27.03.2024 11:30:02 - dpa-AFX: HINTERGRUND: 'Vom Rechtsanwalt bis zum normalen Arbeiter' - Der VW Golf wird 50

WOLFSBURG (dpa-AFX) - Außenministerin Annalena Baerbock hatte früher einen,
Musiker Peter Maffay schon mehrere, VW -Betriebsratschefin Daniela
Cavallo sowieso. Der Volkswagen Golf ist das mit Abstand
beliebteste Auto in Deutschland. Ganze Generationen machten ihre Fahrerlaubnis
in dem Klassiker aus Wolfsburg. Nun wird der Käfer-Nachfolger 50 Jahre alt

1974 hatte er Premiere, als Golf I. Am 29. März lief damals in Wolfsburg der allererste Golf vom Band. Außen kompakt und kantig, innen dennoch geräumig, mit
Frontantrieb, umklappbarer Rückbank und großer Heckklappe. Deutlicher konnte die
Abkehr vom Käfer, an dem VW seit fast drei Jahrzehnten festgehalten hatte, kaum
ausfallen.

Golf rettete VW vor dem Aus

Für VW war es ein Schicksalsjahr, das 807 Millionen D-Mark Verlust
einbringen sollte und fünf Prozent Rückgang bei der Belegschaft. Die Gründe:
Absatzrückgang, Währungsschwankungen und vor allem steigende Kosten für Material
und Personal. Viel zu lange habe die Marke am Käfer festgehalten, der sich immer
schlechter verkaufte, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Bochumer Center
Automotive Research. Der neue Hoffnungsträger Golf I war zum Erfolg verdammt -
und für den sorgte er auch. "Ohne den Golf", sagt Dudenhöffer, "würde es VW
heute in der Form wohl nicht geben."

Mehr als 37 Millionen "Gölfe", wie man die Mehrzahl in Wolfsburg liebevoll
nennt, wurden seit dem Start weltweit verkauft. Inzwischen läuft im Werk die
achte Generation vom Band. "50 Jahre, das gibt es nicht so oft, dass eine Ikone
so alt wird und sich immer wieder neu erfindet", sagt der heutige Markenchef
Thomas Schäfer, der beim Anlauf des Modells kurz vor seinem vierten Geburtstag
stand. "Das ist schon ein Phänomen." Vor allem, weil das Auto quer durch alle
Käuferschichten punkte. "Der Golf war immer wirklich klassenlos", sagt Schäfer.
"Den kann jeder fahren. Vom Rechtsanwalt oder Vorstandsvorsitzenden bis runter
zum normalen Arbeiter. Es gibt wenige Autos, die das geschafft haben." Auch er
selbst fahre privat natürlich Golf.

Begründer der Golfklasse

Der Golf hat einer ganzen Klasse seinen Stempel aufgedrückt. Was das
Kraftfahrtbundesamt Kompaktklasse nennt, heißt in der Branche ganz einfach
Golfklasse. Florian Illies benannte in seinem Bestseller "Generation Golf" sogar
die ganze Altersgruppe, die zwischen 1965 und 1975 geboren wurde, nach dem Auto.
"Was eigentlich als Definition eines automobilen Lebensgefühls gedacht war,
wurde zum passenden Polsterüberzug für eine ganze Generation", so der Autor. Die
Stadt Wolfsburg benannte sich 2003 für einige Monate auf den Ortsschildern in
"Golfsburg" um. Und setzte dem Modell 2015 mit einer von VW geschenkten
übergroßen Golfskulptur ein Denkmal, das zum 50. Geburtstag nun mit einer
goldenen Schleife versehen wurde.

Der heutige Konzernchef Oliver Blume, aufgewachsen in Braunschweig, saß
schon als Kind im Golf. Sein Vater hatte in den Siebzigern einen der ersten Golf
GTI, mit dem die Marke den Kompaktwagen 1976 auf Sportlichkeit trimmte. Zusammen
mit dem Vater habe er den dunkelgrünen GTI Ende der Siebziger dann mit silbernen
Seitenstreifen versehen, erinnert sich der heute 55-Jährige. Und am Wochenende
wurde das Auto gemeinsam gewaschen, "mit der
Fußball-Bundesliga-Konferenzschaltung im Radio", wie der bekennende Fan von
Eintracht Braunschweig hinzufügt.

In Deutschland ist der Golf seit Jahren das meistverkaufte Auto. Doch der
Thron wackelt. In Deutschland konnte der er den Spitzenplatz auch 2023
verteidigen, in Europa insgesamt musste er ihn inzwischen an Teslas Model Y
abgeben. Und auch konzernintern ist der Golf nicht mehr die Nummer eins: Beim
jährlichen Absatz hat ihn das 2007 aufgelegte Kompakt-SUV Tiguan längst
überflügelt. "Bis zu den insgesamt 37 Millionen Auslieferungen vom Golf braucht
es beim Tiguan aber noch ein bisschen", sagt Schäfer. Was angesichts der bisher
ausgelieferten gut acht Millionen Tiguan wohl noch Jahrzehnte dauern wird. "Er
holt aber mit großen Schritten auf."

Nächster Golf wird elektrisch

Ob es nach dem aktuellen Golf 8 noch eine neunte Generation geben wird? "Auf jeden Fall", sagt Schäfer. Aber nicht mehr als Verbrenner. "Die nächste
Generation wird elektrisch." Und sie werde auch wieder Golf heißen, und nicht
ID, wie die bisherigen E-Modelle. "Dafür stehe ich." Bis es soweit ist, werde es
aber noch bis zum Ende des Jahrzehnts dauern. "Das muss dann auch ein Fahrzeug
sein, das den Werten des Golfs entspricht. Sonst macht es keinen Sinn."

Ob der Plan aufgeht? Experte Dudenhöffer hat seine Zweifel. "Der Golf ist
ein tolles Auto. Aber jedes Auto hat seine Zeit." Gefragt seien heute eher SUVs.
Und den Namen Golf verbinden die Kunden vor allem mit Verbrennern. "Die Frage
ist aus Kundensicht: Wie glaubwürdig ist ein Elektro-Golf?" Der Schritt, den
Golf zum E-Auto zu machen, berge für VW auf jeden Fall Risiken. "Das wäre so,
als wäre man damals vom Golf I zum Käfer zurückgegangen. Das hätte nicht
funktioniert."

Dem aktuellen Verbrenner-Golf spendiert VW zum Geburtstag jetzt noch einmal
ein umfangreiches Facelift. "Damit ist das Fahrzeug für die nächsten Jahre gut
aufgestellt", sagt Schäfer. "Und dann müssen wir schauen, wie sich der Hochlauf
der Elektromobilität weiterentwickelt." Sollte der derzeit mäßige Elektro-Absatz
weiter so schwach bleiben, könne man beim Verbrenner später auch noch einmal ein
weiteres Facelift nachlegen. Aber, so betont Schäfer: "Ein komplett neues
Fahrzeug wird es als Verbrenner nicht noch einmal geben."/fjo/DP/zb

--- Von Frank Johannsen, dpa ---
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