11.04.2024 16:04:16 - dpa-AFX: HINTERGRUND 3: Kreditnehmer hoffen auf Zinssenkung - 'Letzte Meile schwierigste'

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FRANKFURT (dpa-AFX) - Kredite haben sich seit dem Ende der Nullzinsphase im
Euroraum verteuert. Immobilienkäufer, Hausbauer oder Unternehmen hoffen daher
auf eine baldige Senkung der Leitzinsen. Bislang haben die Euro-Währungshüter
die Zinszügel trotz deutlich gesunkener Inflation allerdings nicht gelockert.
Auch am Donnerstag beließ der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) die Zinsen
bei 4,5 Prozent. Volkswirte halten eine Senkung im Sommer aber für
wahrscheinlich.

Wie entwickelt sich die Inflation?

Nach Rekordhöhen infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat
sich die Teuerung im gemeinsamen Währungsraum der 20 Staaten mittlerweile wieder
deutlich abgeschwächt. Im März stiegen die Verbraucherpreise im Vergleich zum
Vorjahresmonat nach einer ersten Schätzung des Statistikamtes Eurostat um 2,4
Prozent. Im März 2023 lag die Inflationsrate noch bei 6,9 Prozent. Die Inflation
sei weiter zurückgegangen, erläuterte die Notenbank am Donnerstag. "Bei den
meisten Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation ist eine Entspannung zu
verzeichnen" und das Lohnwachstum schwächt sich allmählich ab.

Commerzbank -Chefvolkswirt Jörg Krämer mahnte jüngst
allerdings: "Im Kampf gegen die Inflation ist die letzte Meile die
schwierigste." Die EZB strebt mittelfristig eine jährliche Inflationsrate von
zwei Prozent an. Bei diesem Wert sehen die Währungshüter Preisstabilität
gewährleistet. Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbrauchern.
Sie können sich dann für einen Euro weniger leisten.

Warum zögert die EZB bislang mit Zinssenkungen?

Um die zeitweise hohe Inflation in den Griff zu bekommen, hatten die
Währungshüter im Juli 2022 die Jahre der Null- und Negativzinsen beendet und die
Zinsen zehnmal in Folge erhöht. Die Inflation nähert sich inzwischen dem
2-Prozent-Ziel, doch die Notenbank möchte sichergehen, dass die Gefahr stark
steigender Preise tatsächlich gebannt ist. Die jüngste Entwicklung der
Teuerungsrate mache die Währungshüter zuversichtlicher, aber "nicht hinreichend
zuversichtlich", hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der Ratssitzung im
März gesagt.

Nach Einschätzung von BVR-Chefvolkswirt Andreas Bley spricht vieles für eine im Trend weiter sinkender Inflation, die Unsicherheiten blieben aber hoch. Die
Energiepreise stiegen aktuell wieder und die Löhne wüchsen kräftig. Daher sollte
die EZB jeden weiteren Zinsschritt von der Datenlage abhängig machen. "Ein Auf
und Ab des Leitzinses würde zu einer starken Verunsicherung der Bürgerinnen und
Bürger sowie der Finanzmärkte führen."

Was bedeuten die Entscheidungen der EZB für Sparer?

Seit ihrem Höhepunkt gegen Ende vergangenen Jahres sind die Festgeldzinsen
nach Daten des Vergleichsportals Verivox bereits spürbar gesunken. Bundesweit
verfügbare Festgeldanlagen mit zwei Jahren Laufzeit bringen demnach im Schnitt
zurzeit 2,89 Prozent (Stand: 4. April), Anfang Dezember waren es 3,36 Prozent.
Eine Leitzinssenkung im Sommer sei in den aktuellen Festgeldkonditionen schon
weitgehend eingepreist, erläuterte Verivox-Experte Oliver Müller. "Sollten die
Währungshüter angesichts der gesunkenen Inflation im Euroraum nicht nur eine,
sondern sogar zwei Leitzinssenkungen in Aussicht stellen, könnten die
Festgeldzinsen noch tiefer in den Keller gehen."

Auf einem Festgeldkonto wird Erspartes für einen bestimmten Zeitraum
angelegt. Sparer können in dieser Zeit nicht über das Geld verfügen und
Geldhäuser ihre Konditionen nicht anpassen. Die Finanzinstitute versuchen daher,
die erwartete Zinsentwicklung im Voraus zu berücksichtigen.

Beim Tagesgeld stagnieren die Zinsen bundesweit verfügbarer Angebote den
Verivox-Daten zufolge bei durchschnittlich 1,75 Prozent. "Perspektivisch rechnen
wir auch beim Tagesgeld mit sinkenden Zinsen", sagte Maier. Die Zinsen für
täglich verfügbare Einlagen können die Kreditinstitute jederzeit ändern und an
die aktuelle Marktlage anpassen.

Was bedeuten sinkende Zinsen für Kreditnehmer?

Deka-Bank-Chefvolkswirt Ulrich Kater hält eine Leitzinssenkung im Euroraum
wie viele andere Volkswirte ab Juni für wahrscheinlich. "Konsumkredite oder
Baufinanzierungen werden allerdings nicht mehr viel billiger werden, da hier
bereits eine Reihe von künftigen Zinssenkungen in den heutigen Konditionen
vorweggenommen sind", sagt Kater. Nach Daten der FMH-Finanzberatung werden
beispielsweise für zehnjährige Baukredite derzeit im Mittel 3,48 Prozent pro
Jahr fällig (Stand: 8. April) - Ende Oktober waren es noch über vier Prozent.

Wie hängen Zinsen und Konjunktur zusammen?

Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen kann. Das hilft,
die Inflationsrate zu senken. Zugleich sind teurere Kredite eine Last für die
Wirtschaft, weil sich kreditfinanzierte Investitionen verteuern. Manche
Unternehmen überdenken daher ihre Investitionen. Private Hausbauer ebenso wie
große Investoren halten sich mit Bauprojekten zurück. Das kann neben anderen
Faktoren wie beispielsweise einem schwächeren Welthandel die
Wirtschaftsentwicklung im Euroraum dämpfen. Die Konjunkturaussichten für den
gemeinsamen Währungsraum hatten sich zuletzt eingetrübt. Die EZB sagte in ihrer
jüngsten Prognose im März 0,6 Prozent Wachstum für dieses Jahr voraus, im
Dezember waren noch 0,8 Prozent erwartet worden. Wegen der Konjunkturschwäche
waren Forderungen nach baldigen Zinssenkungen laut geworden./mar/DP/ngu

--- Von Friederike Marx, dpa ---
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
BCO SANTANDER N.EO0,5 858872 Xetra 4,743 29.04.24 17:35:52 -0,120 -2,47% 0,000 0,000 4,872 4,863
COMMERZBANK AG CBK100 Xetra 13,740 29.04.24 17:39:21 -0,365 -2,59% 0,000 0,000 14,200 14,105
ING GROEP NV EO -,01 A2ANV3 Xetra 14,846 29.04.24 17:35:40 -0,052 -0,35% 0,000 0,000 14,974 14,898
UNICREDIT A2DJV6 Xetra 34,770 29.04.24 17:41:25 -0,235 -0,67% 0,000 0,000 35,610 35,005

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