zulassen würden. "Die jetzt angekündigte Anpassung der
Produktionskapazitäten kann auch eine Chance sein, den Standort nachhaltig und
profitabel aufzustellen."

Thyssenkrupp: Arbeitsplätze langfristig sichern

"Die vorgesehenen Maßnahmen sind zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit
zwingend notwendig, um die Stahlproduktion am Standort Duisburg in eine
gesicherte Zukunft zu führen", erklärte das Unternehmen. Auch würden damit
hochwertige Arbeitsplätze langfristig gesichert und die Grundversorgung mit
Stahl in Deutschland widerstandsfähig aufgestellt.

Mit der geplanten Neuaufstellung reagiere man einerseits auf die schwache
Konjunktur, vor allem aber auf mittel- und langfristig strukturelle
Veränderungen auf dem europäischen Stahlmarkt und in entscheidenden Märkten.
Dazu gehörten hohe Energiekosten sowie ein steigender Importdruck, überwiegend
aus Asien.

Die SPD-Landesvorsitzende Sarah Philipp nannte die Pläne "eine ganz bittere
Pille für NRW und das Ruhrgebiet". Thyssenkrupp gehöre zu NRW wie der Rhein und
die Ruhr. "Jeder Einschnitt bei Thyssenkrupp ist auch ein Einschnitt für den
nordrhein-westfälischen Industriestandort."

Das Unternehmen betonte, dass am Umbau der Produktion in Richtung
klimaneutrale Stahlerzeugung festgehalten werde. "Der Bau der ersten
Direktreduktionsanlage am Standort Duisburg wird weiter wie geplant umgesetzt,
mit Unterstützung durch die dafür von Bund und Land freigegebenen Fördermittel."
Auch das Ziel, bis spätestens 2045 klimaneutral zu produzieren, bleibe bestehen.

Die Anlage wird einen Hochofen ersetzen. Sie soll 2027 starten und später
mit klimafreundlich hergestelltem Wasserstoff betrieben werden. Bund und NRW
fördern das Projekt mit zwei Milliarden Euro.

Eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte, das
Ministerium bedauere die unternehmerische Entscheidung. Diese sei insbesondere
vor dem Hintergrund des globalen Wettbewerbs und eines Überangebots gefällt
worden. Sie betonte, dass der Bund Thyssenkrupp maßgeblich unterstütze, die
Umstellung auf grünen Stahl mit Nachdruck einzuleiten. Auch andere
Stahlproduzenten in Deutschland lasse der Bund nicht allein.

Experte sieht offene Fragen

Der Baader-Bank-Analyst Christian Obst sieht eine Senkung der Kapazität als
sinnvoll an. Jedoch gebe es viele offene Fragen. So gebe es keine Informationen
über den Zeitplan oder Kosten. Auch die Hauptfrage, ob das Stahlgeschäft
Bestandteil von Thyssenkrupp bleibe, stehe weiter im Raum.

Für den 30. April ist eine Belegschaftsversammlung aller Standorte in
Duisburg geplant. Sie soll im Stadion des MSV Duisburg stattfinden. Der
Betriebsrat erwartet dazu laut Nasikkol einen Großteil der 27 000 Beschäftigten.
"Wir werden unseren Forderungen Nachdruck verleihen."/tob/DP/ngu
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
THYSSENKRUPP AG O.N. 750000 Xetra 4,748 30.04.24 16:20:10 -0,035 -0,73% 4,746 4,748 4,770 4,783

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