20.03.2024 15:45:12 - dpa-AFX: HINTERGRUND 2: Deutschlands Seehäfen und warum sie so wichtig sind

(Neu: Der Text wurde durchgängig mit dem Beschluss zur Nationalen
Hafenstrategie aktualisiert)

HAMBURG (dpa-AFX) - Der gesamtdeutsche Außenhandel läuft in großen Teilen
über die Seehäfen der Nord- und Ostsee sowie über Hamburg mit dem größten Hafen
des Landes. Obwohl es ganz Deutschland betrifft, liegt die Zuständigkeit für die
sehr teure Infrastruktur allein bei den Ländern. Das finden die ungerecht. Die
Bundesregierung hat nun ihre Nationale Hafenstrategie beschlossen. Darin werden
den Häfen wichtige Aufgaben zugewiesen. Ob es damit besser wird? Der aktuelle
Zustand:

Warum sind die deutschen Häfen so wichtig für das Land?

Ohne die deutschen Häfen dürfte einerseits die exportorientierte Wirtschaft
in weiten Teilen kollabieren, andererseits müsste die Bevölkerung auf zahlreiche
auch lebensnotwendige Waren verzichten, mindestens aber deutlich mehr bezahlen.
Deutschland wickelt rund 60 Prozent seines Im- und Exports über den Seeweg ab.
Im vergangenen Jahr waren dies nach Angaben des Statistischen Bundesamts rund
267,8 Millionen Tonnen Güter, darunter Energie, Lebensmittel, Kleidung, Technik
und Medikamente. Im Vergleich zu 2022 ging der deutsche Außenhandel im
vergangenen Jahr wegen der schwierigen geopolitischen Lage und der schwachen
Dynamik des Welthandels zurück
- beim Export um 2,0 Prozent und beim Import um 10,1 Prozent, wie die
Statistiker feststellten.

Welche Häfen sind die wichtigsten in Deutschland?

Der mit Abstand größte und wichtigste Hafen des Landes liegt in Hamburg. In
ihm wurden nach Angaben der Statistiker im vergangenen Jahr mit 99,6 Millionen
Tonnen so viele Waren umgeschlagen wie in allen anderen relevanten Seehäfen
Deutschlands zusammen. Danach folgte Bremerhaven mit 39,2 Millionen Tonnen,
Wilhelmshaven in Niedersachsen mit 29,8 Millionen Tonnen und Rostock in
Mecklenburg-Vorpommern mit 23,9 Millionen Tonnen.

Wie stehen die deutschen Häfen im europäischen Vergleich da?

Es geht so. Die mit Abstand größten Häfen der sogenannten Nordrange - sie
bezeichnet die wichtigsten kontinentaleuropäischen Häfen an der Nordsee, über
die etwa 80 Prozent des europäischen Im- und Exports abgewickelt werden - sind
Rotterdam in den Niederlanden und Antwerpen-Brügge in Belgien. Auch sie mussten
beim Seegüterumschlag im Vergleich zu 2022 einen Rückgang um 6,1 beziehungsweise
5,5 Prozent hinnehmen, liegen aber deutlich vor Hamburg als Nummer drei. Gut
ablesbar ist das auch am Containerumschlag: Während in Hamburg im vergangenen
Jahr 7,7 Millionen Standardcontainer (TEU) über die Kaikanten gingen - der
schlechteste Wert seit 2009 - waren es in Rotterdam 13,4 Millionen TEU und in
Antwerpen-Brügge rund 12,5 Millionen TEU.

Wie steht es um die deutsche Handelsflotte?

Eigentlich ganz gut. Nach Angaben des Deutschen Reederverbands liegt
Deutschland bei der Containerschifffahrt weltweit auf Platz eins - noch vor
China. Deutscher Branchenprimus ist dabei die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd
. Mit 266 Containerschiffen, einem Transportvolumen von jährlich
11,9 Millionen TEU und 16 300 Beschäftigten ist sie die derzeit fünftgrößte
Reederei der Welt. Vor ihr liegen MSC (Schweiz), Maersk (Dänemark), CMA CGM
(Frankreich) und Cosco (China). Die gesamte Handelsflotte Deutschlands umfasste
laut Reederverband im vergangenen Jahr 1800 Schiffe, womit Deutschland weiterhin
die siebtgrößte Schifffahrtsnation der Welt ist. Die ersten drei Plätze belegen
Griechenland, China und Japan.

Wo ist also das Problem?

Reedereien klagen vor allem über hohe Kosten in deutschen Häfen, über den
Automatisierungsgrad der Terminals und das Abfertigungstempo. In Hamburg
behindert zudem die in die Jahre gekommene Köhlbrandbrücke die Erreichbarkeit
einzelner Terminals mit besonders großen Containerfrachtern. Hinzu kommt, dass
einzelne Reedereien ihr Flottenmanagement ändern und ihre Schiffe die Häfen
nicht mehr wie an einer Perlenkette anlaufen lassen. Stattdessen steuern sie
verstärkt von ihnen selbst definierte Knotenpunkte an - in der Regel Häfen und
Terminals, an denen sie selbst beteiligt sind - und verteilen die Waren von dort
auf kleineren Schiffen weiter. Deutsche Häfen müssen dabei nicht zwangsläufig
zum Zuge kommen.

Was wollen die deutschen Häfen?

