24.03.2024 10:00:32 - dpa-AFX: HINTERGRUND/CO2-Endlager in der Nordsee? Was bei in Niedersachsen geplant ist

WILHELMSHAVEN (dpa-AFX) - Klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) könnte künftig
weit draußen in der Nordsee unter dem Meeresgrund gespeichert werden. Das sehen
Pläne vor, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kürzlich
vorstellte. Als größtes Bundesland unter den Nordsee-Anrainern könnte
Niedersachsen dabei eine wichtige Rolle bei dem Aufbau der Technologie zukommen.
Die Technik ist allerdings umstritten. Ein Überblick über Pläne, die es dazu
schon gibt, und die Rolle Wilhelmshavens dabei.

Was ist CCS?

Es geht es um die unterirdische Speicherung von CO2, das etwa beim
Verbrennen von Öl, Gas und Kohle entsteht. CCS steht als englische Abkürzung für
"Carbon Dioxide Capture and Storage". Bei dem Verfahren wird CO2 bei
Industrieprozessen eingefangen, in den Boden gepresst und so eingelagert - zum
Beispiel im Meeresgrund. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass das CO2 in
die Atmosphäre gelangt und so die Erderwärmung beschleunigt. Schon seit 1996
wird CCS nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe
(BGR) im industriellen Maßstab etwa in der Nordsee vor Norwegen eingesetzt.

Wo genau soll CO2 gespeichert werden können?

Nach Habecks Plänen soll das vorerst nur weit draußen in der Nordsee in der
sogenannten ausschließlichen Wirtschaftszone möglich sein. Meeresschutzgebiete
sollen dabei ausgenommen werden. In Niedersachsen regelt auch ein Gesetz
(NKSpG), dass die Erprobung und Demonstration der dauerhaften Speicherung von
CO2 auf dem Festland und in der 12-Seemeilen-Zone, also der küstennahen Nordsee,
unzulässig ist.

"In weiten Teilen Niedersachsens fehlen die geologischen Voraussetzungen, um Kohlendioxid dauerhaft und sicher unterirdisch einlagern zu können", teilt zudem
das Wirtschaftsministerium in Hannover mit. In anderen Gebieten stünden wichtige
Belange dem entgegen, etwa touristische Interessen oder Wasserschutzgebiete.
Deshalb gebe es auch keine Bestrebungen, an der Gesetzeslage etwas zu ändern.

Wie reagiert die Landesregierung auf Habecks Pläne?

Die rot-grüne Landesregierung hält es für richtig, dass Habeck eine
Strategie vorgelegt hat - gleichzeitig drängt sie auf einen engen Rahmen für
CCS. Umweltminister Christian Meyer sagt, CCS dürfe nur dort zum Einsatz kommen,
wo es unvermeidbare CO2-Emissionen gebe, zum Beispiel in der Zementindustrie. Er
weist zudem auf den knappen Raum in der Nordsee hin, um den Offshore-Windparks,
Fischerei und Meeresnaturschutz konkurrieren. "Hier muss klar sein, dass etwa
der Ausbau der Erneuerbaren Energien in der Nordsee und der Schutz des
Wattenmeers sowie des Meeresbodens Vorrang hat, da gerade die Windkraft
essentiell zum Erreichen der Klimaziele beiträgt", sagte der Grünen-Politiker
der Deutschen Presse-Agentur.

Wirtschaftsminister Olaf Lies plädiert dafür, sich auf Lösungen zu
konzentrieren, die tatsächlich umsetzbar seien. "Ansätze und Umsetzung von CCS
vor der deutschen Küste sind allein mit Blick auf die notwendigen Untersuchungen
und Genehmigungen auf der Zeitschiene in so ferner Zukunft, dass allein schon
die Diskussion darüber Zeit frisst, die wir eigentlich nicht haben", sagte Lies.
"Wir sollten zunächst in enger Kooperation mit Norwegen, Dänemark und den
Niederlanden bereits in der Umsetzung befindliche Projekte nutzen. Das schafft
Planbarkeit und die notwendige Verlässlichkeit für zeitnahe Projekte."

Welche Rolle könnte Niedersachsen spielen?

