22.03.2024 16:34:36 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Paketzustellung ohne Menschen? Forscher stellen Roboter vor

BRAUNSCHWEIG (dpa-AFX) - Die Info kommt per SMS: Das Paket ist da. Doch
nicht ein Postbote steht vor der Tür, sondern ein Roboter. Was sich anhört wie
ein Szenario aus der fernen Zukunft, ist im Rahmen eines europäischen
Forschungsprojekts schon ein Stück weit Wirklichkeit geworden. Wissenschaftler
von der Technischen Universität (TU) Braunschweig und anderen Einrichtungen
erprobten zwei Jahre lang den Einsatz von zwei miteinander vernetzten, autonomen
Fahrzeugen.

Am Freitag stellten sie das Vorhaben in der niedersächsischen Stadt vor. Bei einer Vorführung war zu sehen, wie ein großes Fahrzeug - ein mobiles
Zwischenlager - auf dem Gelände der TU heranrollte und zwei Pakete
transportierte. In einem nächsten Schritt brachte ein kleiner Lieferroboter die
beiden Sendungen etwa hundert Meter weit um die Ecke, wo ein Mensch die Pakete
entgegennahm. Die testweise Zustellung hatte Erfolg - ein menschlicher Paketbote
war für die Übergabe nicht nötig. Das große Fahrzeug hat den Angaben zufolge ein
Ladevolumen von bis zu neun Kubikmetern und damit so viel wie ein mittelgroßer
Transporter. In das kleinere Zustellfahrzeug passen bis zu 30 Pakete.

Einer der zuständigen Wissenschaftler der Uni, Torben Hegerhorst, erklärte
das Ziel des Robotereinsatzes: Man wolle die "letzte Meile"
- also die letzte Strecke bis zum Empfänger - vollständig
automatisieren und dadurch die Kosten erheblich senken. Als positiven Aspekt des
Robotereinsatzes nennt er auch eine gute CO2-Bilanz, schließlich fährt kein
Transporter mit Verbrennungsmotor mehr bis vor die Haustür des Empfängers. "Und
der andere große Aspekt ist der Fachkräftemangel, den man damit beheben kann",
sagt der Experte.

Tatsächlich sucht die Paketbranche angesichts der hohen Sendungszahl
- rund dreieinhalb Milliarden Pakete im Jahr in Deutschland -
händeringend Arbeitskräfte. Roboter könnten diese Personalprobleme abschwächen -
vorausgesetzt, die Roboter-Tests münden irgendwann einmal auch wirklich in eine
alltagsfähige Anwendung für die große Masse.

Das vorgestellte Projekt heißt "LogiSmile - Last-mile logistics for
autonomous goods delivery" (deutsch: Letzte-Meile-Logistik zur autonomen
Warenlieferung). Getestet wurde nicht nur in Braunschweig, sondern auch in der
Nähe von Barcelona und in Ungarn, externe Firmen waren dabei eingebunden.

Mensch noch nicht ganz verzichtbar

Ganz mechanisch ist der Ablauf in dem Roboterkonzept aber nicht. Bei der
Vorführung in Braunschweig bringt ein Mensch die Pakete vom mobilen
Zwischenlager in den kleinen Zustellroboter. Die Übergabe habe bei dem Projekt
nicht im Zentrum gestanden, sagt Wissenschaftler Hegerhorst. Im Fokus des
Projekts habe die Zusammenarbeit der beiden Roboter gestanden, die durch ein
System überwacht und koordiniert werden.

Die Roboter sollen vor allem in Städten genutzt werden, wo viele Menschen
Pakete empfangen. Ein Regelbetrieb könnte "in mittlerer Zukunft" erfolgen, sagt
der Fahrzeugtechniker, und spricht von fünf bis zehn Jahren als möglichem
Zeitfenster bis zum Einsatz im Regelbetrieb.

Andere EU-Staaten sind weiter

Experten anderer Hochschulen, die in das LogiSmile-Projekt nicht eingebunden waren, sehen das Thema ebenfalls positiv. "Die Zustellung hat viel Potenzial,
schließlich sucht die Paketbranche händeringend nach Arbeitskräften und könnte
hierbei durch die Roboter personell entlastet werden", sagt Kai-Oliver Schocke
von der Frankfurt University of Applied Sciences. Andere EU-Staaten seien
hierbei weiter, zum Beispiel im Baltikum würden Zustellroboter schon eingesetzt.
"Deutschland ist spät dran."

Der Logistik-Professor gibt zu bedenken, dass sich solche Roboter nicht in
jedem Umfeld eigneten. "In Innenstädten sind die Gehwege manchmal zugeparkt mit
E-Scootern und Fahrrädern, es gibt Kopfsteinpflaster, die Bordsteine sind mal
hoch und mal niedrig - all das sind Unsicherheitsfaktoren, die einen zügigen
Ablauf erschweren."

Bisher kein Durchbruch in Deutschlands Paketbranche

Die Brief- und Paketbranche tüftelt mit Wissenschaftlern schon lange an
Roboterkonzepten. Der Durchbruch ist ihr bisher nicht gelungen. Hermes erprobte
von 2016 bis 2017 ein autonomes Fahrzeug in Hamburg, das Pakete vom Hermes-Shop
zum Empfänger brachte. Die Technik sei noch in einem frühen Prototypenstadium
gewesen, sagt eine Hermes-Sprecherin im Rückblick auf das damalige Projekt. Man
habe zwar interessante Erfahrungen gemacht. "Für einen Regeleinsatz in der
Paketzustellung aber war es einfach noch zu früh."

Konkurrent DHL testete 2017 im hessischen Bad Hersfeld einen "PostBOT" in
der Briefzustellung. Dieses Roboterfahrzeug war nur als Unterstützung gedacht:
Es fuhr Briefträgern hinterher, die zu Fuß liefen, und transportierte deren
Sendungsmengen. Sein Fassungsvermögen lag bei 150 Kilo. Das Projekt wurde nach
einiger Zeit eingestellt.

Am weitesten kam DPD - dies allerdings nicht in Deutschland, sondern in
Großbritannien. Die Firma schickte im Jahr 2022 Zustellroboter in der Stadt
Milton Keynes los, um pro Tag bis zu 30 Pakete auszuliefern. Auf die Frage, wie
es denn laufe, sagt ein DPD-Sprecher, dass die Roboter noch immer im Einsatz
seien. Im Sommer 2023 sei das Vorhaben auf zehn Städte ausgeweitet worden. "Man
könnte also sagen, es war ein Erfolg", so der DPD-Sprecher. Eine Ausweitung auf
Deutschland sei vorerst aber nicht geplant.

Der deutsche Paketbranchen-Verband Biek hat bei dem Thema keine allzu hohen
Erwartungen. Dessen Chef Marten Bosselmann sieht den Einsatz von Robotern auf
der letzten Meile grundsätzlich zwar positiv, sagt aber auch: "Praktische
Anwendungsfälle, die schrittweise auf eine große Menge kommen und sich
wirtschaftlich lohnen, sind auf absehbare Zeit eher unwahrscheinlich." Autonome
Fahrzeuge in der Zustell-Logistik befänden sich aktuell noch im Experimentier-
und Forschungsstadium. In Zukunft könnten autonom fahrende Zustellfahrzeuge
jedoch eine wichtige Rolle bei der Paketzustellung spielen, sagt Bosselmann, und
betont dabei die Bedeutung von flächendeckendem, sicher vorhandenem
Breitband-Internet, das für den Roboter-Einsatz nötig sei./sak/DP/men

--- Von Sarah Knorr und Wolf von Dewitz, dpa ---
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