Die Häfen für die Zukunft zu rüsten und vor allem auf eine Klimaneutralität
vorzubereiten, ist extrem teuer, beispielsweise allein der Ersatz der Hamburger
Köhlbrandbrücke wird derzeit auf rund 4,5 bis 5 Milliarden Euro taxiert. Die
Hafenwirtschaft und die Küstenländer Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen,
Bremen und Mecklenburg-Vorpommern fordern deshalb vom Bund seit Langem eine
deutliche Aufstockung der Bundesmittel zur Finanzierung der Seehäfen. Allein für
die Infrastruktur fallen demnach pro Jahr aufgrund gestiegener Kosten 400
Millionen Euro an. Bislang zahlt der Bund lediglich 38 Millionen Euro pro Jahr
für alle Häfen zusammen.

Welche Zukunftsaufgaben kommen auf die Häfen zu?

Die Hafenwirtschaft weist darauf hin, dass die Häfen für den per Gesetz
vorgesehenen Ausbau der erneuerbaren Energien dringend erweitert werden müssen.
"Für das Erreichen dieser Ausbauziele fehlt es in Europa in den Häfen an
Umschlagkapazität für Windenergie", hieß es zuletzt beim Zentralverband der
deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) "Das gilt insbesondere für Deutschland, wo seit
Jahren nicht in den Ausbau der nötigen Schwerlastflächen investiert wurde." Das
Problem betrifft insbesondere die Windkraft auf See, da die Turbinen hier
besonders groß und schwer sind und oft auch in den Häfen vormontiert werden
müssen. "Ohne mehr Flächen in den Häfen, kein erfolgreicher Ausbau der
Windenergie und keine erfolgreiche Energiewende", so der ZDS.

Aus Sicht der Windkraftbranche sind bis zu 200 Hektar zusätzliche
Schwerlastflächen in den deutschen Seehäfen nötig. "Das entspricht der Fläche
eines Parkplatzes mit 260 000 Pkw oder 270 Fußballfeldern", hat die Stiftung
Offshore-Windenergie vorgerechnet. Die Windenergie auf See soll bis 2045 von
derzeit 8,4 auf 70 Gigawatt Leistung ausgebaut und damit ein Rückgrat der
Energiewende werden. Das bedeutet Tausende neue Windräder. Die Stiftung sieht
die Seehäfen als die zentralen Drehkreuze für Ausbau und Betrieb: "Ob als
Basishäfen für den Bau und den späteren Rückbau der Windparks, als Servicehäfen
für den Betrieb und auch die Wartung, als Lagerplatz oder als
Produktionsstandort - sie nehmen vielfältige Funktionen im Bereich der
Offshore-Windenergie ein."

Die Nationale Hafenstrategie ist da - Was macht der Bund jetzt?

Mit seiner neuen Strategie weist der Bund den Häfen wichtige
Zukunftsaufgaben zu: im Bereich der Energiewende, der Transformation der
Industrie, der Versorgungs- und Produktionssicherheit, der neuen
Sicherheitsarchitektur im Rahmen der NATO und auch im Kampf gegen Drogen- und
Waffenschmuggel. Die deutschen Häfen sollen national und international
wettbewerbsfähig sein und frei von kritischen Abhängigkeiten agieren, wie es in
der Strategie heißt. "Mit 139 Maßnahmen wollen wir dafür sorgen, dass unsere
Häfen resilient und digital werden", sagte Verkehrsminister Volker Wissing
(FDP).

Und was macht der Bund vorerst nicht?

Zusätzlich Geld ausgeben. Die Zuständigkeiten seien klar verteilt, sagte der Minister. "Die Zuständigkeit für die Häfen liegt bei den Ländern. Der Bund ist
zuständig für die Verkehrsanbindung." Der Bund habe in den vergangenen zehn
Jahren jeweils eine halbe Milliarde im Jahr investiert. "Klar ist: Wenn es
Projekte gibt, die wir gemeinsam vorantreiben wollen, die im Bundesinteresse
auch liegen, dann stehen wir auch dazu, finanzielle Mittel bereitzustellen. Wir
wollen aber so vorgehen, dass wir sagen: Erst brauchen wir die Pläne, dann
können wir die Finanzfragen klären." Bei der Hafenstrategie gehe es nicht
einfach um die Zuweisung von Finanzmitteln.

Kann es so funktionieren?

Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) und der
Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB) haben da eine klare Meinung: Der
Hafenstrategie der Bundesregierung fehle eine zentrale Voraussetzung: nämlich
das Geld. "Für die Hafenwirtschaft in Deutschland ist das eine große
Enttäuschung." Und auch die Verbände der Windenergiebranche sind nicht
zufrieden: "Die Energiewende ist politisch durch den Bund beschlossen und stellt
eine nationale Aufgabe dar, die ohne den Ausbau der notwendigen Hafenkapazitäten
deutlich ausgebremst zu werden droht. " Die Küstenländer wiederum sind zumindest
sind skeptisch. "Um ins Handeln zu kommen", müsse es jetzt einen erhöhten
Ausgleich für die besonderen finanziellen Belastungen durch die Seehäfen geben,
heißt es in einer Erklärung der Länder Hamburg, Bremen, Niedersachsen,
Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern./klm/DP/mis

--- Von Markus Klemm und Thomas Kaufner, dpa ---
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