Eine nicht unerhebliche. Denn wenn Kohlendioxid tatsächlich weit draußen
unter der Nordsee gelagert werden sollte, müsste das CO2 zunächst an die Küste
kommen, um von dort weitertransportiert zu werden. Im Moment könne CO2 in
Deutschland per Lkw, Schiff oder Schiene transportiert werden, teilt das
Wirtschaftsministerium in Hannover mit. "Für den Transport großer Mengen von CO2
würde jedoch ein Pipelinenetz benötigt werden, welches heute noch nicht
existiert." Wo es verlaufen könnte, ist unklar. Um die Voraussetzungen dafür zu
schaffen, plant die Bundesregierung eine Gesetzesnovelle.

Die Landesregierung unterstütze den Aufbau einer Export-Infrastruktur, heißt es aus Lies' Ministerium. Vor allem der Hafen von Wilhelmshaven und
Fachkenntnisse der niedersächsischen Gas- und Ölindustrie könnten
"gewinnbringend genutzt werden".

Welche Projekte sind schon in Planung?

An der niedersächsischen Küste steht schon ein Projekt in den Startlöchern - in Wilhelmshaven. Dort plant der Gas- und Ölkonzern Wintershall Dea zusammen mit
dem ansässigen Tank-Terminal-Betreiber HES bis 2029 einen CO2-Hub, also eine Art
Drehscheibe, mit dem Titel CO2nnectNow. Bei einem ähnlichen Projekt in Dänemark
mit dem Namen Greensand ist Wintershall bereits an der Speicherung von CO2
beteiligt.

"Das CO2 soll via Pipeline und Schiene aus ganz Deutschland bei CO2nnectNow
ankommen und bis zum Transport in die Nordsee in Tanks mit einer Kapazität von
bis zu 50 000 Tonnen zwischengespeichert werden", teilt eine
Wintershall-Sprecherin mit. Insgesamt sei so ein Umschlag von bis zu 10
Millionen Tonnen CO2 im Jahr möglich. Zum Vergleich: 2022 wurden in Deutschland
laut Umweltbundesamt insgesamt 750 Millionen Tonnen CO2 und andere Treibhausgase
ausgestoßen.

Inzwischen haben verschiedene Studien laut Wintershall die Machbarkeit des
Projektes bestätigt. Auch eine Pipeline durch die Nordsee soll entstehen, die
CO2 zu Lagerstätten nach Norwegen transportiert. Diese befinde sich aber noch in
einer frühen Planungsphase. Bis dahin könne CO2 auch per Schiff transportiert
werden.

Parallel läuft bereits seit 2021 das Projekt Geostor, bei dem Wissenschaft,
Behörden und Industrie das Potenzial untersuchen, ob und in welchem Umfang CO2
unter dem Meeresboden in der deutschen Nordsee gespeichert werden kann. Erste
Ergebnisse werden dieses Jahr erwartet. Auch der US-Ölkonzern ExxonMobil
hat Interesse an CO2-Speicherung. Ein Antrag des Konzerns "zur
Suche nach CO2-Speicherinformationen in der deutschen Nordsee" liegt dem
Landesbergbauamt in Niedersachsen vor.

Wie sehen Umweltschutzverbände die CCS-Pläne?

Der Nabu in Niedersachsen lehnt die Technik ab. Es gebe mit Mooren und
Feuchtgebieten ein deutlich größeres Potenzial, CO2 zu speichern, wenn man diese
wieder vernässe, teilte der Landesvorsitzende Holger Buschmann kürzlich mit.
Außerdem kritisieren Naturschützer, dass der Ausbau der Infrastruktur für die
unterirdische Speicherung sehr teuer und extrem viel Energie verbrauchen werde.

Der WWF fürchtet, dass es durch die CCS-Infrastruktur zu einem
Flächenverbrauch auf dem Meer kommen werde. "CCS-Gewerbeparks mit
kilometerlangen Pipelines und zahlreichen Plattformen bedrohen unsere Meere",
kritisierte WWF-Meeresschutzexpertin Karoline Schacht. "Wer CO2 aus
Industrieprozessen speichern will, muss dafür sorgen, dass es auch an Land
verpresst werden kann." Habecks Entwurf für das neue Speichergesetz gehe an
dieser Stelle in die falsche Richtung./len/DP/zb

--- Von Lennart Stock, dpa ---
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
EXXON MOBIL CORP. 852549 Frankfurt 110,640 26.04.24 20:56:47 -1,920 -1,71% 0,000 0,000 112,880 110,640

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH